Plötzlich läuft in der Ehe alles schief. Nathalie Waldkirch möchte sich deshalb von ihrem Ehemann Dominik scheiden lassen. Sie ist ausgebildete Betriebswirtin, aber seit längerer Zeit nicht mehr berufstätig, weil sie den gemeinsamen fünfjährigen Sohn Florian betreut. In den Verhandlungen beschliesst das Gericht, dass Dominik seiner Ex-Frau monatlich 5300 Fr. abzugeben hat mehr als die Hälfte seines Nettoeinkommens von 10000 Fr.
Dies ist zwar ein fiktives Beispiel. Doch es ist nicht weit hergeholt: Denn in der Praxis häufen sich die Fälle, in denen Männer nach einer Scheidung der finanzielle Ruin droht. «Auch ein Gehalt von 10000 Fr. reicht nicht einfach so aus, um plötzlich zwei Haushalte finanzieren zu können», sagt der Zürcher Scheidungsanwalt Carlo Häfeli. Und: «Der Mann kann dazu verpflichtet werden, sein gesamtes Einkommen bis aufs Existenzminimum hinunter als Unterhalt abgeben zu müssen.» Die Gründung einer neuen Familie wird dabei fast unmöglich.
Fast jede zweite Ehe in der Schweiz scheitert
Gemäss Bundesamt für Statistik (BfS) werden heute mehr als 40% aller Ehen geschieden. Juristische Grundlage bildet das Scheidungsgesetz, welches seit Januar 2000 in Kraft ist. Neu ist dabei, dass nicht mehr darauf geachtet wird, welcher der beiden Beteiligten «Schuld» am Scheitern der Ehe hatte. Und der scheidungswillige Ehepartner kann die Scheidung mittels einer Klage bereits nach einer zweijährigen Trennungsfrist verlangen.
Die Folge davon ist, dass in vielen Fällen das Fürsorgeamt einspringen muss. Dabei werden viele allein erziehende Mütter unterstützt, weil das Geld nach der Scheidung an allen Ecken und Enden fehlt. An den Kragen geht es indes vor allem den Männern. Kein Wunder, ist vom «Scheidungsopfer Mann» die Rede: Als «Ernährer» stehen sie im Kampf um Kinder und Vermögen oft auf verlorenem Posten.
«Die Anzahl der Hilfe suchenden Männer hat zugenom-men», sagt Anton Dudli, Sekretär der «Interessengemeinschaft geschiedener und getrennt lebender Männer». 14 Berater kümmern sich um die drei bis fünf täglich eintreffenden Anfragen. Heiratswillige Männer versuchen aber immer häufiger, bereits vor der Hochzeit das finanzielle Risiko bei einer allfälligen Scheidung präventiv zu mindern. Denn gerade bei Ehen von gut verdienenden Managern wird im Scheidungsfall oftmals heftig um die Aufteilung des grossen Besitzes gestritten. In seltenen Fällen geht es dabei laut Anwälten ums Sorgerecht der Kinder. Im Vordergrund stünden vielmehr Unterhaltsbeiträge und Vermögensaufteilung.
Lange Prozesse
Jahrelange Scheidungsprozesse sind deshalb keine Seltenheit. Männer verschieben ihren Besitz ins Ausland, gehen gezielt keiner Erwerbstätigkeit mehr nach oder legen ihre Bonifikationen und andere zusätzliche Einkommen nicht offen, weil sie keinen Unterhalt abliefern wollen. Aber auch Frauen tragen ihren Teil dazu bei: Sie zögern den Scheidungstag bewusst hinaus, um mehr Geld aus dem gemeinsamen Guthaben bei der Pensionskasse zu erhalten.
Bleibt die Frage, ob sich vor allem Männer gegen solche Konsequenzen versichern können. «Bei uns ist dies nicht möglich», sagt Olivier Michel, Sprecher der Zürich Versicherung. Auch beim Branchenführer Lloyds winkt man ab: «Wir haben zwar den Ruf, alles zu versichern», meint Graham West von der Schweizer Lloyds-Niederlassung. «Im Moment bieten wir eine solche Versicherung aber nicht an.»
Pensionskasse: Hälfte an Frau
Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt hängt laut dem aktuellen Scheidungsgesetz von Kriterien wie der Aufgabenverteilung während der Ehe, der Dauer derselben, dem Alter und der Gesundheit der Ehegatten oder deren Einkommen und Vermögen ab. Die Ehefrau erhält in jedem Fall die Hälfte des während der Ehe angewachsenen (gemeinsamen) Pensionskassenguthabens. Das Stichdatum für dessen Bemessung ist der Tag der Scheidung. (han)