Das Kirchberg-Plateau ist ein angesehenes Viertel im Nordosten der Stadt Luxemburg. Der Europäische Gerichtshof und die Philharmonie des Grossherzogtums sind hier angesiedelt, dazu Geldhäuser mit repräsentativen Filialen. 2011 sollte ein weiteres Schmuckstück hinzukommen – mit «klaren städtebaulichen Kanten, versetzten Gärten und Terrassen und einem Glashimmel, der die diagonal verlaufende Terrasse im fünften Stock überspannt», so der Plan. Mit insgesamt 600 Mitarbeitern wollte die Privatbank Sal. Oppenheim hier ihr Hauptquartier einrichten.
Doch ob es jemals so weit kommt, ist ungewiss. Derzeit, so heisst es bei der Bank, ruhten die Bauaktivitäten erst einmal. Stattdessen verhandelt die Deutsche Bank, nachdem sie die Bücher des 220 Jahre alten Traditionshauses durchgepflügt hat, mit den Eigentümern von Sal. Oppenheim über die Übernahme. Mitte Oktober soll das Ergebnis feststehen. Die Bewertung sei «zäh gelaufen», sagt ein Unternehmenskenner.
Das ist kein Wunder, denn je länger Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann Deutschlands grösste, schwer angeschlagene Privatbank prüfen lässt, desto klarer kristallisieren sich die Knackpunkte heraus: die drohende Kündigung wichtiger Mitarbeiter und damit die Abwanderung langjähriger betuchter Kunden, dazu schlummernde Risiken in der Bilanz sowie Auseinandersetzungen mit den Gesellschaftern des Geldhauses.
Besitzer in Schieflage. Ein Indiz für die Probleme gibt der Geschäftsbericht für das Jahr 2008. Wer ihn genau liest,
den beschleicht der Verdacht, dass nicht nur Sal. Oppenheim, sondern auch so mancher Eigentümer der Bank in finanzielle Schieflage geraten sein könnte. So hat Sal. Oppenheim gegenüber «nahe stehenden Personen», wie es heisst, Forderungen in Höhe von rund 800 Millionen Euro offen, davon allein 207 Millionen Euro gegenüber den persönlich haftenden Gesellschaftern.
Diese hatten zuletzt auch noch Hunderte Millionen an Krediten aufgenommen, davon einen Teil bei Sal. Oppenheim selbst, um die Übernahme von Vermögenswerten der Bank zu finanzieren, die in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert wurden. Dazu gehören die Beteiligung am insolventen Handelskonzern Arcandor, Anteile an der Immobilienfirma IVG und die Tochtergesellschaft Sal. Oppenheim Private Equity Partners (Sopep).
«Manche Gesellschafter stehen nun mit dem Rücken zur Wand und brauchen jeden Euro», sagt ein Insider. Sprich: Von den Eigentümern kann Sal. Oppenheim wohl nicht mehr viel erwarten. Deren grösste Hoffnung ist deshalb die Deutsche Bank. Nun, da Arcandor pleite ist und IVG in Finanzkreisen als unveräusserlich gilt, hoffen die Gesellschafter, dass Deutschlands Branchenprimus im Rahmen eines Einstiegs bei Sal. Oppenheim auch die Sopep übernimmt.
Für den Fall, dass das nicht gelingt, wird derzeit auch ein separater Verkauf geprüft, um den Schuldenberg der Gesellschafter zu reduzieren. Die Sopep verwaltet nach eigenen Angaben ein Vermögen von rund fünf Milliarden Euro und ist erst Anfang 2009 aus einem Zusammenschluss der Private-Equity-Aktivitäten Sal. Oppenheims mit dem Dachfonds CAM Private Equity und der VCM Capital Management geboren worden.
Ob die Deutsche Bank die Sopep ebenfalls übernimmt, steht noch in den Sternen. Viel Zeit verlieren will das Institut aber nicht mehr. Sei es bei der Bekanntgabe der Einstiegsabsichten Anfang August zunächst eher um eine Minderheitsbeteiligung gegangen, werde nun eine sofortige Übernahme der Mehrheit an dem Traditionsinstitut immer wahrscheinlicher, heisst es in Verhandlungskreisen. Dass der Einstieg kommt, gilt als nahezu sicher.
