Rolf Schmids Offenheit zeigt sich schon im Gespräch. Ohne dass man ihn direkt darauf anspricht, erzählt der 46-Jährige selbstkritisch von der bisher schwierigsten Zeit in seiner beruflichen Karriere. Das war Mitte der 90er Jahre, bevor er 1996 den Job bei Mammut übernahm.
Als selbstständiger Berater hatte der HSG-Absolvent gemeinsam mit einer Venture-Capital-Firma einen kleinen Tour Operator übernommen und ihn zunächst mittels mehrerer Übernahmen erfolgreich zu einem Grösseren aufgebaut.
Doch die letzte Akquisition war ein folgenreicher Fehler. «Wir hatten keine vernünftige Due Diligence gemacht, die Firma stand vor dem Konkurs, und wir mussten plötzlich innert acht Wochen mehrere Millionen Franken an Liquidität aufbringen, wozu wir nicht mehr in der Lage waren», schildert Schmid die damalige dramatische Situation. Rolf Schmid, gerade Mitte 30, musste den 100 Mitarbeitenden von einem Tag auf den andern mitteilen: «Das wars jetzt.»
Lehrgeld bezahlt
Er hat daraus seine Lehren gezogen, wie er im Rückblick selbst sagt. «Für mich wurde schnell klar, dass ich nicht mehr selbstständig sein und dass ich die Branche wechseln wollte.» Dass man aus Fehlern lernen kann, sah offenbar auch Jacob Schmidheiny so, der VR-Präsident der Beteiligungsgesellschaft Conzzeta Holding AG, zu der die Mammut Sports Group gehört. Er stellte Schmid ein.
Heute, zehn Jahre später, steht fest: Rolf Schmid war und ist für Mammut der richtige Mann. Innert weniger Jahre hat er die Gruppe umgebaut, die ihre Anfänge als kleine Seilerei 1862 in einer Lenzburger Garage nahm. Er hat eine klare Marketingstrategie definiert und umgesetzt und sie mittels gezielter und diesmal erfolgreicher Akquisitionen als starke internationale Outdoor-Gruppe positioniert. «Meine Aufgabe war zunächst der Turnaround, weil das Unternehmen zuvor zwei, drei Jahre alles auf den Umzug von Lenzburg nach Seon fokussierte, stark produktionsorientiert war und dabei den Markt vernachlässigte.»
Die Seilerei produziert immer noch in Seon und steht bei Mammut laut Schmid für die Tradition des Unternehmens. Ansonsten lässt man inzwischen wie praktisch alle Sportartikelunternehmen in Osteuropa, Italien und Asien produzieren.
Auf seine Art zu führen hatte Schmids Negativ-Erfahrung als Unternehmer kaum Einfluss. «Ich halte immer noch am Gleichen fest, nämlich den Leuten sehr viel Vertrauen entgegenzubringen und ihnen grosse Freiheiten zu lassen», sagt Schmid. Auch jungen Mitarbeitern überträgt er sofort eigene Projekte, damit sie eigene Ideen entwickeln können.
Immer alles hinterfragen
Was sie bestehen müssen, sind Schmids kritische Fragen. Seine Aufgabe in Seon sieht der Chef von 300 Mitarbeitenden als jene des Hinterfragers. «Auch wenn ich oft gleicher Meinung bin, gebe ich mich damit nicht zufrieden und spiele am Anfang den Gegenpart.» Das sei nicht immer einfach für seine Leute, ist sich Schmid bewusst, weil es den Anschein erwecke, mit den eigenen Ideen keine Chance zu haben. Die Stimmung rechtzeitig wieder ins Positive und Motivierende zu drehen, sei manchmal schwierig und gelinge ihm auch nicht immer.
Schmid bezeichnet sich als dominanten und stark fordernden Chef, aber auch als einen, der gut zuhören kann und sich vom Weg zum definierten Ziel auch mal abbringen lasse. Er versuche menschlich zu sein. Dazu gehören für ihn so banale Dinge, wie ein kurzes Treppenhausgespräch bewusst nicht um das Business, sondern um private Angelegenheiten kreisen zu lassen. Oder, dass er sich neulich in einem internen Führungsseminar zuerst selbst auf den heissen Stuhl setzte, um sich den kritischen Fragen und dem Feedback auszusetzen.
Schmid erlebt es als Nachteil eines CEO, dass er von seinen Leuten zu selten kritisiert wird. Auch deshalb stellt er sich im August einem persönlichen Assessment, «um wieder einmal von aussen zu hören, wie ich auf andere wirke».
