Hallauer! Das war bis vor nicht allzu langer Zeit das Synonym für aus der Pinot-Noir-Traube gekelterten, fruchtig-süffigen Beerliwein. Zwar entfallen im Kanton Schaffhausen auch heute 80% der rund 500 ha umfassenden Rebfläche auf die ebenso noble wie launische Burgundersorte. Doch seit etlichen Jahren werden im nördlichsten Weinanbaugebiet der Schweiz nicht nur unkomplizierte Tropfen, sondern auch Weine von Format gekeltert.
Einer der Ersten, die im schaffhausischen Klettgau die Zeichen der Zeit erkannt hatten, war Ruedi Baumann. Als er vor zehn Jahren mit seiner Frau Beatrice das Weingut seiner Eltern übernahm, tat er dies mit der Absicht, nicht nur den bereits von Vater Max eingeschlagenen Weg weiterzugehen, sondern die Angebotspalette um Weine zu erweitern, die mit den besten Gewächsen der Schweiz mithalten sollten. Gewiss, ein ambitioniertes Unterfangen, doch wer den bescheidenen und eher scheu wirkenden Ruedi Baumann kennt, weiss, dass bei ihm zuerst die Taten kommen und dann die Worte.
Messen will man sich an den Schweizer Topprodukten
Letztere braucht es freilich kaum noch, wenn es heute darum geht, das Resultat seiner Arbeit die in Flaschen abgefüllten Weine zu beurteilen. Längst hat es sich über die Kantonsgrenzen hinaus herumgesprochen, dass die Weine des im Dorfzentrum von Oberhallau gelegenen Familienbetriebs zu den helvetischen Toperzeugnissen gehören.
«Als Selbstkelterer sind wir hier eine eher rare Spezies», sagt Ruedi Baumann und spielt damit auf die Tatsache an, dass im Kanton Schaffhausen ein Grossteil der Weinproduktion in den Händen von Handelsbetrieben und Genossenschaften liegt. Doch egal ob gross oder klein, der Ruf eines Gutes hängt hier primär von der Qualität der erzeugten Pinot-Noir-Weine ab. Auf dem Baumann'schen Weingut sind von den insgesamt 7,5 ha Rebfläche 5,5 ha mit verschiedenen Pinot-Noir-Klonen bestockt. Verarbeitet werden nur Trauben aus eigenem Anbau. Neben einem fruchtigen Beerliwein erzeugt Baumann eine gehaltvolle Auslese, die teils als Pinot Noir Auslese (im Stahltank ausgebaut), teils als Pinot Noir Classique (12 Monate in gebrauchten Barriques ausgebaut) abgefüllt wird. Während Ersterer sich fruchtig-beerig und im Abgang mit dezenten Würznoten präsentiert (der 2003er ist jahrgangsbedingt opulenter als der 2002er), lässt der 2002er Classique (der 2003er ist noch nicht abgefüllt) Aromen von dunklen Beeren und Kirschen aufscheinen, denen ein von eleganten Tanninen, saftiger Säure und Extraktsüsse geprägter Körper Rückhalt verleiht.
Das Aushängeschild des Betriebs ist der Pinot Noir «R», der erstmals im Jahre 2000 gekeltert wurde. Dieser kräftige und komplexe, rund 14 Monate in Barriques ausgebaute Cru verdankt seinen mysteriösen Namen dem Anfangsbuchstaben der Lage «Röti». Zurzeit ist von diesem Topgewächs, von dem jährlich nur gerade 2000 Flaschen erzeugt werden, der 2002er Jahrgang im Verkauf. Der in der Nase von roten Beeren, Röstaromen und balsamischen Noten geprägte Wein zeigt sich im Gaumen dicht, saftig, facettenreich und schön ausbalanciert. Er lässt ein gutes Alterungspotenzial erahnen.
Wie zwei Winzerzusammenarbeiten
Dies kann man auch dem «ZWAA», der zweiten roten Spitzenkreszenz attestieren, die Ruedi Baumann seit nunmehr zehn Jahren gemeinsam mit Michael Meyer aus Osterfingen (Gasthaus & Weingut Bad Osterfingen) produziert. «Zwaa» heisst im schaffhausischen Dialekt zwei, und damit ist auch schon die Idee umrissen, die hinter diesem Wein steht: Einen Wein zu keltern, zu dem die beiden Winzer zu je gleichen Teilen die Trauben zweier unterschiedlicher Terroirs beisteuern. «In Osterfingen gedeihen die Reben auf leichtem, kiesigem Untergrund, was elegante, fruchtige Weine ergibt», erklärt Baumann. «In Oberhallau haben wir dagegen tiefgründige und schwere Böden. Deshalb sind unsere Weine eher kräftig und komplex.» Als erster grosser Blauburgunder, wie hier der Pinot Noir traditionell genannt wird, setzte der «ZWAA» in der Region Massstäbe. Der 2002er besticht mit seiner beerigen, von schwarzen Kirschen dominierten Frucht, die leicht von Röstaromen überlagert wird. Im Gaumen ist er vollmundig und würzig, geprägt von samtigem Tannin, saftiger Säure und einem langen Nachhall.
Bei den Weissweinen beginnt die Angebotspalette beim fruchtig-frischen Müller-Thurgau. Es folgen der vielschichtige, von feinen Honig- und Pfirsichnoten geprägte Pinot Gris (der Jahrgang 2003 ist ausverkauft) und der in Barriques ausgebaute Chardonnay Classique. Letzterer es ist die Rede vom 2003er ist von kräftiger, aber keineswegs plumper Statur. Die präsente Säure und die dezenten Holznoten vermögen den Hauch von Restsüsse gut abzupuffern.
Der weisse «ZWAA», auch er ein Gemeinschaftswerk von Michael Meyer und Ruedi Baumann, setzt sich zusammen aus je einer Partie Pinot Blanc (aus Osterfingen) und Chardonnay (aus Oberhallau). Der 2003er präsentiert sich zugleich vollmundig-stoffig und saftig-frisch.
Zurzeit kultivieren die Baumanns fünf Rebsorten. Reizt es sie nicht, sich noch anderen Sorten zuzuwenden? Baumann winkt ab. «Unsere Weinpalette ist bereits von beachtlicher Breite. Da wir mit den Resultaten zufrieden sind, macht es keinen Sinn, sich allzu sehr zu verzetteln.» Einer zusätzlichen önologischen Herausforderung stellt er sich dennoch gelegentlich. In geeigneten Jahren keltert Baumann aus angetrockneten Pinot-Noir-Trauben einen federweissen Süsswein. Wir verkosten gemeinsam jenen des Jahres 2000 und versuchen, uns seinem komplexen Charakter mit folgenden Worten anzunähern: Duft von Trockenfrüchten und Aprikosen, im Gaumen Pfirsich- und Quittenaromen, Rosinen, konzentrierte, von frisch-fruchtiger Säure begleitete Süsse, langer Ausklang. Noch stehen einige wenige Flaschen dieses verführerischen Elixiers auf dem Verkaufsgestell. Derweil der nächste Jahrgang, der 2003er, im Keller langsam seiner Vollendung entgegenreift.
Die Weine sind direkt ab Gut erhältlich. Weingut Baumann, Ruedi und Beatrice Baumann, Unterdorf 117, Oberhallau. Tel. 052 681 33 46, Fax 052 681 33 56.