Ende Dezember wurde die meldepflichtige Grenze überschritten: Die BZ Bank von Martin Ebner meldete, dass sie 5,38 Prozent der Stimmrechte von Saurer besitzt. Die Medien horchten auf: «Saurer in Ebners Visier?», fragte etwa die «Finanz und Wirtschaft».
Die Aufregung ist verständlich. Zu oft war das Ostschweizer Unternehmen zum Spielball der Visionen von Financiers geworden, als dass man Veränderungen im Aktionariat so einfach zur Kenntnis nehmen könnte. Da war zunächst der Tessiner Tito Tettamanti, der Ende der achtziger Jahre die Kontrollmehrheit an Saurer erwarb. Ihm folgte nach seinem Ausstieg Mitte neunziger Jahre die Beteiligungsgesellschaft BB Industrie des Bankers Ernst Müller-Möhl. Später dann Hedge Funds wie die britische Laxey Partners, die heute mit einem Anteil von 15 Prozent grösster Einzelaktionär von Saurer ist.
Gerüchteweise soll letztes Jahr auch die österreichische Victory, die sich in der Schweiz schon Unaxis unter den Nagel gerissen hatte, an Saurer interessiert gewesen sein, doch die Spekulationen bestätigten sich bisher nicht.
Ralph Stadler, Sprecher der BZ Bank, betont, das Investment bei Saurer sei eine «rein technische Angelegenheit». Auf Grund von Saurer-Papieren in Fonds und Kollektivanlagen von Kunden sei die meldepflichtige Grenze überschritten worden. «Die Bank selber hat keine Beteiligung aufgebaut», so Stadler. Über die strategischen Vorstellungen von Martin Ebner in Sachen Saurer will sich sein Sprecher nicht äussern.
Warum sorgt Saurer, eine mittelgrosse Firma mit einer Börsenbewertung von gerade mal 1,3 Milliarden Franken, immer wieder für finanzielle Träume? Erstens: Die Firma, Weltmarktführer in ihrem Bereich, ist unterbewertet. Zweitens: Die Firma sitzt auf einem Berg an Barmitteln. Drittens: Die Struktur der Firma lädt zu strategischen Sandkastenspielen ein.
Saurer ist eine Industriefirma mit zwei Hauptbereichen: Textilmaschinen und Antriebstechnologie. Nach wiederholten Krisen schreibt Saurer seit vier Jahren schöne Gewinne. Doch angesichts des zyklischen Charakters des Textilmaschinengeschäfts trauen viele dem Bild noch nicht so recht: Das Preis-Gewinn-Verhältnis ist günstig. Und dann gibt es in der Schweiz ja ein Textilmaschinenunternehmen namens Rieter, das ebenfalls auf zwei Beinen steht – und erst noch auf sehr ähnlichen. Die Existenz des strategischen Zwillings ermöglicht vielerlei Planspiele.
1988 beteiligte sich Tito Tettamanti an Saurer (er ist heute unter anderem Grossaktionär der Jean Frey AG, welche die BILANZ herausgibt). Damals erzielte Saurer nur einen Bruchteil des heutigen Umsatzes und schrieb Verluste. «Saurer war eine Firma ohne Zukunft und ohne Strategie», so Tettamanti. Der Tessiner setzte neue Mittel in die Kasse und machte Zukäufe, allen voran den deutschen Textilmaschinenhersteller Schlafhorst. Und Tettamanti entwickelte eine Vision: Er träumte von einer europäischen Textilmaschinenholding durch einen Zusammenschluss von Saurer und Rieter. Doch Rieter blockte ab. Für Rieter-Chef Kurt Feller gab es zwei Gründe: die schlechte finanzielle Lage, in der sich Saurer befand, sowie kartellrechtliche Einwände. 1994 zog sich Tettamanti aus dem Verwaltungsrat zurück und verkaufte nach und nach seine Aktien.
1995 trat BB Industrie (BBI) auf den Plan, eine Beteiligungsgesellschaft der Bank am Bellevue unter Ernst Müller-Möhl, der 2000 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam. BBI investierte eine dreistellige Millionensumme in die defizitäre Saurer. Der Schaffhauser Professor Giorgio Behr, der als Verwaltungsrat von BBI wirkte, holte Ernst Thomke, um die Firma zu sanieren. Behr und Thomke wiederum engagierten 1996 Heinrich Fischer, der bis heute als Konzernchef von Saurer wirkt. Behr ist Verwaltungsratspräsident.
War das Schiff einigermassen auf Kurs, kramte man die Pläne hervor, an denen schon Tettamanti gescheitert war: Müller-Möhl versuchte ebenfalls, Saurer mit Rieter zu verschmelzen. Auch er erfolglos.
Rieter gab wenig später Anlass zu erneuten Planspielen. Martin Ebner hatte sich Ende der neunziger Jahre an Rieter beteiligt. Ihm schwebte vor, das Unternehmen in seine zwei Teile zu trennen und einzeln an die Börse zu bringen. «Es gab keine Forderung, aber unverbindliche Diskussionen über diese Idee. Ich konnte ihn aber überzeugen, dass dies nicht das Richtige ist», sagt Feller. Die Zyklizität des Textilmaschinengeschäfts mache eine Abstützung auf zwei Beinen sinnvoll.
Beobachter glauben, dass Ebner auch für die ähnlich strukturierte Saurer eine Aufspaltung als sinnvoll erachten würde. Die BZ Bank bestätigt, dass man solche Möglichkeiten bei Rieter angeschaut habe, will bezüglich Sauer aber keine Stellung nehmen. Die Kursentwicklung spricht für ein Investment: Seit Ende 2002 steigt die Saurer-Aktie steil an.
Vor allem im letzten Sommer kam tüchtig Musik in die Aktien: Laxey Partners trat auf den Plan. Von Anbeginn wurde der neue Grossinvestor unterschätzt. Die Finanzpresse spekulierte, Laxey wolle das Paket an das Duo Mirko Kovats / Ronny Pecik von der österreichischen Victory weiterverschachern. Doch die Rolle des Steigbügelhalters entspricht dem Selbstverständnis der Briten nicht. Vielmehr zwingen sie mit wenig zimperlichen Methoden die Führungsgilden der von ihnen attackierten Firmen auf Kurs.
Hinter dem Einstieg bei Saurer steht der 33-jährige Basler Roger Bühler, der bei Laxey die Funktion des Investment Director ausübt. Im Gespräch lässt sich Bühler nicht in die Karten blicken. Die bisherige Praxis von Laxey lässt indes erwarten, dass der Hedge Fund schon bald Druck auf die Saurer-Führung ausüben wird – selbst ohne Schulterschluss mit Ebners BZ Bank hätten die Briten die nötige finanzielle Potenz.
Das Anlegermagazin «Stocks» spekulierte gar, Saurer brauche vielleicht bald einen weissen Ritter, und brachte Tettamanti ins Spiel. Der winkt ab: «Professor Behr und Herr Fischer bilden ein erstklassiges Team, das mich absolut nicht braucht und jede Situation meistern wird.»