Patrick Heiniger, der grosse Patron von Rolex, spricht. Und öffnet die Türen zum Unternehmen in Genf. Legendär für seine Diskretion, gilt Rolex doch als die Lokomotive der Schweizer Luxusuhren-Branche, ist aber auch nicht gänzlich unabhängig von wirtschaftlicher Grosswetterlage, Konjunkturverlauf und internationaler Nachfrage.
Patrick Heiniger sagt, dass sein Unternehmen besser als die anderen damit umgehen könne. Besser als die Konkurrenz, wie zum Beispiel Cartier, deren Namen Heiniger jedoch während des nachfolgenden Gesprächs nie in den Mund nimmt. Diese Zurückhaltung ist typisch für diesen Mann, der bisher nie ein Wort über Zahlen verloren hat.
Patrick Heiniger, seit zwei Jahren steckt die Welt in einer Krise der Politik, der Wirtschaft und der Gesundheit. Bezahlt der Luxusanbieter Rolex einen hohen Preis?
Alle Luxusindustrien leiden unter den negativen Folgen dieser internationalen Entwicklungen. Aber aus den mir zugetragenen Informationen schliesse ich, dass wir davon spürbar weniger tangiert sind als einige unserer Konkurrenten.
Wie erklären Sie sich das?
Wir haben uns in der Vergangenheit nicht verzettelt. Wir haben uns immer auf unser einziges Ziel konzentriert: auf die permanente Erforschung und Entwicklung der Qualität. Unsere Teams haben sich immer wieder auf die neuen Anforderungen ausrichten müssen. Nehmen Sie das Beispiel von Sars: Hongkong und Taiwan waren beide stark betroffen. Darunter haben wir wie andere auch gelitten. Wir mussten jedoch lernen, mit dieser Krankheit umzugehen. Heute, am 12. Juni 2003, konstatieren wir eine leichte Verbesserung unserer Aktivitäten in diesen Regionen.
Wie viele Uhren produziert Rolex im Jahr?
Rolex produziert jährlich etwa 700 000 Stück. Und unsere Geschäftszahlen haben sich in den letzten zwei Jahren stetig erhöht. Dies trotz dem garstigen Umfeld.
Rolex veröffentlicht keine Geschäftszahlen. Wir schätzen den Umsatz auf zwei Milliarden Franken. Liegen wir weit daneben?
Innerhalb einer Bandbreite von 15 bis 20 Prozent ist Ihre Schätzung richtig!
Gerüchte besagen zudem, dass die Uhrenproduktion nur einen schwachen Anteil am Ertrag von Rolex habe. Den grössten Teil trügen die Einkünfte aus Finanzprodukten und Immobilien bei. Stimmt das?
Das ist falsch. Auch wenn Rolex in der Tat gewisse – relativ wichtige – Aktivitäten mit Mobilien und Immobilien verzeichnet, weise ich Sie darauf hin, dass diese im Zuge unseres Handelns mit dem Verkauf von Uhren entstanden sind. Die Uhrensparte läuft gut und hat es uns stets ermöglicht, wieder in der Uhrenherstellung zu investieren. Wir haben aber beispielsweise einiges an der Börse angelegt. Doch wer hat in diesem allgemeinen Börsenabschwung zuletzt nicht verloren?
Wie ist die Rolex-Gruppe organisiert?
Rolex SA ist eine Produktions- und eine Verkaufseinheit. Zur Rolex Holding gehört das ganze Netz der 24 Filialen in New York, Tokio, Paris und anderswo. Daneben haben wir noch zwei nicht ganz echte Filialen – Djakarta und Kuala Lumpur –, die zu einem Servicecenter zählen, dessen Leitung bei Rolex Singapur liegt.
Rolex Genf gehört zur Stiftung Wilsdorf. Rolex Biel ist in Händen der Familie Borer. Sind die beiden Unternehmen völlig voneinander getrennt?
In der Tat sind Rolex Genf und Rolex Biel juristisch unabhängig. Aber sie atmen denselben Geist von Rolex!
Rolex Genf kontrolliert also nicht die Uhrwerkfertigung in Biel. Dachten Sie nie daran, sich diese einzuverleiben?
Das ist eine sehr gute Frage. Wir pflegen mit Biel eine historische Partnerschaft. Dabei handelt es sich um einen Exklusivvertrag. Wir verarbeiten nur Uhrwerke aus Biel. Umgekehrt liefert Biel Uhrwerke ausschliesslich an uns.
Welchen Stellenwert nehmen Forschung und Entwicklung bei Ihnen ein?
Im Moment arbeiten ungefähr 150 Personen in unserer Forschungs- und Entwicklungsabteilung, weitere 130 für die Nutzbarmachung der Entwicklungen. Elf unserer Ingenieure haben einen Doktortitel, 32 haben an der ETH studiert. Darunter finden Sie Physiker, Chemiker, Mechaniker, Mikrotechniker, Elektriker, Informatiker. Daneben entwickeln wir uns beständig weiter, ohne dabei auf Revolution zu machen. Wenn Sie eine zwanzig Jahre alte Oyster Perpetual Day Date mit einer von heute vergleichen, werden sie kaum markante Unterschiede feststellen. Doch ich versichere Ihnen, sie sind enorm!
Rolex hat zwei Marken: L’Oyster Perpetual und Tudor. Was repräsentiert die Letztere?
Diese zweite Marke hat sehr viel Rückenwind, vor allem in Südostasien. Für mich ist die Tudor die Infanterie von Rolex, die uns vor den Angriffen einiger Konkurrenten schützen wird.
Wie kontrollieren Sie die Distribution?
Wir haben Direktkunden in Ländern, in denen keine unserer 26 Filialen zu finden ist. Zum Beispiel in Portugal, in Skandinavien oder in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Unsere Verkäufer hier in Genf verhandeln direkt mit ihnen. Sie tragen 20 Prozent zu unserem Umsatz bei. 80 Prozent kommen von den
Filialen.
Verraten Sie uns das Erfolgsgeheimnis von Rolex?
Wir ernten heute die Früchte unserer Vorgänger. Die Konstanz ist ohne Zweifel das Geheimnis dieses Erfolges. Wir weichen nicht schnell von unserem Weg ab.
Welches ist Ihre grösste Herausforderung?
Zu tun, was wir noch nicht tun können.
Wie begreifen Sie Zeit, die vergeht?
Es gibt wenige Marken wie die unsere, die das Privileg haben, ausserhalb der Zeit zu stehen. Das fasziniert mich. Es drängt sich in mir der Vergleich mit einem Dinosaurier auf, der durch die Zeit schreitet.
Die Dinosaurier sind einfach verschwunden ...
Ja, aber erst im Verlauf von Millionen von Jahren. Wenn es Rolex noch Millionen von Jahren geben wird, sind wir auf der guten Seite.