Sanitas wird nach der Fusion mit Wincare die drittgrösste Krankenkasse der Schweiz mit 920 000 Versicherten, 2,2 Mrd Fr. Prämienvolumen und 700 Mitarbeitenden. Für die Wincare-Verkäuferin Credit Suisse bedeutet der 289-Mio-Fr.-Deal eine weitere Bereinigung ihrer gescheiterten Allfinanzstrategie, während für Sanitas dank der neuen Grösse Synergieeffekte im Vordergrund stehen.

Trotz Sparpotenzialen steht die Megafusion von Sanitas und Wincare quer zum aktuellen Trend. Zwar hatte die Einführung des neuen Krankenversicherungsgesetzes (KVG) 1996 anfänglich eine Welle von Zusammenschlüssen ausgelöst; die Zahl der Kassen hat sich seither auf 87 halbiert.

*Schwierige Altersstruktur*

Doch die neu entstandenen Grosskassen wie Helsana oder CSS haben eher glücklos operiert. Bei Visana schrumpfte die Mitgliederzahl im Obligatorium innert sieben Jahren sogar um mehr als die Hälfte. «Aufgrund der Altersstruktur ihrer Versicherungsnehmer ist es für grosse Kassen schwierig, attraktiv für Neukunden zu sein», bilanziert Peter Marbet, Sprecher von Santésuisse. Die Grosskassen sind aus diesem Grund dazu übergegangen, Tochtergesellschaften mit für Neukunden attraktiver Prämiengestaltung zu gründen. Beispielsweise verfügt die Helsana-Gruppe mit Progrès, Avanex, Sansan, Aerosana und KluG inzwischen über fünf weitere Kassen. Zur Visana-Gruppe gehören Sana24 und Vivacare, die CSS hat ihr Portfolio mit Arcosana und Auxilia abgerundet.

Typisch für diese Grosskassengruppen ist ein nach aussen unabhängiger Auftritt der jeweiligen Tochterkassen. Genau den umgekehrten Weg hat die Groupe Mutuel eingeschlagen. Hier haben sich 14 Kleinkassen via Kooperation zu einem grossen nationalen Anbieter gemausert. Die einzelnen Groupe-Mutuel-Mitglieder sind dabei weiterhin juristisch unabhängig, haben aber weit reichende finanzielle und strategische Kompetenzen an die Gruppe übertragen und treten auch nach aussen als gemeinsame Marke auf. Dank dieses Konzepts ist die Groupe Mutuel gross genug, um Skaleneffekte zu erzielen, kann aber trotzdem ein auf spezifische Bedürfnisse abgestimmtes Prämienportfolio offerieren.

Für Santésuisse-Sprecher Marbet geht denn der Konsolidierungstrend der Branche zurzeit auch eher weg von den Grossfusionen hin zur Gruppenbildung. Es bleibt somit abzuwarten, ob nicht auch die fusionierte Sanitas schon bald spezialisierte Tochtergesellschaften gründet, um ebenfalls gezielt Kundengruppen mit geringem Krankheitsrisiko ansprechen zu können.

*Nichts Anrüchiges*

Sanitas-CEO Otto Bitterli hält eine solche Risikoselektion für nichts Anrüchiges: «Der Kunde erhält durch den Wettbewerb zwischen den Kassen Alternativen. Das ist positiv. Dabei wird man immer auch die Komponente haben, dass die Kassen versuchen, gewisse Kundensegmente anzuziehen.» Gleichzeitig sei die Grundversicherung weiter für die gesamte Bevölkerung gesetzlich garantiert.

Allerdings werden die «schlechten Risiken» damit bloss zwischen den Kassen hin und her geschoben, wie der Krankenkassenexperte Richard Leu vom Volkswirtschaftlichen Institut der Universität Bern kritisiert: «Ausgabenreduktionen, die durch Risikoselektion erzielt werden, sind volkswirtschaftlich wertlos, da Kostensenkungen bei einer Kasse automatisch zu Kostensteigerungen bei einer anderen Kasse führen.»

Zwar besteht zwischen den Kassen ein Risikoausgleich, um dieses Schwarzpeterspiel zu verhindern, doch für Leu braucht es eine deutliche Verfeinerung des Mechanismus. Bereits hat der Ständerat entsprechende Vorschläge genehmigt.

Sanitas-CEO Bitterli befürchtet allerdings, dass damit bloss eine Verlagerung des Problems erfolgt: «Wenn man beispielsweise Spitaltage als zusätzliches Risikoausgleichskriterium einführt, entsteht für die Kassen der falsche Anreiz, ihre Patienten einen Tag länger als nötig im Spital zu haben.»

Statt solcher punktueller Kosmetik fordern viele Krankenkassen einen grossen Wurf: «Santésuisse steht für die Aufhebung des Vertragszwangs ein», betont Marbet. Dies würde es den Kassen erlauben, die Zusammenarbeit mit zu teuren oder ineffizienten Ärzten und Kliniken zu kündigen. Falls das Parlament im Herbst diesem Argument folgt, wird der marktwirtschaftliche Wettbewerb bald auch bei den Leistungserbringern Einzug halten: Ärzte- und Spitalselektion statt Risikoselektion.

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