Seit die Familienstiftung Sandoz 1996 das in Fleurier beheimatete Uhrenatelier von Michel Parmigiani zwecks internationaler Lancierung der Marke Parmigiani Fleurier übernommen hat, wurde das firmeneigene Kompetenzzentrum stetig ausgebaut.
Weshalb gerade Pamigiani in Fleurier? Die Unterstützung kann sich der bescheidene Meisteruhrmacher Michel Parmigiani mit Fug und Recht auf seine eigene Kappe schreiben. Denn mit seinem Uhrmachertalent wagte er schon früh den Schritt in die eigene Selbstständigkeit und verdiente das Brot für seine junge Familie mit der Restauration komplizierter Uhren; unter anderem auch für die bedeutende Basler Sandoz-Sammlung.
Dadurch kam Parmigiani mit der Familie Landolt in Kontakt. Über die Jahre hat sich mit Pierre Landolt, dem Präsidenten der Sandoz-Familienstiftung, eine Freundschaft entwickelt. «Ich habe grossen Respekt vor Michel Parmigianis Talent und Können. Seine Uhren sind von einer dauerhaften Schönheit, weshalb sie genau unserer Vorstellung von Exklusivität und Tradition entsprechen», sagt Pierre Landolt dazu.
Keine weiteren Absichten, anderweitig einzusteigen
Dass es in der Uhrenbranche das vorläufig einzige Stiftungs-Engagement bleibt, zeigt der kontinuierliche Ausbau von Parmigiani. «Die Entwicklung der Parmigiani-Gruppe erfordert all unsere Energie, denn wir verfolgen unsere Anlagen auf strategischer Ebene aufmerksam, geben jedoch auf operativer Ebene dem Management ein Maximum an Freiheiten. Die Sandoz-Familienstiftung ist ein aktiver und langfristig ausgerichteter Investor; wir haben nicht die Absicht, uns bei anderen Uhrenmarken zu engagieren», hält Landolt fest.
In den vergangenen fünf Jahren konnten Schritt für Schritt wichtige Produktionszentren übernommen und als Pool der ebenfalls erworbenen Vaucher Manufaktur in Fleurier (Werkherstellerin) angegliedert werden: Atokalpa in Alle JU (Mikromechanik, mechanische Werkkomponenten), Bruno Affolter in La Chaux-de-Fonds (Gehäuseentwickler und -hersteller) und Elwin in Moutier (Präzisionsautomaten-Drehteile).
Insgesamt vereint die Parmigiani-Vaucher-Gruppe nun rund 250 Beschäftigte. Die vier erwähnten Spezialunternehmen sind weiterhin für Drittfirmen aus der Haute Horlogerie tätig, so gut wie Parmigiani selbst für Werkkomponenten auch weiterhin mit Nivarox in Le Locle zusammenarbeitet.
Herzstück des Uhrwerks jetzt neu in Eigenfertigung
In das Parmigiani-Engagement investierte die Sandoz-Stiftung bisher 100 Mio Fr., das Projekt Oscillateur AK 215 (AK für Atokalpa) inklusive. Ganze fünf Jahre arbeitete ein rund 20-köpfiges Team unter der Leitung von Sébastien Jeanneret an der Entwicklung einer eigenen Schweizer Ankerhemmung. Im vergangenen Sommer war es so weit: Das Herzstück des Uhrwerks Hemmung und Gangregler kann ab sofort in Eigenregie gefertigt werden.
Die Hemmung als wichtigster Bestandteil für das Funktionieren einer Uhr ist eine Ankerhemmung mit geteiltem Antrieb, welche für mehrere Typen von Uhrwerken verwendet wird. Da in der klassischen Schweizer Ankerhemmung sehr viel Energie verloren geht, optimierten die Spezialisten deren Leistungsfähigkeit durch Anordnung von zwei verschiedenen Hebungen des Ankers, die es ermöglichen, die am Eingang und Ausgang übertragene Energie einander anzugleichen.
Um Verwechslungen bei der Produktion zu vermeiden, ist die Eingangspalette breiter und rot eingefärbt, wogegen die Ausgangspalette weiss ist. Anker und Ankerrad (Hemmungsrad) sind aus derselben Speziallegierung gefertigt.
Aus 1 Kilo Rohmaterial gibt es 100000 Spiralen
Das Spiralfeder-Unruh-System als Gangregler ist bestimmend für die Genauigkeit des Uhrwerks. Im Mittelpunkt von Parmigianis Eigenentwicklung stand die Elastizität der Spirale, die André Droz bei der Atokalpa zwar nicht neu erfunden, deren Material jedoch wesentlich verbessert hat.
Wie klein und fein dieses Herzteil ist, lässt sich daran ermessen, dass sich aus 1 kg Rohstoff 100000 Spiralen herstellen lassen. Langfristig ist eine Jahreskapazität von 50000 Spiralen geplant, wobei Parmigiani-Vaucher Spiralen für lediglich rund 2000 Werke im Jahr benötigt.
«Die totale Unabhängigkeit in der Entwicklung, der Herstellung aller Komponenten und im Verkauf sichert uns die Qualität, die wir wollen und nicht jene, die wir von Zulieferern erhalten», freut sich Michel Parmigiani. Heute widmen sich ein Dutzend Spezialisten voll und ganz der Herstellung der Spiralfeder, Unruh und Ankerhemmung.
Sandoz-Fondation de Famille
Die Sandoz-Familienstiftung wurde im Jahre 1964 vom Bildhauer und Maler Marcel Edouard Sandoz, Sohn des Gründers der Sandoz AG in Basel (heute Novartis), ins Leben gerufen. Die Stiftung hält 2,9% des Kapitals von Novartis und 3,9% von Syngenta. Die zwei Beteiligungen repräsentieren je nach Börsengang einen Wert von um die 5 Mrd Fr. Ziel der Familienstiftung ist die Förderung des unternehmerischen Engagements mittels langfristig angelegter Beteiligungen an Unternehmen verschiedener Branchen. Der Stiftung geht es dabei vor allem um die Förderung von Entrepreneurship und Innovation sowie um die Pflege schweizerischer Unternehmertradition.
Ihre Investitionen sind auf ein strategisches Ziel ausgerichtet, das die Erhaltung der hohen Qualität und den Schutz grundlegender sozialer Werte zum Inhalt hat.
Die operative Führung der Familienstiftung liegt bei der Geschäftsleitung, die von Pierre Landolt als Vertreter der Familie präsidiert wird. Weiter gehören ihr Olivier Verry und Gabriel Prêtre an. In der Schweiz hat die Stiftung die Uhrenmarke Parmigiani und den Uhrwerkhersteller Vaucher aufgebaut, ist in der 5-Stern-Hotellerie tätig (Riffelalp, Zermatt, Beau Rivage, Lausanne, La Palafitte, Neuenburg) und unterstützt Kunst und Wissenschaft. (SR)