Der Sarbanes-Oxley Act (SOA) ist das bedeutendste amerikanische Wertpapiergesetz seit der Gründung der Securities and Exchange Commission (SEC) vor 70 Jahren. Das Gesetz ist als Reaktion auf die bekannten Unternehmensskandale im Juli 2002 verabschiedet worden und betrifft alle Unternehmen, die an einer US-Börse kotiert sind. Es hat zum Ziel, das Vertrauen in «Corporate America» wieder herzustellen, unter anderem mittels sehr strengen Bestimmungen zur Corporate Governance.

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Direkt betroffen vom SOA sind in der Schweiz 14 Grossunternehmen sowie viele hiesige Tochtergesellschaften internationaler Konzerne, die in den USA kotiert sind. Der SOA definiert strenge Auflagen für die Revisionsstellen dieser Gesellschaften und beeinflusst darüber hinaus auch die Diskussion zum Thema Corporate Governance in der Schweiz.

Vorschriften für Revisionsgesellschaften

Revisoren sind insbesondere von folgenden Bestimmungen betroffen:

- Einhaltung der Standards des PCAOB; Qualitätskontrollen und Inspektionen bei der Prüfgesellschaft sowie Disziplinarmassnahmen.

- Einreichung von Arbeitspapieren, auch von ausländischen Prüfgesellschaften, auf deren Berichterstattung im Rahmen der Konzernprüfung abgestellt wird (auf Verlangen des PCAOB).

- Mögliche Sanktionen des PCAOB für den Prüfer (Bussen, Verweise, Verbot der Prüftätigkeit).

- Rotationspflicht alle fünf Jahre für den verantwortlichen Prüfpartner (lead audit partner) sowie den Review Partner.

- Ein Jahr Wartefrist (cooling off period) für Angestellte der Prüfgesellschaft, um gewisse Schlüsselpositionen (CEO, CFO, CAO und andere) beim Prüfkunden anzunehmen.

- Prüfung der vom Management erstellten Berichte über die Wirksamkeit des internen Kontrollsystems.

- Direkte Verantwortung des Prüfungsausschusses (Audit Committee) für die Selektion, Entschädigung und Überwachung des Konzernprüfers.

- Verbot, vom Konzernprüfer gewisse, klar definierte Beratungsdienstleistungen zu beziehen.

- Genehmigung von Nicht-Prüfungs-Dienstleistungen des Konzernprüfers durch das Audit Committee (Pre-Approval-Prozess).

Widerspruch zu Schweizer Gesetzen

Der SOA schafft eine staatliche Revisionsaufsicht, das Public Company Accounting Oversight Board (PCAOB). Gegenstand der Aufsicht sind strenge Anforderungen an die Qualität der Abschlussprüfung sowie die Unabhängigkeit der Revisionsstelle. Jede Revisionsgesellschaft eines Unternehmens, das an einer US-Börse kotiert ist, muss sich bei dem PCAOB registrieren lassen und unterliegt damit dessen Qualitätskontrollen. Das führt zu rechtlichen Problemen für nichtamerikanische Revisionsgesellschaften in ihrem Verhältnis zum PCAOB, die einer schnellen Lösung bedürfen.

Besonders die vorgesehenen Inspektionen des PCAOB bei schweizerischen Prüfungsgesellschaften stehen potenziell mit einer Reihe von Schweizer Gesetzesartikeln im Widerspruch, so unter anderem mit dem Strafgesetzbuch Art. 321 (Verletzung des Berufsgeheimnisses), Art. 162 (Verletzung des Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisses), Art. 273 (Wirtschaftlicher Nachrichtendienst) und Art. 271 (Verbotene Handlungen für einen fremden Staat). Ferner sind das Bundesgesetz über den Datenschutz sowie Art. 47 (Verletzung des Berufsgeheimnisses) des Bundesgesetzes über die Banken und Sparkassen und Art. 43 (Verletzung des Berufsgeheimnisses) des Bundesgesetzes über die Börsen und den Effektenhandel betroffen.

Diese grenzüberschreitende Wirkung des SOA ist auch in anderen Ländern, insbesondere in der EU, auf erhebliche Kritik gestossen. Kern dieser Kritik ist die Tatsache, dass eine solche internationale Wirkung des amerikanischen Rechts faktisch zu einer Doppelaufsicht europäischer Revisionsgesellschaften mit bereits national vorhandenen Aufsichtssystemen führen wird, was als ineffizient und unnötig kostenintensiv angesehen wird.

Das PCAOB hat reagiert und seine Bereitschaft gezeigt, mit ausländischen Aufsichtsbehörden zusammenzuarbeiten und einen kooperativen Prozess zu entwickeln. Dieser vom PCAOB eingeschlagene «Home-Country Approach» hat die gegenseitige Anerkennung nationaler Aufsichtssysteme zum Ziel. In der Schweiz ist ein Expertenteam dabei, im Rahmen des Revisionsgesetzes die Voraussetzungen für eine schweizerische Lösung zu erarbeiten. Eine schweizerische Aufsichtsbehörde könnte jedoch frühestens im Sommer 2005 aktiv werden.