Mit der Übernahme Sal. Oppenheims, am früheren Sitz in Köln eine Institution, würde die Deutsche Bank die Summe des von ihr verwalteten Vermögens etwa verdoppeln und damit die eigene schwache Position in diesem Geschäft deutlich verbessern. Denn seit Jahren liegt das Private Banking der Deutschen Bank hinter den Vorgaben zurück. Bei einer Übernahme gilt der bislang wenig erfolgreiche Spartenchef Pierre de Weck als erster Anwärter auf den Verwaltungsratsvorsitz bei der Schweizer Sal.-Oppenheim-Tochter (siehe rechts). Da spielt der Schweizer Heimvorteil.
Doch damit die neue Kombination ein Erfolg wird, dürfen nicht zu viele Kunden und Berater Sal. Oppenheim beziehungsweise die Deutsche Bank verlassen. Mehrere Banker, so heisst es in Finanzkreisen, sähen sich bereits nach neuen Arbeitgebern um. Dass Kunden ihr Vermögen zu anderen Instituten umschichteten, sei bisher zwar noch nicht in grossem Stil zu beobachten, berichten mehrere Privatbankmanager. Viele hätten ihr Geld nämlich in langfristigen Anlagen stecken.
Ungewisse Zukunft. Dass viele Sal.-Oppenheim-Kunden nach der Übernahme durch die Deutsche Bank abwandern werden, ist für Experten jedoch ausgemacht: «Wer Kunde einer Privatbank ist, will nicht zu einem Konzern.»
Ein weiterer Knackpunkt ist das im vergangenen Jahr hochdefizitäre Derivategeschäft. Für 2008 stehen derartige Geschäfte mit über 250 Milliarden Euro in der Bilanz. Wie gut die Absicherung dieses Postens ist, lässt sich laut Finanzkreisen von aussen kaum beurteilen. Dennoch gehen ranghohe Bankmanager davon aus, dass die Deutsche Bank das Portfolio übernehmen wird, weil es sich kaum aus der Bank herauslösen lässt.
Was von der ruhmreichen Marke Sal. Oppenheim übrig bleiben wird, ist offen. Eigentlich will der potenzielle neue Eigentümer Deutsche Bank nur die Vermögensverwaltung haben. Allerdings seien die Sal.-Oppenheim-Geschäftsfelder teilweise nur schwer zu entflechten. Eine Übernahme aller Aktivitäten sei auch möglich, heisst es in Deutsche-Bank-Kreisen. An Teilen des Investment Banking soll die italienische Mediobanca interessiert gewesen sein, doch sie hat inzwischen ihren Verzicht bekanntgegeben – die Kosten waren zu hoch. Jetzt soll noch die australische Bank Macquarie am Investment Banking Interesse haben.
«Es kann für die Gesellschafter nur noch darum gehen, die Marke Sal. Oppenheim zu erhalten und sich als Kompetenzzentrum innerhalb der Deutschen Bank zu profilieren», glaubt ein Frankfurter Top-Banker.
Ein bescheidenes Ziel. Der Niedergang der Bank sei eine Folge von «Hybris und Unfähigkeit des Top-Managements in den vergangenen zehn Jahren», so ein ehemaliger Sal.-Oppenheim-Manager, «angetrieben vom viel zu euphorischen Bankchef Matthias Graf von Krockow». Diesem habe nicht nur jedes Gespür für Risiken gefehlt, sondern auch ein wirksames Korrektiv.
Beispiel Beschlüsse: Da Entscheidungen im Kreis der persönlich haftenden Gesellschafter einstimmig getroffen werden müssen, seien die Pläne des einen oft unter der Bedingung durchgekommen, dass auch die Ideen des anderen abgenickt wurden. Über das muntere Treiben wachte seit 2005 Georg Baron von Ullmann als Aufsichtsratsvorsitzender. Dieser aber, so ein intimer Kenner des Hauses, habe sich mehr für den Galoppsport als für das Bankgeschäft interessiert.
So kam es, dass Sal. Oppenheim Poloturniere und Galopprennen sponserte, auf denen schon mal bunt kostümierte Maharadschas als Ehrengäste auftraten. Pferdefan von Ullmann brachte unter seinem Namen eine Zigarrenkollektion auf den Markt, für die er ganz unbescheiden wirbt: «Das Beste vom Besten – mit den Besten.»
Doch der schöne Schein konnte die Schwächen im operativen Geschäft am Ende nicht überdecken.
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