Bei der Schweizer Sägerei-Industrie ist Feuer im Dach. Auslöser ist ein Beschluss des Bündner Regierungsrates, dem von den Brüdern Franz und Leopold Stallinger geführten österreichischen Familienunternehmen Holzindustrie Stallinger GmbH ein ausserordentlich generöses Begrüssungspaket zukommen zu lassen, damit Stallinger im Gegenzug in Untervaz das grösste Sägewerk der Schweiz aufbaut.
Die Bündner Regierung unterstützt das Unternehmen mit 8 Mio Fr. à fonds perdu, 10 Mio Fr. zinsgünstigem Darlehen, das mit Rundholzkäufen abgetragen wird, zehn Jahren Steuerbefreiung, 25 ha Land nahezu gratis, Mithilfe bei der Rohmaterialbeschaffung, Genehmigung eines Schichtbetriebes und dergleichen mehr. Das ist staatliche Unterstützung, von der etablierte Sägereien nur träumen können.
*Investitionsstopp festgestellt*
Kein Wunder, reagieren diese sauer: «Das widerspricht jeglicher liberaler Vernunft», klagt Katharina Lehmann, Besitzerin und Geschäftsführerin der Holzwerk Lehmann AG in Gossau SG - mit 130 Beschäftigten einer der führenden Betriebe der Nordostschweiz. Da würden mit öffentlichen Geldern ungleich lange Spiesse geschaffen. «Darf es sein, dass ein Kanton - immerhin ein Nehmer im Finanzausgleich - mit öffentlichen Geldern eine Marktbereinigung finanziert?», fragt sich auch Ernest Schilliger, Chef der grössten Schweizer Sägerei in Küssnacht am Rigi. Schilliger hat bei Kollegen bereits einen Investitionsstopp festgestellt, «weil diese Bündner Förderung dermassen wettbewerbsverzerrend ist, dass sich Investitionen aus eigener Kraft kaum mehr lohnen.»
Alles Angstmacherei, um den heimischen Markt vor Eindringlingen abzuschotten? «Nein», sagt Hansruedi Streiff, Direktor von Holzindustrie Schweiz, dem Dachverband der Schweizer Sägewerke: «Jeder Schweizer Säger, der in den letzten Jahren investiert hat, tat dies ohne öffentliche Zuwendungen. Wenn nun aus dem Nichts für eine Neuinvestition öffentliche Gelder fliessen und Rahmenbedingungen verbessert werden, wirkt sich das sehr negativ auf die Schweizer Anbieter aus: Ausbauvorhaben werden zurückgestellt, gute Betriebe werden mit staatlichem Segen aus dem Markt geworfen.»
Dass der Kanton mit dem Förderungspaket in einen Strukturbereinigungsprozess eingreife, lässt Eugen Arpagaus, Chef des Amtes für Wirtschaft und Tourismus des Kantons Graubündens, nicht gelten: «Wir subventionieren ja nicht, sondern geben nur eine Anschubhilfe. Bisher hatten viele Gemeinden eine eigene Sägerei, die mehr schlecht als recht über die Runden kam und subventioniert werden musste. Wir können doch nicht warten, bis alle dicht machen.»
*«Eine der letzten Chancen»
Arpagaus ist davon überzeugt, dass die Schweiz im Bereich Holz exportfähig werden müsse. Mit Stallinger sei das möglich, denn hier zu Lande habe kein Sägereibetrieb eine solche Erfahrung, geschweige denn das Kapital dazu. Tatsächlich: Stallinger aus Frankenmarkt im Salzkammergut ist vertikal integriert und liefert weltweit. Die Einschnittkapazität der Gruppe beträgt 750000 Festmeter, mehr als dreimal so viel wie beim Schweizer Platzhirsch Schilliger.
Die Chancen sind auch dem Dachverband der Schweizer Sägewerke bewusst. Es gehe deshalb nicht um Totalopposition, betont Streiff: «Das grosse Bündner Rohstoffpotenzial soll durchaus in einem höheren Ausmass im Kanton verarbeitet werden, aber die anvisierten 800000 m3 schiessen weit über das Ziel hinaus.» Die Verarbeitung von so viel Holz an einem Ort sei in der dicht besiedelten Schweiz mit vielen kleinen Waldbesitzern schlicht nicht möglich.
Streiff fordert den Beizug unabhängiger Sägewerksspezialisten, die die Wirkungen der Gross-Sägerei realistisch einschätzen können. Wirtschaftsförderer Arpagaus kontert: «Wir wollen dafür sorgen, dass die Gemeinden mit Holz wieder Geld verdienen können. Dies ist eine der letzten Chancen, aus dem Markt noch etwas zu machen, bevor rings um die Schweiz Gross-Sägereien entstehen.»
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Sägereien: Der hölzerne Bündner Sündenfall
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Von Werner Rüedi
am 29.03.2005 - 19:35 Uhr
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