Sieben Wochen lang standen die Züge zwischen Basel und Karlsruhe im Spätsommer 2017 still. Eine Baupanne im deutschen Rastatt legte den Güterverkehr auf der Nord-Süd-Achse, der wichtigsten Versorgungsroute der Schweiz, lahm. Es war ein Desaster für SBB Cargo.
Die Panne riss ein Loch in die Bilanz der Schweizer Güterbahn. 2017 schliesst SBB Cargo mit einem operativen Verlust von 37 Millionen Franken – nach einer schwarzen Null 2016. Wertberichtigungen von 189 Millionen Franken im Jahr 2017 kommen dazu. Auf der Teppichetage des SBB-Konzerns fiel nach jahrzehntelangen Verlusten der strategische Entscheid, die Güterbahn nachhaltig umzubauen.
Transformation in vollem Gange
Der Umbau von einer staats-finanzierten Unternehmenstochter zu einem selbsttragenden mittelständischen Betrieb ist bereits im Gange. Gespräche darüber führen die SBB mit dem Detaillisten Migros, dem Spediteur Planzer und der bereits mit 25 Prozent an SBB Cargo -International beteiligten Schienengüter-Firma Hupac schon seit einiger Zeit, wie die «Handelszeitung» im November 2017 berichtete.
Sogar ausländische Staatsbahnen sind dem Vernehmen nach von den -Gesprächen nicht ausgeschlossen. Offiziell heisst es von den SBB -erstmals: «Voraussichtlich ab Mitte 2018 werden konkrete Gespräche mit potenziellen Partnern geführt.» Die SBB wollen dafür wie bei Cargo International Partner gewinnen, «die für die nachhaltige Entwicklung von SBB Cargo als verlässliches und finanziell nachhaltiges Transportunternehmen investieren und Risiken tragen».
Für die Transformation wurde mit Markus Streckeisen eigens ein Chief Transformation Officer ernannt. Involvierte sprechen von -einem Sanierer. Er bereitet die -Partnersuche vor – «inklusive der Öffnung von Verwaltungsrat und -Aktionariat», heisst es von den SBB.
Streckeisen kommt von der Immobiliensparte der Konzernmutter. Ihm traut man trotz der bisherigen Logistik-Ferne zu, SBB Cargo auf -Effizienz zu trimmen. Insider gehen davon aus, dass mit Streckeisen zudem ein Kandidat für die Nachfolge des derzeitigen Cargo-Chefs Nicolas Perrin in Stellung gebracht wird. Weil man auf das Branchen-Know-how Perrins nicht verzichten wolle, könnte er zum Präsidenten ernannt werden, schildern Involvierte Zukunftsszenarien der Güterbahn.
Automatisierung wird Zankapfel
Die Vorgaben für den Sanierer Streckeisen stehen bereits fest: der Stellenabbau von bis zu 800 Mitarbeitern, eine massive Reduktion der Verladestellen und die Automatisierung der Güterbahn.
Die Automatisierung erweckt derzeit grosse Aufmerksamkeit, auch bei den Gewerkschaften. Denn zum einen kann das Jobs kosten: Fährt die Güterbahn über die Rangierbahnhöfe, braucht es zwar viele Kuppler zwischen den Wagen. Aber es finden sich immer weniger Leute für diesen Job. «In diesem körperlich anstrengenden Beruf Nachwuchs zu rekrutieren, ist nicht einfach», sagt ein SBB-Sprecher. Das beflügelt die Automation zusätzlich.
Standardisierte Container
Zum anderen lassen sich Container standardisieren. Das bringt grosse Einsparungen. Nicht zuletzt deshalb, weil die Schweiz als Produktionsinsel weiterhin attraktiv für den inländischen Güterverkehr ist. Denn 90 Prozent der Einzelwagen im Land laufen für den Versand und Empfang von Industriegütern.
Diese Massnahmen sind das Minimum, um die defizitäre SBB Cargo wieder auf Schiene zu bringen. Seit Jahrzehnten kriegen es die SBB nicht hin, die Logistik-Einheit rentabel zu machen. SBB Cargo ist ein Fass ohne Boden für die Konzernmutter, welche die Firmentochter finanziell am Leben hält wie eine todkranke Pa-tientin an der Beatmungsmaschine. Lediglich der internationale Zweig der SBB-Gütertochter fährt hin und wieder minimale Gewinne ein.
Von alleine rechnet sich der Schienengüterverkehr nicht, obwohl der Marktanteil im Inland zunimmt und heimische Güter-bahnen auf den Heimstrecken klar dominieren (siehe Grafik). Ein wesentlicher Grund für diese Diskrepanz sind fehlende Gütervolumina pro Zug, die Auslastung stimmt nicht.
Härtere Preispolitik erwünscht
Das Hauptproblem dabei liegt in der schleichenden Deindustrialisierung der Schweiz. Weil bereits viele Firmen ihre Produktionen abgezogen haben und der Prozess weiter voranschreitet, wird das Güteraufkommen immer geringer. Das ist kurzfristig nur zu lösen, indem die Betreiber Güterwagen und Container harmonisieren. Und zusätzlich die Preisverhandlungen von-seiten der SBB gegenüber ihren Kunden härter führen. Das ventilieren Cargo-Leute, die nachgerechnet haben.
In privaten Händen und ohne den öffentlichen Versorgungsauftrag auf der Güterschiene bis in den letzten Winkel des Landes hätte SBB Cargo ganz andere Möglichkeiten, sich neu aufzustellen, sagen Cargo-Kader. Ihr Ruf nach neuen Eigentümern oder Privatbeteiligungen am Unternehmen wird deshalb lauter.