Wir haben das klare Ziel, uns in den nächsten fünf Jahren unter den drei grössten Schweizer Generikaproduzenten zu platzieren», erklärt Sandoz-Schweiz-CEO Reto Brändli. Möglich machen soll es das Label Sandoz. Unter diesem Namen will die Firma mit Sitz in Schönenwerd SO ab sofort das gesamte hiesige Generikageschäft von Novartis abwickeln.

Auf globaler Ebene ist Novartis mit der Übernahme des slowenischen Generikaherstellers Lek schon in den ersten drei Quartalen 2003 hinter der israelischen Teva zum zweitgrössten Produzenten von Nachahmerprodukten aufgerückt, angestrebt wird die Marktleaderschaft. Mit 2,9 Mrd Fr. machte die unter der Dachmarke Sandoz zusammengefasste Generikasparte von Novartis in den ersten drei Quartalen 2003 knapp einen Fünftel des Konzernumsatzes aus. Wachstumspotenzial ortet man vor allem im unterentwickelten Europageschäft, so auch in der Schweiz. Hier betrug der Anteil der Nachahmerprodukte am Pharmamarkt 2002 mit 103 Mio Fr. erst 2,8%.

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Grund dafür ist nach Einschätzung von Andrew Weiss, Pharma-Analyst beim Bankhaus Julius Bär, dass Originalprodukte auch dann via Krankenkasse bezogen werden können, wenn passende Generika verfügbar sind. Entsprechend sei der Ansporn zum Wettbewerb gering. Der fehlende Konkurrenzdruck ermöglicht allerdings lukrative Margen. Während etwa in den USA Generika bis zu 90% billiger sind als die patentgeschützten Originalmedikamente, betragen die Abschläge in der Schweiz oft nur 30%. Dank dieser hohen Preise konnte die Branche ihren Umsatz im ersten Semester 2003 um 37,6% auf 66,2 Mio Fr. steigern.

Richtiggehend explodieren könnte der Generikamarkt allerdings nur als Folge dramatischer Sparübungen im Gesundheitswesen. Zwar machen Pharmazeutika höchstens 15% der gesamten Gesundheitskosten aus. «Doch wenn unsere Kassen ähnlich wie in den USA möglichst nur noch Generika zurückerstatteten, würde die Teuerung im Gesundheitswesen bei den Medikamentenausgaben sicher abgebremst», bestätigt Guisep Demont, Pharma-Analyst bei der Bank Vontobel. Dann hätten die Generika in der Schweiz ähnliche Wachstumsperspektiven wie in den USA, wo schon heute rund die Hälfte aller verkauften Medikamente preisgünstige Nachahmerprodukte sind.

Eine derart einschneidende Kostenbremse steht zurzeit nicht zur Diskussion. Doch immerhin sah die im Dezember vom Parlament abgelehnte Revision des Krankenversicherungsgesetzes Regelungen zur Förderung der Generika vor. Daher kommt es keineswegs überraschend, dass Novartis-Chef Daniel Vasella die Weltmarke Sandoz gerade zum jetzigen Zeitpunkt auferstehen lässt. Demont: «Die Vermarktung der Generika unter einem gut eingeführten Qualitätslabel könnte den drohenden Preiszerfall verlangsamen. Denn der Name Sandoz steht für hochwertige Produkte, für die man in der Schweiz eventuell mehr zu zahlen bereit ist.»

Sandoz geniesst Vertrauen

Dem hält Sandoz-Schweiz-Chef Reto Brändli entgegen, dass Sandoz seine Produkte schon aufgrund der staatlich gelenkten Preisbildung nicht teurer verkaufen könne als die Konkurrenz. Die Marke Sandoz unterstütze jedoch die Vertrauensbildung bei Ärzten und Patienten. Dennoch sehen Marktbeobachter eine Tendenz zur Dreiteilung des Pharmageschäfts: Einerseits teuere Originalpräparate, andererseits billige No-Name-Generika. Und dazwischen der Edel-Nachahmer Sandoz. Patrick Burgermeister, Finanzanalyst bei der Zürcher Kantonalbank, sieht den Aufbau einer globalen Generikamarke jedenfalls als geschickten Schachzug: «Sandoz ist auf dem Weg, sich eine einzigartige Marktposition zu sichern». Auch Bär-Analyst Andrew Weiss hält eine solche Entwicklung für möglich: «In der Schweiz könnte die Rechnung sehr wohl aufgehen. Im amerikanischen Generikamarkt dagegen zählt nicht die Marke, sondern einzig der Preis.»

Doch wenn der Patentschutz wichtiger Biotech-Medikamente ablaufe, könnte sich dies ändern. Weiss: «In der komplexen, auf lebendigen Organismen beruhenden biotechnologischen Produktion ist die Kontrolle der Prozesse äusserst diffizil. Ein grosses Unternehmen mit genügend Ressourcen könnte für die Qualität von Nachahmerprodukten bürgen. Marktführerschaft und kritische Masse würden es Sandoz so ermöglichen, einen noch nicht existierenden Markt für Biotech-Generika zu schaffen.»

Die Gründe fürs Revival reichen allerdings über das strategische Marketing hinaus. So liegen beispielsweise die Preise für Originalpräparate in den USA im Durchschnitt um die Hälfte höher als in der Schweiz. Irgendwann dürfte die Schmerzgrenze überschritten sein, und die verärgerten Bürger könnten eine starke Preisregulierung für Originalpräparate erzwingen. «Falls das Preisniveau auf den globalen Durchschnitt gesenkt würde, brächen der Pharmaindustrie von heute auf morgen Milliardenumsätze weg», meint Andrew Weiss. Es sei deshalb denkbar, dass Novartis die konsumentenfreundlichen Sandoz-Produkte auch als Sicherheitsfallschirm gegen solche Marktrisiken aufbaue.

Ein Trumpf für Vasella

Allerdings setzt diese Strategie langfristige Rentabilität voraus. Und die ist alles andere als gesichert. Beim Novartis-Konkurrenten Roche etwa gilt der Generika-Boom als Strohfeuer: «Das Nachahmer-Geschäft hat zurzeit einen gewissen Reiz, weil so viele Patente ablaufen. Das wird sich aber ändern», sagte Konzernchef Franz Humer kürzlich in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Ein Ende des Booms ist aber frühestens ab 2008 zu erwarten, wie ZKB-Analyst Burgermeister erläutert. Sollte das Geschäft danach abflauen, liesse sich Sandoz immer noch gewinnbringend an der Börse veräussern, so Burgermeister.

Dazu müsste das heterogene Unternehmen aber zuerst zu einer Firma mit kohärenter Strategie zusammengeschweisst werden. Genau daran arbeitet man laut Reto Brändli auf Hochtouren: «Sandoz ist kein Marketing-Mäntelchen, sondern eine eigenständige Unternehmung mit klarer Struktur.» Ein Verkauf just auf dem absehbaren Höhepunkt des Generika-Booms erscheint noch aus einem weiteren Grund probabel: 2009 läuft der Poolvertrag der Roche-Erben aus, der die von Daniel Vasella angestrebte Fusion der beiden Schweizer Chemiegiganten bisher verhindert hat. Eine Börsenveräusserung von Sandoz brächte dem zielstrebigen Novartis-Boss just zur rechten Zeit das nötige Geld für den Erwerb der Aktienmehrheit an Roche.