Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Juni gibt Einblick in den grössten Fall von Insiderhandel in der jüngeren Schweizer Wirtschaftsgeschichte. Konkret – so hält das Gericht fest – soll Industriekapitän Hans Ziegler (OC Oerlikon, Swisslog, Schmolz + Bickenbach) über Jahre hinweg Insiderwissen ausgenutzt haben, um an der Börse Frontrunning im grossen Stil zu betreiben. Das Urteil ist anonymisiert, lässt aber den Schluss auf Ziegler zu.
Mit dem Urteil wird klar, wie Ziegler zu seinem Vorteil zocken konnte. So besass der als «Sanierer der Nation» bekannte Berater ab 2014 bis im Frühjahr 2017 einen Beratervertrag als «Senior Advisor» bei einem Zürcher M&A-Beratungshaus. Dieses erstellte immer wieder Bewertungen (Fairness Opinions) für börsenkotierte Unternehmen, die vor Übernahmen standen. Wer davon wusste, konnte sich bei den jeweiligen Titeln in Stellung bringen.
Ziegler als externer Berater hatte gemäss Urteil immer wieder Kontakt zu einem Manager der M&A-Firma, der ihm «aufgrund dieser Position die Informationen gab und dabei darauf hinwies, dass es sich um Insiderinformationen handelt», wie Ziegler ausführte. Die Gerichtsdokumente legen nahe, dass es sich um Insiderinformationen auf Gategroup, Actelion und Syngenta gehandelt haben dürfte.
1,3 Millionen Franken Insider-Gewinn
Anfang April 2016 investierte Ziegler rund 600 000 Franken in Aktien und Derivate auf den Airline-Caterer. Am 11. April dann kündigte die Chinesische HNA offiziell an, Gategroup übernehmen zu wollen. Für Ziegler resultierte ein Gewinn von gut 200 000 Franken. Ab Frühjahr 2016 investierte er auch in Hebelprodukte auf den Allschwiler Pharmakonzern Actelion. «Der nach der Bekanntgabe der Verhandlungen (...) erzielte Buchgewinn betrug 95 546.45 Franken», heisst es im Urteil. Anlass dürfte die Akquisition durch die amerikanische Johnson & Johnson gewesen sein, die Anfang 2017 ein offizielles Übernahmeangebot für Actelion abgab. Bereits im Frühjahr 2016 hatte die Zürcher M&A-Firma ein Mandat auf die «geplante Übernahme», wovon Ziegler gemäss BVG-Urteil Kenntnis gehabt haben musste.
Den grössten Buchgewinn, nämlich knapp eine dreiviertel Millionen Franken, erzielte Ziegler mit Aktien und Derivaten auf eine kotierte Firma, bei der es sich um Syngenta handeln könnte. Die Rede ist von einer Käuferin, die sich in Europa nach möglichen Investments umsah. Bei der im Urteil anonymisierten Gesellschaft dürfte es sich um Chemchina handeln.
Ziegler hatte sich gegen eine Sanktion der Finanzmarktaufsicht (Finma) und insbesondere gegen den Gewinneinzug von 1,4 Millionen Franken vor Bundesverwaltungsgericht gewehrt. Dieses stützte die Finma in praktisch allen Punkten und kürzte lediglich den Gewinneinzug auf 1,27 Millionen. Ziegler kann das Urteil ans Bundesgericht weiterziehen. Er war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.
Update: Folgerecherchen zeigten, dass die in den Gerichtsunterlagen dokumentierten Fälle im Zusammenhang mit Gategroup, Actelion und Micronas standen. Zu Syngenta sind keine Insider-Geschäfte dokumentiert.