Das Büro ist jener Ort, an dem sich der moderne Homo laborandus nebst dem Bett am häufigsten aufhält. Doch ähnlich wie mit der horizontalen Unterlage verhält es sich mit dem Arbeitsplatz: Aufmerksamkeit wird ihm meist erst dann zuteil, wenn es schon zu spät ist. Es zwickt der Rücken, es quetscht der Nacken die holländische Physio-Riege reibt sich freudig die Hände.
Ergonomie ist das eine, Renommee das andere. Stilvoll eingerichtete Büroräumlichkeiten signalisieren nach aussen Erfolg und Seriosität, nach innen Wertschätzung gegenüber denjenigen, die hier tagtäglich ihren Job verrichten. Von diesem Grundsatz überzeugt ist auch Stefan Stieffel, wenn er sagt: «Nicht immer muss es zum Jahresende eine Lohnerhöhung sein, man kann seine Mitarbeiter auch mit einem schönen Büro für ihre Leistung belohnen.»
Stefan Stieffel und Priska Heeb schmeissen den Laden
Stieffel ist seit einem Jahr Geschäftsführer und zusammen mit Priska Heeb, die ebenfalls in der Geschäftsleitung Einsitz nimmt, Mehrheitsaktionär der Zürcher Rüegg-Naegeli AG, welche sich der Einrichtung von Geschäftsräumlichkeiten im mittelhohen Preissektor verschrieben hat. Entstanden ist das junge Unternehmen durch ein Management Buyout. Ursprünglich und über Jahrzehnte hinweg Papeterie, Versandhandel und Büromöbelfachgeschäft in einem, drängte sich zur Jahrtausendwende eine strukturelle Veränderung auf.
Die ersten beiden Sparten liefen unter anderem Namen weiter, während Stieffel und Heeb im Oktober 2002 den Bereich Büro-Architektur und -Einrichtung übernahmen und diesen mit einem Team von zwölf Leuten unter dem bekannten Firmennamen der Eigenständigkeit zuführten. Kein einfaches Unterfangen, erinnert sich Stefan Stieffel, denn Geld von den Banken habe es keines gegeben. Das für die Firmengründung nötige Flüssige stammt aus der eigenen Tasche, von Aktionären und zwei privaten Investoren.
Ein Jahr später blicken Stieffel und Heeb auf einen geglückten Start zurück. Wenngleich die Branche sich einer wenig rosigen Gegenwart gegenüberstehen sehe, so liessen die Umsatzzahlen (5,5 Mio Fr. im Geschäftsjahr 2002/03) doch ein gesundes Mass an Genugtuung aufkommen. «Wenn wir im zweiten Geschäftsjahr ebenfalls ein solches Ergebnis schreiben, können wir zufrieden sein», betont Heeb.
Das Problem, mit dem sich die Büroeinrichter konfrontiert sehen, ist: Private und vor allem Unternehmen sparen, wos nur geht am liebsten bei der Einrichtung der Arbeitsplätze. Neues Büromobiliar läuft auf der Prioritätenliste unter «wünschenswert» und wird vielfach erst dann angeschafft, wenn ein Umzug ansteht. «Darüber hinaus muss alles in einem immer kürzereren Zeitrahmen lieferbar sein; und dies natürlich zu günstigeren Konditionen als bei der Konkurrenz», bemerkt Heeb, die bei den Büromöbeln für die nahe Zukunft sinkende Preise voraussagt. Flexibilität sei in diesen Fällen gefordert, schnelles Reagieren, das indes nicht auf Kosten der Qualität gehen dürfe.
Qualität: Sie siedelt Stefan Stieffel ganz weit oben an, sowohl was die von Rüegg-Naegeli vertriebenen Büroeinrichtungen anbelangt «wir verkaufen keine Wegwerfprodukte» als auch die Ansprüche der Nutzer betrifft. «Wer USM oder Lista ordert, der tut dies ganz bewusst und weiss, dass diese Produkte ihren Preis haben.» Im Ausstellungsraum des Unternehmens, das in seiner Kundenkartei rund 6000 Namen führt, steht denn vom 250-fränkigen Blumentopf über den 3000-fränkigen Schreibtisch bis zur Komplettausstattung für 10000 Fr. so ziemlich alles, was irgendwie in einen Büroraum passt.
Und was passt, das eruieren die Büroeinrichter bei Bedarf gleich vor Ort, denn nebst dem Vertrieb und Verkauf von Büromöbeln (vorab Marken aus der Schweiz und dem nahen Ausland) für Selbstabholer setzt man bei Rüegg-Naegeli nicht erst seit einem Jahr auch auf die Planung und Gestaltung physischer Arbeitsplätze. 14 Tage bis sechs Wochen nimmt der Prozess vom ersten Kundenbesuch über die Beratung hin zur Lieferung in der Regel an Zeit in Anspruch, dann kann das neue Büro eingeweiht werden. Wer dieses explizit im Sinne einer Wohlfühlburg realisiert wissen will, dem bietet Rüegg-Naegeli die Hilfe einer Feng-Shui-Beraterin an.
Schlicht und dezent
Anders als in der Einrichtungsbranche für Privathaushalte wechseln bei den Büroeinrichtungen die Trends nicht im Zweijahrestakt. Und: Modischer Firlefanz gehört nach Ansicht von Heeb nicht zu einem anständigen Arbeitsplatz. «Büroeinrichtungen sollten zeitlos sein, schlicht, in der Farbe dezent», sagt sie, «verspielte und bunte Elemente bringt man mit Bildern ein oder mit einem farbigen Anstrich der Wände.»
Allgemeine Entwicklungen bei der Ausgestaltung von Arbeitsplätzen vorauszusagen sei fast unmöglich, bemerkt des Weiteren Stefan Stieffel, dennoch wagt er sich für einmal auf die Äste hinaus: «Stehpulten räume ich grosse Zukunftschancen ein, und auch Erholungszonen, an denen die Angestellten für einen Moment abschalten und auftanken können, werden immer wichtiger.» Stieffel nennt solche Bereiche «stille Almen» ruhige Ecken, ein bisschen frische Luft und ein Sofa, auf dem die Beine ausgestreckt werden können. So schön kann Arbeiten sein.
Firmen-Profil
Firma: Rüegg-Naegeli AG, Büro-Architektur, -Einrichtung, -Organisation; Beethovenstrasse 49, 8002 Zürich. www.ruegg-naegeli.ch
Gründung: 1899 als Rüegg-Naegeli & Cie., seit 1.Oktober 2002 in der heutigen Form.
Besitzer (Mehrheitsaktionäre): Stefan Stieffel und Priska Heeb.
Umsatz: 5,5 Mio Fr.
Beschäftigte: 12. Tätigkeitsgebiet: Gestaltung und Einrichtung von Büroräumen, Vertrieb von Büromöbeln (z.B. USM, Lista, Vitra, Sitag).