Vor rund neun Monaten ging Rocket Internet an die Börse. Sektkorken knallten, der Vorstandschef der Berliner Startup-Schmiede, Oliver Samwer, rieb dem Bullen vor der Deutschen Börse in Frankfurt die Hörner. Doch spätestens nach dem verhaltenen Börsendebüt machte sich Skepsis breit. Das mittlerweile in mehr als 110 Ländern vertretene Unternehmen muss noch den Beweis liefern, dass man mit dem Entwerfen von Startups am Reissbrett und dem Gründen nach dem Baukastenprinzip Geld verdienen kann. Auf der Hauptversammlung am Dienstag in der Hauptstadt dürfte der Konzern seine Aktionäre überzeugen wollen, dass er sich auf dem richtigen Weg befindet.

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Zwar sind die Stimmen von Analysten bisher recht optimistisch, doch liegt die Aktie mit derzeit weniger als 37 Euro deutlich unter dem Ausgabepreis von 42,50 Euro. Beim Online-Händler Zalando, der fast zeitgleich an die Börse ging, stieg der Kurs in diesem Zeitraum hingegen um mehr als 40 Prozent. Ab 22. Juni ist die frühere Rocket-Tochter dann sogar im MDax notiert, während sich Rocket weiterhin im schwach regulierten Entry Standard befindet.

Hans-Martin Buhlmann von der Vereinigung Institutioneller Privatanleger mahnt Anleger jedenfalls zur Vorsicht: «Wie man ins Kasino reingeht, sollte man auch wieder herauskommen. Die Aktionäre sollten wissen, dass es entweder traumhafte Renditen gibt oder nichts.» Und der wortgewaltige Samwer, der Rocket Internet in Interviews gern mal auf eine Stufe mit Amazon stellte, weist derzeit gern darauf hin, dass man sich in einem Marathon befindet und nicht in einem Sprint. «Man wird immer mit Aufs und Abs kämpfen», sagte der Kölner auf der Internetkonferenz Noah in Berlin.

Einfachere Struktur

Seit dem Börsengang hat das 2007 gegründete Rocket viel Zeit darauf verwendet, die Firmenstruktur zu vereinfachen und damit Managemententscheidungen schneller treffen zu können. Dafür hat das Unternehmen seine Startups in verschiedene Regionen wie auch Gruppen – nämlich die bereits bewährten Startups und die Newcomer in einzelnen Geschäftsbereichen unterteilt. Demnach haben unter anderem die Online-Möbelhändler Westwing und Home24, die Essens-Lieferdienste HelloFresh, Foodpanda und Delivery Hero ihr Potenzial bereits unter Beweis gestellt. Sie sollen laut Rocket-Finanzchef Peter Kimpel in absehbarer Zeit an die Börse gehen. Die anderen Startups befinden sich noch gänzlich in den Kinderschuhen. Daraus ergebe sich ein recht hohes Risiko, sagt Analyst Stefan Wimmer vom Bankhaus Metzler.

Ein Analystenkommentar der Investmentbank Berenberg findet jedenfalls, dass sich Rocket insgesamt auf dem richtigen Weg befindet. Die Kollegen von Morgan Stanley rechnen damit, dass Rocket dies im kommenden Jahr durch entsprechende Finanzierungsrunden und mögliche Exits unter Beweis stellt. Viele Beobachter gehen davon aus, dass der Lieferdienst Delivery Hero sein Marktdebüt als erstes feiert.

Copy-Cat-Vorwurf

An Delivery Hero ist Rocket derzeit nur mit 38,5 Prozent beteiligt. Und hier tritt die Achillesferse der Startup-Schmiede zu Tage. Die Berliner können Umsätze von Beteiligungen erst selbst buchen, wenn ihr Anteil bei mindestens 50 Prozent liegt. Dies ist bisher selten der Fall, weswegen der Umsatz 2014 bei dem mit mehr als sechs Milliarden Euro bewerteten Unternehmen nur bei 104 Millionen Euro lag. Beim Kochbox-Anbieter HelloFresh und dem Essens-Dienst Foodpanda habe man die Schwelle 2015 bereits geknackt, beim Börsenkandidaten Home24 stehe man kurz davor, hiess es im Mai.

Allergisch reagiert Samwer meist auf den geläufigen Vorwurf, dass es sich bei Rocket Internet um ein Copycat handelt – also eine Firma, die nur Klone anbietet. Auf der Noah–Konferenz verteidigt er: «Es ist so viel Arbeit, eine Idee aufzugreifen und daraus ein Unternehmen zu machen.» Vielleicht werde eines Tages auch das Geschäftsmodell von Rocket als Pionierleistung gelten. Seine eigene Arbeit daran beschreibt er recht simpel: «Ich bin ein Bäcker, und backe aus drei Sachen: Ideen, Kapital und Menschen. Eins davon ist immer knapp.»

(reuters/ise/ama)