Was sind Sie in erster Linie Chef von Mobilezone oder Fussball-Fan?

Ruedi Baer: An erster Stelle bin ich CEO von Mobilezone. Der Fussball ist für mich mehr ein Hobby. Andere spielen Golf oder fahren Mountainbike.

Immerhin waren Sie über zehn Jahre Präsident von Young Boys.

Baer: Das war eine grossartige Zeit. Ich hatte riesiges Glück: Mit YB wurden wir Schweizer Meister, dreimal standen wir im Cup-Final und einmal kamen wir sogar ins Viertelfinal des Europa-Cups. Damals füllte mich der Fussball fast völlig aus, das ist heute anders.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Ihr Amt als Aufsichtsratsmitglied beim Deutschen Fussballverein Borussia Dortmund ist also nicht vergleichbar?

Baer: Nein. Da gibt es zwar auch grosse Emotionen, aber der zeitliche Aufwand ist wesentlich geringer. Ausser sechs Aufsichtsratssitzungen pro Jahr und Vorbereitungsarbeiten habe ich keine Verpflichtungen.

Und was ist mit den regelmässigen Besuchen der Fussballmatches?

Baer: Das ist reines Vergnügen. In einem Stadion zu sitzen, bei dem jedes Spiel von 76000 Zuschauern verfolgt wird, diese fantastische Stimmung: Das ist einzigartig.

Gibt es das in der Schweiz nicht?

Baer: Nein, so etwas gibt es bei uns nicht. Die Schweizer Fans sind niemals so tief im Sportgeschehen wie in Dortmund. Diese Beziehung wächst über Generationen in den Familien. Fussball ist in Dortmund eine wahre Lebenshilfe. Und zum Teil auch eine wichtige Zukunftsperspektive für Junge.

Weshalb?

Baer: Das Wirtschaftsgebiet um Dortmund hat eine hohe Arbeitslosenquote, vor allem bei den Jungen. Die Zukunftsaussichten sind dementsprechend schlecht. Wie früher in den Oststaaten haben junge Talente dank dem Fussball eine Möglichkeit, im Leben weiterzukommen. Auch aus diesem Grund hatten wir letzte Saison die jüngste Mannschaft der Deutschen Bundesliga und erstmals 16-jährige Spieler auf dem Feld. Das schafft enge Bindungen mit den Zuschauern und sorgt für gute Stimmung.

Keine Probleme mit Hooligans?

Baer: Nein. So etwas gibt es nur in der Schweiz. Es ist lächerlich und absolut unverständlich, weshalb in der Schweiz bei einem Spiel vor 30000 Zuschauern die Lage eskalieren kann, und im Rest von Europa vor 60000 und 70000 Personen gespielt wird, und es passiert überhaupt nichts.

Ihre Erklärung?

Baer: Die Verantwortlichen haben versagt. Die Polizei darf nicht einschreiten, muss hinten stehen, soll nicht provozieren was immer das heissen mag. Es kann doch nicht sein, dass bei einem Spiel im Wankdorf-Stadion 5000 Fans sitzen und dabei die Tribüne angezündet wird, und beim Match BarcelonaChelsea mit 98000 Zuschauern die Stimmung völlig friedlich bleibt. Das ist Sport. Was in Basel passiert ist, ist eine Sauerei.

Haben Sie Bedenken für die Euro 2008?

Baer: Überhaupt nicht. Ich bin überzeugt, dass das Sicherheitsdispositiv wasserdicht ist und es zu keinen nennenswerten negativen Ereignissen kommen wird.

Apropos negative Ereignisse: In Italien kommt immer mehr zum bisher grössten Skandal der europäischen Fussballgeschichte ans Licht. Ihr Kommentar?

Baer: Überall, wo viel Geld auf Emotionen trifft, ist die Verlockung für unsaubere Machenschaften gegeben. Das ist nicht nur beim Fussball so. Ich hoffe, dass die Schuldigen mit aller Härte bestraft werden.

Zur Abschreckung?

Baer: Ja. Fussball hat eine grosse gesellschaftliche Aufgabe. Viele Jugendliche orientieren sich an diesem Sport. So-bald dieser verdreckt wird und mafiaähnliche Züge bekommt, könnten die Auswirkungen auf gesellschaftlicher Ebene gewaltig sein.

Alle, die mit Fussball zu tun haben, müssen also «sauber» sein. Was heisst das bei Ihnen?

Baer: Ich bin nur als Privatmann engagiert. Es gibt keine Verlinkung zwischen Mobilezone und meinen sportlichen Interessen. Dieses Prinzip muss für jeden Manager gelten. Niemand soll das Gefühl haben, da fliesse Geld von der Firma in den Sport. Es darf nicht sein, dass Aktionäre das Hobby eines Firmenchefs finanzieren müssen.

Kennen sich die Fussballbegeisterten unter den Schweizer Führungskräften?

Baer: Wir sind nicht organisiert. Aber die Fussballwelt ist klein. Und in all den Jahren habe ich neben Sepp Blatter, Mitgliedern aller Sportbehörden, Trainern und Fussballspielern auch viele Fussball-interessierte Führungskräfte kennen gelernt.

Könnten Sie sich vorstellen, wieder für einen Schweizer Klub zu arbeiten?

