Herr Geiger, was ist Ihre Einschätzung zu den Quartalszahlen der CS?
Hans Geiger*: Es ist ein schlechtes Resultat, aber man hat Schlimmeres erwartet. Das zeigt sich auch an der Reaktion der Börse.
Was sticht für Sie heraus?
Die Swiss Universal Bank hat ein gutes Resultat geliefert. Auch das International Wealth Management hat ein positives Ergebnis, das gleiche gilt für den Bereich Asien & Pazifik. Schlimm sieht es im Bereich Global Market und im Investment Banking aus. Bei den Festverzinslichen Anlagen hat die CS ein echtes Problem.
Was meinen Sie konkret?
Tidjane Thiam will und muss das Handelsgeschäft mit Festverzinslichen Anlagen hinunterfahren. Die Bank hat nicht genug Kapital und Know-how, um das Geschäft zu betreiben. Doch die Aktivitäten zurückzufahren ist nicht einfach. Thiam ist dies bislang offenbar nicht so gut gelungen, wie der Bericht des «Wall Street Journal» zeigt. Es ist speziell, wenn sich Händler offen gegen ihren Chef auflehnen. (Das Wirtschaftsblatt machte ein Schwarzpeterspiel zwischen verschiedenen CS-Topmanagern publik, Anm. der Redaktion).
Wie schätzen Sie die Position von Thiam ein?
Er hat sicher einen schwierigen Start gehabt. Letzten Herbst hat er seine neue Strategie erklärt. Ich weiss nicht, ob er sie verstanden hat. Ich zumindest habe sie nicht begriffen. Hinzu kommen nun im ersten Quartal die Probleme mit den Festverzinslichen Anlagen. Es gibt ein Grundsatzproblem: Er ist ein McKinsey-Mann, kein Finanzmann.
Thiam steckt immer noch in der Lernkurve?
Er hat seine Erfolge im Versicherungsgeschäft gehabt. Und das Versicherungsgeschäft ist fast das Gegenteil des Investment Banking. Thiam zahlt noch Lehrgeld. Und das passiert bei einer Bank, die sich das eigentlich nicht leisten kann.
Kritisieren Sie damit den Verwaltungsrat, der ihn ausgewählt hat?
Es ist noch zu früh, um ein definitives Urteil zu Thiam zu fällen, er hat einen unglücklichen Start hingelegt. Der Verwaltungsrat hat bei mir sicher die schlechteren Noten als Thiam, weil der Verwaltungsrat bewiesen hat, dass er seine Aufgabe nicht beherrscht. Mehr als einmal hat Verwaltungsratspräsident Urs Rohner öffentlich eine andere Meinung vertreten als Thiam. Das ist ein Fehler, gegen aussen müssen sie einheitlich auftreten.
Sie hätten an der Generalversammlung nicht für Rohner gestimmt?
Ich hätte nicht für ihn gestimmt, wenn ich Aktionär wäre.
Was sind Ihre Erwartungen für den Rest des Geschäftsjahrs?
Tidjane Thiam muss weitere 2000 bis 3000 Stellen abbauen und das Geschäfsvolumen im Investment Banking hinunterfahren. Wenn ich mir den Konflikt von Thiam mit seinen Investmentbankern vor Augen führe, bin ich pessimistisch, ob ihm das gelingt.
*Hans Geiger ist emeritierter Professor am Institut für schweizerisches Bankwesen der Universität Zürich. Vor seiner akademischen Karriere war der Zürcher für die Credit Suisse tätig. 2007 nahm Geiger zudem für die SVP an den Ständeratswahlen im Kanton Zürich teil.