Eine gesetzliche Aufsicht der Wirtschaftsprüfer wird auch vom Berufsstand begrüsst. So sollte sie helfen, die Erwartungslücke (Expectation Gap) zu verringern und die Qualität der Arbeit in der Öffentlichkeit transparenter zu machen, gibt es doch immer wieder Missverständnisse bezüglich den eigentlichen Aufgaben der Revisionsstelle.

Unabhängigkeit

Im Schweizer Aktienrecht ist die Unabhängigkeit der Revisionsstelle in Art. 727c OR verankert. Darüber hinaus hat die Treuhand-Kammer im Jahr 2001 die Richtlinien zur Unabhängigkeit veröffentlicht. Ziel dieser Bestimmungen ist es, sicherzustellen, dass die Revisionsstelle ihr Prüfungsurteil objektiv und unvoreingenommen bilden kann. Demnach muss die Revisionsstelle bei der Ausübung ihrer Tätigkeit jede Bindung und Handlung vermeiden, die ihre berufliche Entscheidungsfreiheit und Unbefangenheit gefährdet oder gefährden könnte, dies unter dem Titel «Independence in Mind and Appearance».

Die gesetzlich verankerten Unabhängigkeitsregeln des SOA basieren auf den gleichen Grundprinzipien und definieren Dienstleistungen, die der Prüfer in seiner Funktion als Revisionsstelle bei seinen Prüfkunden nicht erbringen darf. Mehrheitlich waren diese Dienstleistungen von der SEC schon seit 2001 bei Prüfkunden verboten. Einige davon sind auch nach der Treuhand-KammerRichtlinie 2001 bei Prüfkunden verboten. Die SOA-Vorschriften sind jedoch gesetzlich verankert und gehen in ihrem Detaillierungsgrad viel weiter. Die Steuerberatung des Prüfkunden durch den Prüfer ist weiterhin zulässig. Sämtliche erlaubten Dienstleistungen der Revisionsstelle bei Prüfkunden sind vom Prüfungsausschuss im Rahmen des so genannten Pre-Approval Process im Voraus zu genehmigen. Bei Nicht-Prüfkunden sind die SOA-Vorschriften für Prüfgesellschaften nicht relevant.

Interne Kontrollen

Neu unter SOA ist auch, dass das Management (CEO und CFO) seine Verantwortung für die Finanzberichterstattung durch eine Zertifizierung beglaubigen muss und dies unter Androhung drakonischer Strafen bis zu einer Freiheitsstrafe von 10 bis 20 Jahren und einer Busse von 5 Mio Dollar. Teil dieser Zertifizierung ist auch die Verantwortung für die Qualität der Internen Kontrollen. Deren Wirksamkeit ist durch das Management periodisch zu beurteilen, und die Schlussfolgerungen sind in einem Bericht zu veröffentlichen. Dieser Bericht muss durch den Abschlussprüfer geprüft und attestiert werden. Damit gibt es in Zukunft zwei Prüfberichte über die Jahresrechnung und über die internen Kontrollen des Unternehmens.

Diese Anforderungen haben einen erheblichen Zusatzaufwand sowohl bei den Unternehmen als auch bei deren Prüfern zur Folge. Während in der Vergangenheit die Prüfung der internen Kontrollen im Rahmen eines risikoorientierten Prüfungsansatzes nur insoweit Prüfungsgegenstand war, als dass der Prüfer sich auf diese zu verlassen gedachte, weil substanzielle Prüfungen in diesem Bereich nicht effizient durchgeführt werden konnten, sind neu das gesamte interne Kontrollsystem und die Beurteilung des Managements betreffend des Zustandes dieser Kontrollen vorgeschriebener Prüfungsgegenstand. Das PCAOB ist zurzeit dabei, die anzuwendenden Prüfungsregeln und -standards im Detail zu definieren.

Das Thema interne Kontrollen ist in der Schweiz nicht neu. So definiert das Aktienrecht bereits die Ausgestaltung des Rechnungswesens, der Finanzkontrolle sowie der Finanzplanung, sofern diese für die Führung der Gesellschaft notwendig ist, als unübertragbare Aufgabe des Verwaltungsrates (OR Art. 716a). Ferner beinhaltet die Corporate-Governance-Richtlinie der SWX in Punkt 3.7 Informations- und Kontrollinstrumente gegenüber der Geschäftsleitung. Der «Swiss Code of Best Practice for Corporate Governance» der Economiesuisse befasst sich ebenfalls mit dem Thema interne Kontrollen. Diese Regelungen gehen jedoch viel weniger weit als die oben beschriebenen Vorschriften des SOA.

Eine intensive und regelmässige Kommunikation zwischen allen Beteiligten wird ein kritischer Erfolgsfaktor für die Zukunft sein. Die bestehenden rechtlichen Probleme sind identifiziert, Lösungsvorschläge sind in Bearbeitung und werden hoffentlich rechtzeitig implementiert. Über die allgemeine Diskussion zur Corporate Governance werden die neuen Vorschriften des SOA mittelfristig, möglicherweise in abgeschwächter Form, auch in der Schweiz ihre gesetzliche Verankerung finden, wie sich dies in der EU ebenfalls bereits abzeichnet.

Dr. Michael Abresch, Partner, PricewaterhouseCoopers AG, Basel.