Wer im Zug mit dem Handy telefoniert, muss mit plötzlichen Funklöchern rechnen. Das ist lästig sowohl für die Telefonierenden wie auch für die lieben Mitpassagiere, die gezwungen sind, die misslungenen Kommunikationsversuche wildfremder Menschen akustisch mitzuerleben. Das solle nun ein Ende haben, verkündeten die SBB vor knapp einem Jahr. Sie hatten mit Orange, Sunrise und Swisscom Mobile einen entsprechenden Vertrag unterzeichnet. Zusammen wollte man die Mobilfunknetze ausbauen und den Handyempfang im Zug optimieren. Doch mit der Umsetzung harzts.
Für den problemlosen Handyempfang in der Bahn müssen zum einen die Wagen mit Antennen, so genannten Intrain-Repeatern, ausgerüstet sein. Sie holen die Funksignale in den Zug, die dieser als Faradayscher Käfig, der er ist, abhält. Zum andern müssen die Tunnel mit Verstärkern nachgerüstet werden.
Schwarzer Peterbei den SBB?
Zum heutigen Zeitpunkt sind alle Neigezüge (ICN) und die Doppelstöcker (Pendolino IC 2000) mit Antennen (Intrain-Repeatern) ausgerüstet. Neue Wagen dieser Typen werden direkt ab Werk mit Antennen versorgt. Die Ausrüstung der älteren Einheitswagen (EW IV) dagegen geht schleppend voran. Gerade mal ein knappes Drittel ist bis jetzt nachgerüstet.
Schuld an der Verzögerung sind in den Augen der Mobilfunk-Betreiberinnen die SBB. Zuerst wurde der Repeater-Einbau in die Wagen gestoppt, weil die SBB alle verfügbaren Wagen für die Landesausstellung benötigten. Und momentan kann laut Swisscom-Sprecher Sepp Huber die Nachrüstung im Mobilfunk nicht im Schnellzugstempo durchgeführt werden, weil die SBB ihre EW-IV-Flotte modernisieren. «Wir können nicht die 546 EW-IV-Wagen gleichzeitig aus dem Verkehr ziehen, nur um Repeater einzubauen. Da hätten unsere Passagiere kaum Freude», hält SBB-Sprecher Binz dagegen.
Nicht schneller geht es mit der Tunnelausrüstung voran. Erst gegen Ende Jahr konnten die ersten Versorgungen abgeschlossen werden, insgesamt sind 2002 gerade mal 46 km Tunnel dazu gekommen (vgl. Kasten). Auch hier macht Orange-Sprecherin Therese Wenger die SBB verantwortlich. Zu viele SBB-Departemente mit völlig unterschiedlichen Interessen seien involviert. Sie kreidet den SBB zudem an, überhöhte und nicht marktgerechte Mietpreise für Antennenstandorte auf SBB-eigenen Standorten und Geleisen zu verlangen. «Am Ende entstehen unzumutbare Forderungen, die eine rasche Abdeckung verunmöglichen», ärgert sie sich. SBB-Mann Roland Binz sieht dagegen in der Koordination der vier beteiligten Partner die verzögernde Ursache.
Uneinig über das weitere Vorgehen
Fragt man die beteiligten Parteien nach dem weiteren Fahrplan, bekommt man Unterschiedliches zu hören. Noch in diesem Jahr (Swisscom) bzw. Mitte 2004 (Sunrise) sollen demnach die Hauptstrecken Ost-West und Jurasüdfuss für alle Mobilfunk-Kunden perfekt abgedeckt sein. Weitere Intercity-Strecken zwischen den wichtigsten Städten der Schweiz werden Ende 2004 erschlossen sein, ebenso die S-Bahn Zürich, verspricht die Swisscom. Die Nachrüstung der Nord-Süd-Transversalen erfolge dagegen erst in drei bis vier Jahren, so Swisscom-Sprecher Huber.
In der Romandie werden die Tunnels laut SBB in der zweiten Hälfte 2003 angeschlossen sein, die «Tunnels der Mitte» sind in der Planung. Und bis alle EW-IV-Wagen ausgerüstet sind, wird es Ende 2003 (Orange) bzw. Ende 2004 (Swisscom).
Obwohl die bisherige Erfahrung das Gegenteil erwarten lässt, sind die SBB überzeugt, dass die Sache vorankommt: «Das Ausrüsten hat für die Betreiberinnen eine hohe Priorität, da sie ja auch schon einiges investiert haben», macht Binz die Milchbuben-Rechnung.
Tatsächlich wurden schon stolze Summen in das Bahnprojekt gebuttert: Sunrise hat bis heute 25 Mio Fr. investiert, Orange 50 Mio Fr. und Swisscom 100 Mio Fr. In Zukunft will Sunrise weitere 23 Mio Fr. aufwenden, Swisscom wird ebenfalls einen «ähnlichen Betrag wie bisher» springen lassen und Orange sogar doppelt so viel wie bisher.
Die SBB dagegen beteiligen sich an den Ausrüstungs- und Installationskosten mit keinem müden Franken: «Schliesslich ist es für die Mobilfunkerinnen ein Geschäft», rechtfertigt Sprecher Binz.
Dass es auch schneller geht, zeigen die Privatbahnen: 33 der 46 Tunnel-Kilometer entfallen nämlich auf sie. Mit der BLS Lötschbergbahn wurde in nur fünf Monaten der Lötschbergtunnel (14,6 km) realisiert. Auch in diesem Fall trugen die Betreiberinnen sämtliche Kosten. «Aber die Privatbahnen erkennen sehr schnell die Vorteile einer Mobilfunkabdeckung. Die ganzen Verhandlungen laufen im Interesse der Bahn und nicht im Interesse einzelner Departemente», meint Wenger.
Ungewöhnlich verhalten und diplomatisch dagegen gibt sich die Swisscom. Das hat seinen Grund. Als Ex-Monopolistin hatte sie einst in den Tunnels das Versorgungsmonopol. Deshalb kann sie ihren Kunden so lange die beste Abdeckung auf dem Bahnnetz garantieren, bis die Tunnels auch für Orange- und Sunrise-Kunden nachgerüstet sind.