Minus, minus, minus: In der Fusion von Holcim und Lafarge steckt der Wurm. Die Börsenbilanz seit dem Zusammenschluss im vergangenen Juli ist desaströs: Der Aktienkurs hat sich halbiert, zuletzt beschleunigte sich der Sinkflug des Papiers. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt: VR-Präsident Wolfgang Reitzle nimmt nach nur einem Jahr seinen Hut.

Grossaktionär Thomas Schmidheiny, der rund 12 Prozent am fusionierten französisch-schweizerischen Konzern hält, sprach sich in der Vergangenheit stets für den Zusammenschluss aus – wenn er sich denn öffentlich äusserste. Denn der Zement-Baron geizt mit Statements und agiert lieber im Hintergrund. Welche Bilanz zieht Schmidheiny jetzt, da der Börsenkurs fast ungebremst in Richtung Finanzkrisenniveau von Anfang 2009 sinkt? In einem exklusiven, schriftlich geführten Interview nimmt er Stellung:

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Wie beurteilen Sie die Fusion von Holcim und Lafarge aus heutiger Sicht: Ist der Zusammenschluss gelungen?
Thomas Schmidheiny*: Selbstverständlich kann ich als Aktionär nicht glücklich sein über die derzeitige Aktienkursentwicklung. Andererseits stelle ich fest, dass der Integrationsprozess gute und planmässige Fortschritte macht. Auf Länderebene in den einzelnen Märkten funktioniert die Zusammenarbeit hervorragend. Unbesehen der aktuellen Turbulenzen, gerade was die wirtschaftliche Entwicklung in den für LafargeHolcim so wichtigen Schwellenländern angeht, bin ich langfristig von der Zweckmässigkeit des Zusammenschluss überzeugt.

Würden Sie das Grossprojekt mit Ihrem heutigen Kenntnisstand noch einmal vollziehen wollen?
Hinter der Fusion steht eine zwingende industrielle Logik, die in einem Jahr nicht plötzlich hinfällig werden kann. Für uns alle überraschend haben sich die Rahmenbedingungen verschlechtert. Dies macht das ganze Projekt im Moment noch anspruchsvoller und herausfordernder, aber nicht weniger zweckmässig.

Der Präsident des Verwaltungsrats, Wolfgang Reitzle, geht bereits nach einem Jahr von Bord. War die Personalie eine Fehlbesetzung?
Ich verweise auf die Pressemitteilung von LafargeHolcim, wo es heisst: «Der Beitrag von Wolfgang Reitzle zum Zusammenschluss der beiden Konzerne und zur Bildung eines neuen Leaders in der Baustoffindustrie ist unschätzbar.» Das unterschreibe ich jederzeit.

Auf Reitzle folgt nun Beat Hess. Was erhoffen Sie sich von der Neubesetzung?
Ich habe Beat Hess in vielen Jahren der Zusammenarbeit als ausgezeichneten Verwaltungsrat erlebt. Ich bin sicher, dass wir eine hervorragende Wahl getroffen haben.

Ist Hess (67) eine langfristige oder Interimslösung?
Bekanntlich kennen die Statuten von LafargeHolcim keine Altersbeschränkung. Er ist sicher keine Interimslösung.

Im vergangenen Juni zeigten Sie sich (in einem Interview mit der «Bilanz») zuversichtlich, die Aktie würde «relativ zügig» auf 100 Franken steigen. Nun steht das Papier bei 36 Franken. Müssen Sie ihre Prognose kassieren?
Diese Prognose ist von der Entwicklung an den Rohstoffmärkten offensichtlich überrollt worden. Ich bleibe aber dabei, dass das von mir definierte Kursziel allein schon angesichts der Synergiepotenziale realistisch ist. Dies unter der Voraussetzung, dass Vernunft einkehrt und die Märkte sich wieder beruhigen.

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Warum ist der Aktienkurs nicht wie angekündigt deutlich gestiegen, sondern hat sich seit der Ankündigung der Fusion halbiert und ist stärker gefallen als etwa der SMI?
Meines Erachtens sind es diverse Themen, einerseits will im Moment der Kapitalmarkt nichts von Schwellen- und Entwicklungsländern wissen, andererseits werden Firmen abgestraft, die in rohstoffnahen und in zyklischen Industrien tätig sind. Zudem muss auch das Team unter unserem CEO Eric Olsen erst bestätigen, dass sie die versprochenen Synergien erwirtschaften können. Last but not least, wer gegen die erwähnten Trends spekulieren will, hat in LafargeHolcim eine sehr liquide Aktie, die Leerverkäufe (Shorts) ermöglicht.

Nachdem sich Eurocement von seinem Aktienpaket verabschiedet hat: Wie lange bleiben Sie noch als Grossaktionär an Bord? Haben Sie bereits einen Teil ihrer Anteile veräussert?
Ich bin und bleibe von einem nachhaltigen Erfolg des Zusammenschluss von Holcim und Lafarge überzeugt. Eine Reduktion meines Engagements steht in keiner Weise zur Debatte. Entsprechend habe ich keine Aktien verkauft.

Sollte Holcim künftig weiter expandieren oder sich auf die Kernmärkte fokussieren?
Mit zirka 90 Märkten, die LafargeHolcim bearbeitet, ist das Unternehmen sehr breit aufgestellt, was dem Prinzip der geografischen Diversifikation entspricht. Sicher befindet sich darunter aber der eine oder andere Markt, den man im Rahmen einer Strategiediskussion hinterfragen muss.

 

* Thomas Schmidheiny ist der grösste Aktionär von LafargeHolcim. Der 70-jährige St. Galler ist der Urenkel des Holcim-Gründers Jacob Schmidheiny. Zwischen 1978 und 2001 führte er Holcim als Konzernchef, von 1984 bis 2003 war er zudem VR-Präsident.