Das islamische Gesetz, die Scharia, kennt als eine der wichtigsten Regeln das Zinsverbot. Für einen Moslem ist es Sünde, Zinsen zu nehmen oder zu geben. Das Verbot geht auf das achte Jahrhundert zurück; damals war es üblich, eine Schuld zu verdoppeln, wenn der Schuldner das Geld nicht innerhalb eines Jahres zurückzahlen konnte. Die daraus resultierende Ausbeutung, ja Wirtschaftssklaverei, sollte mit dem Zinsverbot beendet werden.
Damit Banken und andere Finanzhäuser auch ohne die Erhebung von Zinsen wirtschaftlich operieren können, wurden in den vergangenen vierzig Jahren verschiedene Mechanismen entwickelt. Diese sind komplexer als die üblichen Zinsgeschäfte und erfordern mehr Transaktionen mit entsprechend höheren Kosten; deshalb werfen diese alternativen Mechanismen oft geringere Erträge ab als konventionelle Zinsprodukte. Die Kreditgeschäfte im Islam-Banking beruhen auf der Übertragung von physisch vorhandenen Gegenständen. Die Idee ist, dass der Kapitalgeber, beispielsweise die Bank, Besitzer der entsprechenden Güter wird.
Ein typisches Beispiel einer solchen Transaktion ist das so genannte Murabaha: Angenommen, ein Bankkunde möchte eine Baumaschine kaufen. Die Bank händigt ihm nicht das Kapital aus, sondern erwirbt für ihn die Maschine und stellt sie ihm zur Verfügung. Der Kunde entrichtet dafür Ratenzahlungen. Zusätzlich muss er eine bestimmte Summe bezahlen, die über dem Kaufpreis des Geräts liegt. Die Höhe dieser Entschädigung für die Bank wird im Allgemeinen auf Grund der aktuellen Zinssätze berechnet. Daneben gibt es weitere Finanztransaktionen, die mehr auf einer Mitbeteiligung basieren, vergleichbar mit unserem System des Venture-Capital und Private Equity, sowie Leasing-Vereinbarungen und Versicherungen.
Im Bereich der Wertschriften wird im Islam-Banking ebenfalls nach den Regeln der Scharia investiert. So kommen Festverzinsliche nach westlichem Zuschnitt für gläubige Moslems nicht in Frage.
Regierungen und Firmen finanzieren sich dafür immer mehr über so genannte Sukuks; diese ähneln zwar Obligationen, doch weisen sie keine Zinskomponente auf. Bei Aktienanlagen ist entscheidend, in welchen Gebieten das entsprechende Unternehmen tätig ist. Dabei darf es sich weder um Alkohol, Schweinefleisch, Glücksspiele oder andere unter der Scharia verbotene Waren und Tätigkeiten handeln. Im Weiteren muss die Verschuldung der Firma unter 33 sowie der Anteil der Debitoren unter 45 Prozent der Aktiven liegen. Auch dürfen höchstens fünf Prozent der Einnahmen aus Zinszahlungen stammen. Die im Islamic Index von Dow Jones enthaltenen Firmen sind nach diesen Gesichtspunkten ausgesucht.
Die Legitimation einer Scharia-konformen Transaktion wird durch einen islamischen Gelehrten bestimmt. Jene Finanzhäuser, die entsprechende Produkte anbieten, versichern sich der Dienste wenigstens eines solchen Gelehrten als Berater, was sich wiederum zusätzlich negativ auf die Kosten auswirken kann. Nun wird denn auch eine umfassende Regulierung und Standardisierung der Scharia-konformen Strukturen versucht, um so die Transparenz zu erhöhen und gleichzeitig die Kosten zu senken. Hinter diesen Bemühungen steht die Accounting and Auditing Organization for Islamic Financial Institutions (AAOIFI); die 1991 gegründete Organisation zählt 110 Mitglieder in 24 Ländern.