Wer studiert hat, weiss, dass bisweilen der eine oder andere Professor für ein Semester fehlte. Er nahm ein Sabbatical. Anders in der Wirtschaft. «Längere Urlaube spielten da bislang eine untergeordnete Rolle. Lediglich Führungskräfte, die man gerne als Exoten bezeichnet, beanspruchen Auszeiten», stellt Personalberater Rolf Th. Stiefel aus St. Gallen klar.

Warum aber konnte sich diese Einrichtung in der Wirtschaft nicht durchsetzen? «Zum einen werden viele Leute bei diesem Punkt unruhig. Sie fragen sich, was in der Zwischenzeit in der Firma passieren wird. Zum andern forcieren die Betriebe diese Möglichkeit nicht besonders. Denn viele Faktoren hinter einem Sabbatical sind nicht einschätzbar, und er, verursacht ausserdem administrative Probleme», sagt Stiefel.

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Trotzdem: Sabbaticals werden eingezogen. Übersichtliche Zahlen existieren aber nicht. Und Manager outen sich laut Stiefel diesbezüglich auch nicht gerne: «Man weicht aus, weil man befürchtet, als Schwächling abgestempelt zu werden, der den Anforderungen nicht gewachsen sei.» So kämen auch nur mutige, konsolidierte Führungskräfte auf die Idee, dem Vorgesetzten eine Auszeit vorzuschlagen. «Die Unternehmen ihrerseits schreiben diese Einrichtung zwar gerne auf ihre Fahnen», so Stiefel weiter, «aber wie ernst es ihnen dabei ist, steht auf einem anderen Blatt.»

Bei der UBS Pflicht

Ernst scheint es der UBS zu sein. Seit 1999 sind Sabbaticals für höhere Kader Pflicht. «Wenn die Führungskraft zehn Jahre im Unternehmen ist, muss sie eine Arbeitspause von 40 Tagen beziehen», sagt Mediensprecherin Rebeca Garcia. Nach dem 20-Jahr-Dienstjubiläum ist das zweite Sabbatical fällig. Als Gründe für die Auszeit nennt Garcia die Möglichkeit zur Regeneration und persönlichen Entwicklung. Der Manager kehre frisch und motiviert an seinen Arbeitsplatz zurück. Jährlich zwischen 250 und 300 Führungskräfte der UBS würden in der Schweiz ein Sabbatical beziehen. «Durch das Obligatorium kommen die höheren Kader beim Bezug einer Arbeitspause auch nicht in Konflikt mit ihrem Gewissen», konstatiert Garcia.

Die CS dagegen, die keine Sabbaticalpflicht für Führungskräfte kennt, kann keine Zahlen nennen. Die Nachfrage steige aber nicht, im Gegensatz zum Wunsch nach Teilzeitarbeit, sagt CS-Mediensprecher Georg Söntgerath. Die Firma selber sehe in einer längeren Auszeit ein Mittel zur Horizonterweiterung oder zur Verbesserung von Sprachkenntnissen und der Motivation. «Erforderlich für ein Sabbatical ist jedoch der Einklang mit dem Arbeitsplatz und den betrieblichen Möglichkeiten.»

Dem Burn-out vorbeugen?

Klar geregelt sind Langzeiturlaube bei der Migros. Als Abgleich für die grosse zeitliche Beanspruchung gewährt der Grosshändler dem oberen Kader pro Jahr fünf zusätzliche Ferientage, so genannten «individuellen bezahlten Urlaub» (IBU). Diesen kann man bis 40 Tage ansparen. Trotzdem beansprucht laut Fredi Beutler, Personalchef des Migros-Genossenschaftsbunds, jährlich höchstens eine Person eine solche zweimonatige Auszeit. «Der Nutzen wird vom Individuum zu wenig erkannt, aber auch von der Führung her wenig propagiert», sagt Beutler, der selber ein Sabbatical machte. Der Grund könne im Leistungsdenken liegen: «Bei uns heisst es .» Das Motto müsse aber eher «Time-out before Burn-out» lauten. Entsprechend empfiehlt Personalberater Stiefel ausgebrannten Führungskräften kein Sabbatical: «Ein solches ist eher dann angezeigt, wenn man ein Karriereziel erreicht hat und sich überlegen will, was man noch angehen möchte.»

Zwar führt die Post über alles Mögliche Statistik, nicht aber über Sabbaticals. Die Post verfüge, so Mediensprecher Oliver Flüeler, über verschiedene Formen von Langzeiturlauben, von Zeitsparkonti bis zu zweijährigen Vaterschaftsurlauben.

Es sei bei dieser Handhabung aber schwierig zu orten, was nun als Sabbatical durchgehen könne. So viel aber: Rund 430 Zeitsparkonti, die in ein Sabbatical münden können, sind laut Flüeler registriert. Und immerhin, Langzeiturlaube sind seit 2002 im Gesamtarbeitsvertrag definiert.

Rolf Th. Stiefel anerkennt wohl solche ermunternden Ansätze, aber an seinen Managerseminaren erfährt er auch von Ängsten. Etwa der, dass man beim Einfordern eines Sabbaticals entsorgt werden könnte. Stiefel glaubt, dass Sabbaticals auch künftig auf eine kleine Gruppe beschränkt bleiben werden, weil sie sehr von der einzelnen Persönlichkeit abhängen würden. «Dennoch», sagt er, «wäre es manchen Managern zu empfehlen, in einer Auszeit nachzudenken, statt einem MBA nachzurennen.»

Buchtipp: Karin Ammann, «Time-out, Ausstieg auf Zeit. So klappts mit Job, Geld, Wohnung», Beobachter Buchverlag, Zürich 2005.

Sabbatical in der Praxis

Die Kollegen müssen es mittragen@_Kastentext o.Einzug:Marianne Probst (50) hat auf ihrem Weg zur Personalchefin von Swiss Post International bereits zwei Sabbaticals genommen. 1997 wollte sie einfach mal reisen: «Punkto Personal gab es zu dieser Zeit keine Engpässe, darum wurden Auszeiten grosszügig beurteilt.» Die ehemalige Sekretärin bereiste während fünfeinhalb Monaten Asien und Australien. Sechs Jahre später habe sie in der Türkei fünf Monate in einem Hotel gearbeitet. Wieder begünstigten äussere Umstände den Entscheid: Die Trennung vom Lebenspartner, die fordernde Arbeit als Personalchefin. «In der Türkei machte ich die wichtige Erfahrung, dass ich auch zu anderen Arbeiten imstande bin. Ich wohnte zudem in einer Wohngemeinschaft. So habe ich manches an mir erprobt», sagt die entschlossene Frau.

Was sich so locker anhört, bedingte aber eine lange Vorbereitung. Die direkten Angestellten und die Geschäftsleitungskollegen mussten zuerst das Vorhaben mittragen. Dazu führte sie viele Gespräche. Auch während ihrer Abwesenheit blieb Probst in Kontakt mit ihrer Abteilung. Trotzdem habe sie gut «abstellen» können. Sie sei womöglich die einzige Person bei der Post, die zwei Sabbaticals gemacht habe, sagt Marianne Probst. Und sie werde vielleicht mit 60 vor dem letzten Rest bis zur Pensionierung ein drittens einschalten.