Wenn die Not gross ist und die Kraft der Argumente klein, dann kommt die Keule mit dem nationalen Interesse. Dann geht es gleich um alles oder nichts. Dieses Drehbuch der Eskalation erleben wir aktuell in der Schweizer Stahlbranche. Und dies aus einem einzigen Grund: Die verantwortlichen Chefs, oft mit Millionensalären ausgestattet, haben ihre Hausaufgaben nicht gemacht und es zuvorderst verpasst, die Überkapazitäten in ihren Betrieben rechtzeitig anzupassen.
Nach unten – denn ihre Werke sind schon lange nur mässig ausgelastet. Die Nachfrage bricht ein, weil in neuen Autos heute 40 Prozent weniger Stahl verbaut wird als früher. Zudem flutet China mit Billigstahl die halbe Welt. Doch statt beherzt zu reagieren, wollen die Manager von Swiss Steel (im Besitz von Martin Haefner) und von Stahl Gerlafingen (im Besitz der italienischen Beltrame Group) ihre Versäumnisse überkleistern. Sie erheben ihre Werke nun kurzerhand in den Status der Systemrelevanz – und verlangen deswegen Subventionsmillionen vom Staat.
Die SVP zeigt sich wankelmütig
Unterstützung findet ihr Täuschungsmanöver in der Politik. Dass Industriegewerkschafter im Verbund mit der SP nach der rettenden Hand aus Bern rufen, ist wahrlich nichts Neues. Erstaunlich ist allenfalls die Rolle der SVP, die sich gerne als liberales Gewissen der Schweizer Wirtschaft geriert.
Beim Stahl dagegen ist man eher wankelmütig unterwegs. So versicherte das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung – angesiedelt im Departement von Guy Parmelin – den Eignern von Gerlafingen im Jahr 2020, ihr Ofen sei «ein systemrelevanter Betrieb». Heute sagt Parmelin genau das Gegenteil: Das Werk sei gar «nicht systemrelevant.»
Derweilen tritt Parteikollege Christian Imark an einer Unia-Demonstration auf und ruft nach staatlicher Unterstützung. Der Nationalrat, der eigentlich Fördermittel und Subventionen für «unsympathisch» hält, findet sie im Fall von Gerlafingen plötzlich sympathisch. Was gilt jetzt?
Es braucht keine Subventionen
Jedem liberal denkenden Menschen ist klar: Industriepolitik passt nicht in die Landschaft, schon gar nicht bei Branchen, die in der Schweiz in dieser Grösse schlicht nicht konkurrenzfähig sind. Das wird in den Kantonen Luzern und Solothurn Arbeitsplätze kosten, was zu bedauern und abzufedern ist.
Allerdings werden nach dem Kapazitätsabbau in Europa früher oder später die Stahlpreise wieder anziehen. Dann wird die Produktion von grünem Spezialstahl wieder rentabel zu betreiben sein. Und wenn nicht, wird man diesen halt aus dem Ausland importieren müssen. Für diese Marktprozesse braucht es keine Staatseingriffe und schon gar nicht Subventionen.