Baer: Ein Engagement in der Schweiz ist aktuell kein Thema. Ich suche es nicht, und ich werde im Moment auch nicht angefragt.

Und eine Rolle als Fussballfunktionär?

Baer: Dafür bin ich ungeeignet. Ich bin lieber an der Front.

Wird bald schon ein Schweizer Fussball-stadion den Namen Mobilezone tragen?

Baer: Für ein Namen-Branding ist Mobilezone zu klein. Das ist nur etwas für Konzerne. Das neue Hallenstadion hätte sich für eine solche Kooperation angeboten. Aber leider scheiterte die Idee. Wenn das neue Stadion den Namen UBS trüge, so wurde argumentiert, würde man die CS als Kundin verlieren. Wir Schweizer sind eben kleinkariert.

Wie weit wird die Schweizer Nationalmannschaft an der WM kommen?

Baer: Die Mannschaft hat die Klasse, um mindestens Gruppenzweite zu werden. Weltmeister wird aber wohl Brasilien was nach all dem Rambazamba um seineAnwesenheit in der Schweiz auch positiv wäre.

-----

Zur Person: Steckbrief

Name: Ruedi Baer

Funktion: CEO Mobilezone, Mitglied Aufsichtsrat Borussia Dortmund

Alter: 63

Familie: Zwei Kinder

Karriere:

-1997-1999 Mitglied der Geschäftsleitung der Dipl. Ing. Fust AG

- 1999 bis heute Realisierung Mobilezone, CEO der Handy-Ladenkette

----

Fussball-Chronik

Young Boys

1978 kam Ruedi Baer über seinen Sohn Sascha, der bei YB als Junior spielte, zum Berner Fussballverein. Zwei Jahre später war er Präsident. Er begann den damals mit Schulden belasteten Klub zu sanieren. 1993 trat er zurück.

Borussia Dortmund

Seit November 2004 sitzt Ruedi Baer im Aufsichtsrat, dem deutschen Pendant zum Verwaltungsrat, von Borussia Dortmund. Seine Rolle: Unabhängiger Sanierer. Zum Ende der Bundesligasaison 2003/2004 sass Borussia auf einem Schuldenberg von 120 Mio Euro.

-----

Die WM in Zahlen: Noch nie spielte das Geldeine so zentrale Rolle

Planetares Ereignis

Vom 9. Juni bis 9. Juli 2006 spielen in Deutschland 32 Mannschaften um den Titel des 18. Fifa-Fussball-Weltmeisters. Die letzte WM in Japan und Südkorea (2002) haben gegen 30 Mrd Menschen am TV mitverfolgt. Allein das Endspiel zwischen Brasilien und Deutschland sahen 1,1 Mrd Menschen. Der Weltfussballverband Fifa geht davon aus, dass die Werte dieses Jahr übertroffen werden dürften.

Geldmaschine Fifa

Der Weltfussballverband Fifa beziffert seine vertraglich garantierten WM-Gesamteinnahmen auf 1,6 Mrd Euro. Davon kommen allein 1,1 Mrd aus den verkauften Fernsehrechten. Die Fifa versuchte gleichzeitig in einem absurden Ausmass die Markenrechte zu schützen, bis sie der Bundesgerichtshof mit einem Grundsatzurteil bremste. Die Fifa versuchte, den Begriff «Fussball-WM 2006» zu schützen.

Kleinere Brötchen

Während die Fifa mit WM-Ausgaben von 580 Mio Euro rechnet, womit ein Gewinn von 1 Mrd Euro resultiert, bäckt das WM-Organisationskomitee kleinere Brötchen. Gemäss der sportwissenschaftlichen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum dürfte das Komitee froh sein, wenn es seinen Etat von 430 Mio Euro ausgeglichen gestalten kann.

Fussballfans

Deutschland erwartet für die WM 3,2 Mio Fussballfans und Gäste, davon gut 1 Mio aus dem Ausland. Die Konsumausgaben dieser Besucher werden auf 1,5 Mrd Euro geschätzt. Der ausländische Fan hält sich durchschnittlich 10 Tage in Deutschland auf, besucht in der Regel drei Spiele und gibt pro Ticket insgesamt rund 665 Euro aus.

Mehrumsatz

Die Postbank hat errechnet, dass der Bausektor dank der WM 2006 von Aufträgen in der Höhe von 3,5 Mrd Euro profitiert hat. Die Tourismusbranche darf mit einem Umsatzplus von 850 Mio Euro rechnen, die Sport- und Fanartikelhersteller mit einem Plus von 1 Mrd Euro. Die Deutsche Zentrale für Tourismus erwartet 5 Mio zusätzliche Übernachtungen, was fürs gesamte 2006 einer Zunahme von 1,7% entspricht.

Die Fifa-Partner

Die Hauptsponsoren lassen sich einen offiziellen Auftritt an der WM jeweils zwischen 30 und 60 Mio Euro kosten. Die 15 so genannten Fifa-Partner sind: Adidas, Anheuser-Busch, Avaya, Coca-Cola, Continental, Deutsche Telekom, Fly Emirates, Fuji Film, Gilette, Hyundai, Philips, Master Card, McDonald's, Toshiba und Yahoo.