Ein gutes Jahr hat sich Andreas Meyer Zeit genommen, doch inzwischen kann sich jeder Bähnler informieren, wie bei seinem Arbeitgeber Führung funktioniert und welche Ziele die Konzernleitung verfolgt. Es ist auf 28 Seiten schriftlich festgehalten.

Das Bändchen mit dem Titel «Im Einklang führen – das Führungsmodell SBB» liegt BILANZ vor. Sämtliche Konzernleitungsmitglieder haben das Editorial unterschrieben: Meyer und seine Divisionschefs hatten den Lead beim Ausarbeiten des Modells, einbezogen wurden allerdings alle Topkader der Bahn, rund 140 Personen. Anlässlich einer Kaderkonferenz in Basel, die im Sommer stattfand, wurde das Modell erstmals einem breiteren Kreis vorgestellt, rund 800 Mitgliedern des mittleren und oberen Kaders. Ein Teilnehmer berichtet, das Ganze sei «gut angekommen».

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Als Ziel haben die SBB nun die etwas blumige Sprachregelung gefunden, «virtuose Solisten zu einem harmonischen Zusammenspiel zu Gunsten der Kundinnen und Kunden» vereinen zu wollen. Die Fibel sei als «Bedienungsanleitung» für Kader mit Führungsverantwortung zu verstehen.

Zu diesem Zweck präsentiert das Führungsmodell ein Organigramm, das auch die Leiter der Geschäftsfelder innerhalb der Divisionen definiert. Ein SBB-Mann berichtet, früher habe das Organigramm bei den «Direct Reports» des CEO, damals Benedikt Weibel, geendet. Stellenbeschreibungen sollen künftig als «verbindliche Leitplanken» dienen: Aufgaben, Kompetenzen und Führungsmittel werden fixiert und müssen befolgt werden, freihändige Änderungen durch Divisionsleiter oder andere Vorgesetzte sollen damit unterbunden werden.

Im Weiteren sind neun fixe Konzernziele definiert, darunter Kundenzufriedenheit, Konzernimage, Zufriedenheit der SBB-Mitarbeiter, Pünktlichkeit, Sicherheit, zudem finanzielle Kennziffern sowie ökologische Nachhaltigkeit.

Die Erreichung dieser Ziele ist an feste Messkriterien gebunden: Die Kundenzufriedenheit etwa wird via Umfrage bei 32  000 Personen erhoben, die Gemütslage der Mitarbeiter durch eine Vollerhebung bei allen Beschäftigten, Pünktlichkeitsprobleme werden ab Verspätungen von drei Minuten erfasst. Zudem sind direkte «Konzernzielverantwortliche» ernannt worden. Ihnen wiederum sind als Rückendeckung Mentoren aus der Konzernleitung zugeteilt.

Auch wenn die Topmanager mitgemacht haben, gilt das Führungsmodell vor allem als Projekt von Andreas Meyer, um die SBB via die üblichen Managementmethoden führbar zu machen und besser in den Griff zu bekommen. Ein Kadermitglied nennt Meyers oberstes Ziel der Übung: «Führung und Organisation des Konzerns sollen personenunabhängig funktionieren.» Hier witterte der SBB-Chef offensichtlich grösseren Nachholbedarf.

Zuvor führten die Divisionen im Wesentlichen ein Eigenleben, viele Teilbereiche etwa erledigten den Einkauf selbst, statt die gebündelte Beschaffungsmacht des Gesamtkonzerns zu nutzen. «Das Wissen», beschreibt ein SBB-Manager, «war in den Köpfen, aber nicht in der Organisation vorhanden.» Mitarbeiter sollen früher freihändig nach ihren fachlichen Interessen und Fähigkeiten eingesetzt worden sein, einen zentralen Überblick aber oder gar eine Personalplanung habe es nicht gegeben; man habe es sich «in seiner Nische bequem eingerichtet». Meyers rustikale Art, die SBB zu modernisieren, hatte zu diversen Abgängen im Topkader geführt.