Sie legen sich ein dickes Fell zu, senken ihre Temperatur und stellen den Speiseplan um: Tiere haben gelernt, sich auf die Jahreszeiten einzustellen. Und was macht der Mensch? Er wechselt höchstens die Joghurtsorte. Das kann es nicht gewesen sein.
Die Idee, Nahrungsmittel und andere Konsumgüter im Laufe eines Jahres immer wieder zu verändern, ist an sich nicht neu. Die «traditionellen Seasonals» sind Wintermäntel und Bikinis. An Weihnachten gibt es Weihnachtsbier, an Ostern Schokoladehasen. Doch das Potenzial ist weitaus grösser. Es geht beispielsweise darum, ein bestehendes Produkt während des Sommers mit einem glaubwürdigen «Sommer-»Argument anzureichern und im Winter mit «Winter-»Eigenschaften zu versehen, die den Kaufreiz erhöhen. Die Erfahrung zeigt, dass so auch in gesättigten Märkten Mehrumsatz winkt.
Ein bekanntes Beispiel für solche «New Seasonals» in der Schweiz sind die Hirz-Joghurts. Nestlé hat damit im Schweizer Markt den ersten Schritt bei Saisonspezialitäten gewagt und kommt neu auch mit einem Produkt, das der Jahreszeit gemäss mit Beta-Karotin angereichert wurde, um die Haut auf den Sommer vorzubereiten.
Während der kalten Tage locken Mandel-Schokolade-Mischungen zum Kauf, im Sommer erfrischende, ungewöhnliche Fruchtsorten. Die Seasonals sind jeweils in den Top Ten der Umsatzbringer innerhalb der 22 Produkte zählenden Hirz-Joghurts. Der Markt ist in den letzten zwei Jahren um 21% gewachsen und lag für den Winter 2003/2004 bei schätzungsweise über 10 Mio Fr. Netter Nebeneffekt für Hirz: Die Marke wird als innovativ empfunden, neue Sorten lassen sich so gut testen und allenfalls ins Ganzjahressortiment übernehmen. Nestlé plant zudem die Ausweitung der «New Seasonals» auf andere Produktegruppen.
Gemäss einer in Kürze erscheinenden Studie des Marketing-Beratungsunternehmens htp St.Gallen konnte Pfanner, der österreichische Anbieter von «Winter Tea», den Ertrag durch einen Relaunch 2003 fast verdoppeln. Und das norwegische Weihnachtsbier «Jule¿l», das es nur im November und Dezember gibt, konnte 2,4% des Biermarktes erobern. Auf die Schweiz bezogen ergäbe sich für Weihnachtsbier ein Potenzial von rund 100 000 Hektolitern mehr als 2% der jährlichen Schweizer Bierproduktion. Stephan Feige, Geschäftsführer und Partner von htp St.Gallen: «Bei den New Seasonals ist das Flop-Risiko relativ gering, zumal sie auf dem Kundenbedürfnis nach Abwechslung und Neuigkeiten aufbauen.» Die Konsumenten bekommen so Kaufoptionen, ohne die Marke wechseln zu müssen. Weitere Vorteile: Die differenzierte Kundenansprache und die oft grosse Nachfrage des Handels, was die Platzierung im Regal sichert. Wenn es im Gestell zu eng wird, entfernt man einfach die Ladenhüter.
Wichtige Fragen
Die Palette an Seasonals lässt sich weiter verlängern. Mineralwasser lässt sich winters mit Vitamin C anreichern, im Sommer mit Magnesium der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Wichtig dabei: Die Produkte dürfen nur zeitlich begrenzt angeboten werden, müssen sich an neuen Zeitfenstern orientieren und eine grosse Nähe zum Kernprodukt aufweisen. Vorab sind einige Fragen zu klären, so zum Beispiel:
- Passt die Lancierung von New Seasonals zur Markenstrategie?
- Welche glaubwürdigen, kulturell verankerten Saisonaspekte können genutzt werden?
- Kann ein Saisonaspekt allenfalls «importiert» oder kommunikativ aufgebaut werden?
- Wie kann Glaubwürdigkeit durch die Verarbeitung saisonaler Rohstoffe geschaffen werden?
- Wie gelingt eine Ganzjahresabdeckung im Handel?
- Sind die nötigen Kompetenzen zur Lancierung vorhanden (etwa Verarbeitung bestimmter Rohstoffe, regelmässige Innovation)?
Einen besonderen Ansatz und das seit vielen Jahren praktiziert Ferrero mit seinen «Ferrero-Küsschen»: Das Angebot wird an den heissen Tagen «wegen der Frische» künstlich verknappt, das Produkt aus den Regalen entfernt. Dabei gibt es dafür produktionstechnisch keine hinreichende Begründung. Diesen marketingtechnischen Kunstgriff kann sich ausser Ferrero allerdings kaum jemand leisten...
Die Studie kann bei der htp St.Gallen, Tel. 071 225 40 70, info@htp-sg.ch, gegen Schutzgebühr bezogen werden.