Bei der Medtechnik-Firma Ypsomed läuft es rund: Im Geschäftsjahr 2004/05 stiegen die Verkäufe um satte 22%. Anders bei Ypsomeds einstiger Schwesterfirma Disetronic, die im Jahr 2003 von Roche Diagnostics für 1,1 Mrd Fr. gekauft wurde: Dort hört man derzeit wenig Gutes.
«Die Übernahme durch Roche ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein Merger zu einer riesigen Wertvernichtung führen kann», sagt ein ehemaliger Roche-Mitarbeiter. Wie «andere wichtige Einzelpersonen» habe er Roche verlassen, weil er die Grossfirmenkultur unerträglich fand. «Bei Disetronic packte jeder an, es gab keine Bürokratie und sehr kurze Entscheidungswege.» Der prominenteste Abgang sei jener des früheren Disetronic-Forschungschef Bruno Reihl.
Arroganter Auftritt gegenüber den Gesundheitsbehörden?
Ein weiterer Insider sagt aus, dass auch die Probleme Roches mit der amerikanischen Gesundheitsbehörde (FDA) weit gehend hausgemacht seien. Disetronic hatte bereits vor der Übernahme durch Roche einen Warnbrief von der FDA bekommen, worin diese Produktionsmängel beanstandete. «Das hat Roche gewusst», sagte Disetronic-Gründer Willy Michel der «HandelsZeitung» vor kurzem in einem Interview. Doch laut dem Insider sei Roche gegenüber der FDA sehr arrogant aufgetreten. «Unter Disetronic wäre das ein Verkaufsverbot in den USA nicht passiert.»
Auch wenn verschiedene, voneinander unabhängige Quellen über eine schlechte Integration von Disetronic berichten: Es ist schwierig einzuschätzen, wie objektiv und fundiert solche Aussagen sind.
«Wir können zu einzelnen Personen keine Stellung nehmen. Generell möchten wir aber festhalten, dass nach der Übernahme von Disetronic durch Roche nur sehr wenige Personalwechsel stattgefunden haben», sagt Roche-Sprecher Baschi Dürr. Zu den Vorwürfen betreffend die FDA erwidert Roche, man habe kein solches Feedback erhalten. «Im Gegenteil ist es uns ein grosses Anliegen, mit den Behörden in gutem Einvernehmen zu stehen, und dies gilt natürlich auch für die FDA», so Dürr.
Doch unabhängig davon, ob die amerikanischen Gesundheitsbehörden protektionistische Tendenzen haben oder ob Roche unglücklich auf die behördlichen Warnungen reagierte: Tatsache ist, dass das Unternehmen seit vollen zwei Jahren keine Insulinpumpen mehr in den USA verkaufen darf. Das Verbot erfolgte vier Monate nach der Übernahme. Es ist dies ein teures Abseitsstehen: Gemäss Adamant Biomedical Investments benutzen in den USA 200000 Diabeteskranke des Typs 1 Insulinpumpen. Etwa 60% des weltweit 1 Mrd Dollar schweren Insulinpumpenmarktes entfalle auf die USA. Adamant rechnet mit jährlichen Zuwächsen in den USA von 15 bis 17%.
Immerhin gibt es jetzt klare Anzeichen dafür, dass Roche seine Insulinpumpen im wichtigen US-Markt bald wieder verkaufen kann: «Die FDA hat sich uns gegenüber klar dahingehend geäussert, dass sie (die Produktionsstätte) Burgdorf so bald als möglich reinspizieren wird», so Dürr. Der vorbereitende interne Prozess in der FDA werde ungefähr acht bis zehn Wochen in Anspruch nehmen.
Roche hatte sich in den USA Marktanteile von 50% und mehr erhofft. Doch auch wenn das Verkaufsverbot bald fallen sollte: Die Rückeroberung der Marktanteile wird schwierig. Während es zu Disetronic-Zeiten faktisch ein weltweites Duopol zwischen Disetronic und Minimed (heute Medtronic) gab, sind heute in den USA neue, innovative Firmen aktiv. Auf Roche hat niemand gewartet.
Wie sich die Marktanteile in Europa verschoben haben, wo die frühere Disetronic Branchenleader war, ist unklar. Neuere Zahlen gibt es nicht. Eigentlich ist auch der europäische Markt attraktiv, denn die Penetrationszahlen liegen mit geschätzten 8% deutlich unter den 20% Marktdurchdringung in Amerika.
Die Übernahme von Disetronic durch Roche war strategisch sicher richtig. Doch nicht immer führt ein strategischer Fit auch zu einer reibungslosen Integration.
Roche Diagnostics: Diabetes-Riese
Mit Verkäufen im Wert von 2,9 Mrd Fr. ist der Bereich Diabetes Care der grösste Umsatzträger von Roche Diagnostics. Verkaufsschlager ist das Blutzuckermessgerät. 2004 wurde von Disetronic eine neue Insulinpumpe auf den Markt gebracht. Blutzuckermessgeräte und Insulinpumpen unter dem gleichen Dach zu entwickeln, ist sinnvoll, denn die Zukunft gehört der künstlichen Bauchspeicheldrüse: Ein Gerät, das den Blutzucker misst und bei Bedarf automatisch Insulin abgibt. (stä)