Führungsmässig besonders stark gefordert war der Vater zweier Kinder gerade kürzlich, als er die Führungsstruktur veränderte. Bis zum 1. Juli 2005 gab es in Seon eine achtköpfige Geschäftsleitung. Neu kümmert sich jetzt eine frisch gebildete Gruppenleitung um die strategische Führung, bestehend aus vier Managern und ihm. «Ich wurde aufgefressen und hatte angesichts unseres Wachstums immer weniger Zeit, um mich auf alle GL-Mitglieder plus vier weitere direkt Unterstellte einzulassen», erklärt er den Schritt.
Keine Berührungsängste
Solche Managementaufgaben liebt Rolf Schmid. Womit sich viele Manager schwer tun, nämlich Kadern neue Funktionen anzubieten, die zunächst auf dem Papier als Zurückstufung erscheinen, sieht Schmid als Challenge, den er gerne annimmt. «Solche Gespräche sind unheimlich wichtig, und man weiss unmittelbar, ob man es richtig gemacht hat. Es gehört für mich zu den schönsten Momenten als Chef, wenn ich merke, dass ein Mitarbeiter einen Entscheid für richtig hält, auch wenn er zuvor innerlich enttäuscht war», sagt Schmid und geht daher davon aus, dass niemand wegen dieser Umstrukturierung die Firma verlassen wird.
Ebenfalls per 1. Juli 2005 wurden in Seon mit Ausnahme der ersten Mitarbeiterstufe die Arbeitszeiterfassung abgeschafft sowie Funktionsstufen eingeführt. Der Chef nahm sich viel Zeit, dem gesamten Team die neuen Regelungen und Strukturen zu erklären.
Berechenbar unberechenbar
«Ich rede nicht gerne um den heissen Brei herum. Ich bin sehr direkt, manchmal vielleicht zu direkt», sagt er. «Berechenbar unberechenbar» sei er als Chef. Er habe damit in den letzten Jahren gute Erfahrungen gemacht.
Zur Direktheit und Fairness gehört für Schmid auch, dass er jungen Leuten, von deren Potenzial er überzeugt ist, aber denen er aus Konstellationsgründen keine adäquate Entwicklung innerhalb der Firma bieten kann, offen sagt, dass sie sich besser ausserhalb der Firma umschauen, um sich karrieremässig weiterzuentwickeln.
Rolf Schmids: Führungsprinzipien
1. Vertrauen schenken, das heisst Verantwortung und Kompetenzen delegieren.
2. Initiative fördern, indem wir das Risiko von Fehlern bewusst in Kauf nehmen.
3. Direkte, offene und klare Kommunikation zwischen allen.
Zur Person
Rolf Schmid (46) wuchs als Sohn eines Swissair-Managers in Deutschland, Dänemark, Argentinien und Italien auf und arbeitete nach dem Wirtschaftsstudium an der Universität St. Gallen (HSG) zunächst bei Ciba-Geigy. Es folgte eine Periode als Berater und selbstständiger Unternehmer. Seit 1996 ist Schmid CEO der Mammut Sports Group. Er ist verheiratet, Vater eines Sohnes und einer Tochter und lebt mit seiner Familie in Lenzburg.
Gezielte Akquisitionen: Climb High, Raichle und Ajungilak im Repertoire
In Rolf Schmids Zeit als CEO der Mammut Sports Group fallen drei gezielte Akquisitionen, nachdem die ersten Jahre im Zeichen des Turnarounds standen. 2001 wurde die US-amerikanische Sportartikelvertriebsgesellschaft Climb High übernommen sowie die norwegische Schlafsack-Herstellerin Ajungilak ASA. Zwei Jahre später erfolgte die Übernahme der Schuhmarke Raichle. Am problemlosesten verlief laut Schmid die Übernahme von Raichle. Schwieriger war es bei der norwegischen Schlafsack-Firma. «Wir waren aus Sicht der Norweger die bösen Ausländer, die alles ändern wollten. Das dortige Team ist heutig völlig erneuert, aber wir arbeiten weiterhin mit einem lokalen Management, genau wie auch in unserer Firma in den USA», so Schmid. Mit insgesamt 300 Mitarbeitern erzielt die Gruppe, zu der auch Toko gehört, heute einen Umsatz von rund 135 Mio Fr. (miz)