Eigentlich sollte sich Rennstall-Besitzer Peter Sauber keine Sorgen mehr machen. Er sollte nun zwei mächtige russische Staatsfonds und ein riesiges Aviatik-Forschungsinstitut in Moskau im Rücken haben, so hört man, die ihn bald von der Schuldenlast befreien. Denn Boris Chrul, Präsident des mächtigsten dieser Fonds, nennt seine unabänderlichen Werte «Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Verantwortung und Professionalität». Da dürfte nichts mehr schiefgehen. Eigentlich.

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Nun denn, die Sache ist nicht ganz so einfach. Die Kunde vom noblen Retter wurde von Rennsportjournalisten zunächst begeistert aufgenommen. Als Sauber-Pilot soll Sergei Sirotkin bald jüngster Teilnehmer der Formel-1-Rennen werden. Der 17-jährige Moskowiter Nachwuchsfahrer hat seine Schulzeit auf Kartbahnen und sonstigen Rundkursen verbracht, sich fürs Studium an einer Road Technical University eingeschrieben. Ansonsten redet er nicht viel. «Ich bin dann da und sitze im Sauber», verkündete er im «SonntagsBlick».

Andere spekulierten bereits über Investitionssummen. Über 162 Millionen Franken schrieb der «Blick», von 470 Millionen die «SonntagsZeitung».

Sauber hingegen publizierte nur ein dürres Communiqué über eine «Partnerschaft» mit dem staatsnahen Investment Corporation International Fund (ICI), dem staatlichen Entwicklungsfonds für die russische Nordwest-Region (Gosfond) und dem Nationalen Aviatik-Institut NIAT. Anfragen an Organmitglieder der Sauber Motorsport wurden nicht beantwortet, stattdessen erklärt ein Sprecher: «Leider ist es uns unmöglich, diese Fragen zurzeit zu beantworten, da die Gespräche zwischen den Parteien noch nicht vollständig beendet sind.» In trockenen Tüchern ist die Sache also noch nicht.

Dabei sind die Fragen einfach: Wer investiert wann wie viel? Wer bekommt dafür was? Wer sind die Investoren? Und diese Fragen drängen, weil Gläubiger offenbar mit Millionen-Forderungen vor der Tür stehen. Der Versuch einer vereinfachten Prüfung mit journalistischen Mitteln lässt immerhin erahnen, dass in Russland die Rennsportbegeisterung den Sektor der höheren Wissenschaften erreicht hat. So ist Sergei Sirotkins Vater Oleg Generaldirektor des Instituts NIAT, eines der drei Investoren. NIAT gibt an, ein führender Dienstleister des russischen Militärkomplexes zu sein, es soll an Raketen basteln und für Militärflugzeuge wie die MiG-29, die Antonow-124 oder Suchoi-27 arbeiten.

Adresse am Zürichsee. Aber hat das Institut auch Geld? Für Rennwagen? Diese Frage wird vorerst nicht beantwortet. Anrufe scheinen einen gewissen Schrecken auszulösen, man spricht nicht gerne. Auf E-Mails reagiert das PR-Büro des Formula Z Racing Team – ein pragmatisches Kollektiv aus Forschung und Sportbusiness. Werthaltige Antworten: Fehlanzeige.

Zweiter Versuch. Jedenfalls präsentiert sich der ICI-Fund mit einer prächtigen Website. Als Mitglieder des Verwaltungs- und des Stiftungsrates zeigen sich dort allerhand mächtige Männer mit grimmigen Gesichtern, viele von ihnen Funktionäre aus den Sicherheitsapparaten des Landes – ein kleines Who’s who der Politically Exposed Persons des Landes. Unter ihnen Sergei Uschakow, Ex-Sicherheitschef des halbstaatlichen Gazprom-Konzerns und heute Vize-Direktor im Präsidentenbüro. Putins Mann also. Der ICI-Fund wurde im September 2010 gegründet. Anrufe unter der Moskauer ICI-Telefonnummer bleiben erfolglos. Mal ertönt ein Musikband mit brachialen Kasatschok-Klängen, mal das untrügliche Geräusch eines aufgelegten Telefonhörers. Es gibt aber Hoffnung: Die ICI-Statuten weisen Domizile in Barcelona, Hongkong und Zürich aus. Die ICI-Website gibt eine Handynummer und eine Adresse in Gattikon, nahe der Zürichseegemeinde Thalwil, an.

Doch die Adresse stimmt nicht mehr, ICI-Vertreter Kiril Deltschew wohnt neuerdings in Thalwil, in Untermiete bei einem früheren Geschäftspartner. Der Lebensmittelpunkt des bulgarischen Financiers, so lässt der Domizilgeber durchblicken, ist aber in Vancouver, Kanada. Über Deltschew erfahren wir: Von 2002 bis 2004 war er laut amtlichem Register mit Prokura bei der Credit Suisse in Zürich eingetragen. Gemäss seinem Eintrag im Business-Netzwerk LinkedIn war er von 2007 bis 2013 bei Goldman Sachs und laut Handelsregister ab 2010 gleichzeitig ein gutes Jahr lang bei der Filiale der Société Générale in Zürich eingetragen. Seit 2008 war er zudem für eine Treuhandfirma in Zürich sowie eine gleichnamige Finanzfirma in London tätig. Als Manager der Londoner Brunel Capital, die vom ICI-Fund auch als Mitgliedsfirma bezeichnet wird, zeichnete er für Verluste mitverantwortlich. Anrufe erwidert er nicht.

«Gemeinsame Visionen». Dritter Versuch. Beim Gosfond, dem Staatsfonds der Nordwest-Region, präsidiert vom Tausendsassa Sergei Afanasjew Glebowitsch. Der Ökonom, Multifunktionär, Schachspieler und Rallyefahrer hat zwar eine Website mit Telefonnummern, diese sind aber tot. Bekannt ist aber, dass Afanasjew einen guten Freund hat, den slowenischen Dealmaker Juri Pinter, einen eifrigen Vermittler in osteuropäischen Geschäftswelten. Für seine Bemühungen hatte Pinter zuvor, am 20. März, in Vaduz bei einer Treuhänderin die Refca AG gegründet.

Schliesslich lässt sich auf Umwegen ermitteln, dass sich Pinter, Afanasjew und ein Vertreter der russischen «Union für nicht-olympische Sportarten» am 22. Mai mit Peter Sauber und dessen Managerin Monisha Kaltenborn als Vertreter des Sauber F1 Team trafen. Das Ergebnis wurde in einem Protokoll fixiert. Afanasjew berichtete über die Pläne seines Landes, ein Formel-1-Rennen zu veranstalten. Die Sauber-Vertreter versprachen ihre Hilfe. Sauber wäre bereit, ein «Innovationszentrum» für Testzwecke zu etablieren. Beide Seiten vereinbarten, bei der «gemeinsamen Vision» zu kooperieren. Und inzwischen soll Boris Chrul vom ICI-Fund die grosse Vision unterstützen, der Mann mit den verlässlichen Werten. «Wir sind für Sie da», pflegt er seinen Geschäftspartnern zuzurufen: «Viel Glück!»