Auf die Frage nach dem Beruf hat Stefan Schmid derzeit mindestens drei Antworten parat: Vater, Hausmann, Shopassistant. Der ABB-Manager hat sich vor einem Jahr aus dem Beruf «ausgeklinkt» ? und zwar noch bis Juli 2004. Schmid fühlt sich wohl in seinem Job, will jedoch die «Babyjahre» seiner Tochter nicht verpassen. Während seine Frau weiterhin einem 80-Prozent-Job im Tourismus nachgeht, betreut der frühere Personalmarketing-Verantwortliche die einjährige Leandra.

«Career Break» lautet die offizielle Bezeichnung dafür bei ABB. Lohn erhält der 35-jährige Kadermann während seiner Abwesenheit keinen, doch zahlt ihm das Unternehmen die Sozialversicherungen und eine Woche Weiterbildung pro Jahr. Die Bedingung: Er darf während seines Time-outs nicht für konkurrenzierende Firmen arbeiten und verpflichtet sich nach seiner Rückkehr, noch mindestens zwei Jahre bei ABB zu bleiben.

Damit Schmid, der in Davos wohnt, den Anschluss nicht verliert, steht er über E-Mail und Intranet in Kontakt mit seiner Firma und nimmt an wichtigen Sitzungen und Personalkonferenzen teil. Dafür wird er nach Aufwand im Stundenansatz entlöhnt.

Ein bis zwei Tage pro Woche verbringt Leandra in einer Kinderkrippe ? dann arbeitet der «Papa» in einem Laden für Labeltaschen, trainiert für den Engadiner Marathon und geniesst es, Zeit für Freunde, Ausflüge und Literatur zu haben. Daneben bildet sich Schmid zum Fachlehrer für Wirtschaft weiter und besucht einen Nachdiplomkurs in Eventmanagement. Nur Vater zu sein, sei auf Dauer etwas einseitig und isolierend, räumt er ein.

Doch auch wenn er die intellektuelle Herausforderung, fachliche Auseinandersetzungen und Feedbacks von Kollegen manchmal vermisst, ist er vom riesigen persönlichen Gewinn überzeugt. Während der Auszeit erweitere er seine sozialen Kompetenzen auf eine Weise, die ihm auch nach der Rückkehr in den Beruf nützen würden, so Schmid. «Ich möchte beweisen, dass ein berufliches Time-out funktioniert und als ein Modell für die Laufbahnplanung dienen kann.»

*«Auszeit war etwas vom Besten»*

Dass sich ein Time-out problemlos in die Karriere einfügen kann, hat Anke Siehr vorgemacht. Die 33-Jährige kehrte ihrem Job in der Abteilung Corporate Communications (CC) bei Roche im September 2001 den Rücken. Zusammen mit ihrem Freund verwirklichte sie ihren Jugendtraum und packte die Koffer für eine Weltreise. Der Entscheid für ein halbes Jahr unbezahlten Urlaubs war ihr nicht leicht gefallen: Die Arbeit machte ihr Spass, zudem war sie gerade erst befördert worden.

Doch sie ahnte, dass es den «idealen» Zeitpunkt nie geben würde. Eineinhalb Jahre vor ihrer Reise nahm sie das entscheidende Gespräch mit ihrem Chef auf ? und freute sich über dessen Zusicherung, man werde versuchen, sie nach ihrer Rückkehr wieder bei CC unterzubringen.

Siehr brach nach Kanada auf, dann gings weiter über Mexiko nach Südostasien und Australien. Einen Monat vor dem Rückflug kontaktierte sie ihren Arbeitgeber. Mit klopfendem Herzen sass die Weltenbummlerin in einer Bambushütte auf Bali und wählte die Telefonnummer ihres Vorgesetzten. Die gute Nachricht: Im CC-Team war

eine Stelle frei, Siehr konnte wieder einsteigen. Die sechsmonatige Auszeit betrachtet sie heute als «etwas vom Besten», das sie in ihrem Leben gemacht hat.

Auch die 38-jährige Ökonomin und selbstständige Unternehmerin Yonca Even Guggenbühl steckt mitten in einem beruflichen Time-out. Nach gut 13 Jahren Berufsleben, unter anderem als eine der ersten Unternehmensberaterinnen bei McKinsey, ist sie heute in erster Linie Mutter eines zehn Monate alten Sohnes, daneben absolviert sie eine Ausbildung zur Fotografin. In ein oder zwei Jahren, wenn ihr Sohn grösser ist, möchte sie das unterbrochene Studium an der Kunstgewerbeschule wieder aufnehmen.

«Unsere durchorganisierte Welt lähmt insbesondere Menschen mit einem kreativ-chaotischen Arbeitsstil», sagt die Arbeitspsychologin Karin Ammann, die über 200 Frauen und Männer nach der Motivation ihres Time-outs befragt hat (siehe Nachgefragt).

Even Guggenbühl zum Beispiel stieg nach ihrem Wirtschaftsstudium direkt bei McKinsey ein. Nach drei Jahren bot man der gebürtigen Türkin an, eine Filiale in Istanbul hochzuziehen. Fortan pendelte sie zwischen Zürich und der Stadt am Bosporus.

Als das Geschäft in Istanbul erfolgreich lief, machte sie sich selbstständig und gründete eine Firma, die Medikamente auf dem Postweg vertreibt. Auch hier vollstes Engagement, ein Arbeitsleben auf der Überholspur. «Ich habe immer sehr zielgerichtet gelebt und mich auf einzige Sache konzentriert», sagt Even Guggenbühl. Umso mehr geniesse sie es heute, ihre künstlerische Seite zu entdecken und offen für Neues zu sein.

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