Die Novartis-Generikadivision Sandoz ist in Italien in einen Hormon-Skandal involviert. 67 Ärzte aus ganz Italien sind wegen Korruption angeklagt. Bei Sandoz sind die Vorfälle bereits seit Juni 2011 bekannt, wie der Basler Pharmakonzern auf Anfrage sagte.
Sandoz-Mitarbeiter involviert
«Handelszeitung Online» stellte zum Hormon-Skandal mehrere Fragen an Sandoz. Die Antworten kamen nur spärlich - und ausschliesslich über die PR-Agentur Farner.
Bei den Pharmavertretern, die in Italien die Ärzte bestochen haben, handelt es sich um Angestellte der Sandoz. Laut Sandoz habe man sofort nach dem Bekanntwerden der Vorfälle den Behörden die volle Kooperation zugesichert.
Weiter heisst es bei Sandoz wörtlich: «Anfang dieses Jahres hat Sandoz, basierend auf eigenen internen Untersuchungen, die angemessenen Disziplinarmassnahmen gegen involvierte Mitarbeitende eingeleitet, die das Gesetz zulässt.»
Wegen des laufenden Verfahrens will sich die Sandoz im Moment nicht weiter äussern. Sollten jedoch neue Ermittlungsergebnisse vorliegen, will der Pharmakonzern weiter mit den italienischen Behörden zusammenarbeiten.
Der Bestechungs-Skandal
In der Hormon-Affäre sollen Ärzte in Italien von Sandoz-Vertretern bestochen worden sein, damit sie mehr Medikamente verschrieben. Zu den betroffenen Patienten sollen vor allem viele Kinder gehören.
Die Ärzte sollen Kindern viel zu hohe Dosen von Wachstumshormonen oder oder Glycoprotein-Hormone (EPO) verschrieben haben. Dies habe die Gesundheitspolizei N.A.S. Carabinieri in Bologna Ende letzter Woche bekannt gegeben, schreibt die Gratiszeitung «20 Minuten» mit Berufung auf den «Corriere della Sera».
Gemäss einer Medienmitteilung der N.A.S hätten zwölf Sandoz-Vertreter ein System aufgebaut, um Ärzte zu «belohnen». Dabei hätten Kinderärzte und Endokrinologen (Fachärzte für Hormon- und Stoffwechselstörungen) nicht nur zu hohe Hormon-Dosen verschrieben, sie hätten auch gezielt neue Patienten gesucht, denen sie die Medikamente verschreiben können.
Sportarzt in Rimini verhaftet
Die 67 angeklagten Ärzte sind in öffentlichen und privaten Kliniken in ganz Italien angestellt. Zu deren Arbeitgeber gehören offenbar auch renommierte Spitäler des Mittelmeerlandes. Die Vorwürfe sind happig: Für jeden zusätzlichen Patienten erhielten die Ärzte u.a. einen «Bonus» von 500 bis 1000 Euro. Mit Hausdurchsuchungen an 77 Orten überprüften die Behörden derzeit, ob die Wachstumshormone oder das EPO den Patienten überhaupt verschrieben werden durften. Klar sei bereits jetzt: Die Dosen, die einige Kinder und Jugendliche erhielten, lagen deutlich über den Empfehlungen.
Alberto Ugazio, Präsident der italienischen Gesellschaft für Kinderheilkunde sagte im «Corriere della Sera», er sei bestürzt über die Vorwürfe. Gleichzeitig kritisiert er grundsätzlich die Behandlung mit Wachstumshormonen, die stark zugenommen habe. «Eigentlich muss nur Kleinwuchs, eine seltene Krankheit, mit Wachstumshormonen behandelt werden», so der Kinderarzt. Dennoch würden die Hormone in grosser Menge eingenommen, weil Amateursportler sie verwenden, um ihre Leistung zu steigern. In Italien dürfen diese Hormone gemäss Ugazio nur auf Rezept verkauft werden.
Eingeleitet wurden die Untersuchungen der Gesundheitspolizei offenbar, nachdem vor mehr als einem Jahr in Rimini ein Sportarzt verhaftet wurde, der diese Hormone Kindern und Jugendlichen verschrieb. Gemäss «La Repubblica» brachten die Eltern ihre Kinder zum Arzt, damit diese hochgesteckte sportliche Leistungen erreichen.
(tke/rcv/awp)