Der Schnitt ins Gesunde liegt im Trend. Allein in den Jahren 1992 bis 2001 hat sich in Amerika die Zahl der plastisch-ästhetischen Eingriffe verdreifacht. Wie viele Patienten sich in der Schweiz unters Messer legen, weiss niemand genau – Fachleute gehen aber davon aus, dass ihre Zahl in den letzten zehn Jahren um rund 25% zugenommen hat.

Ärzte sind hier zu Lande nicht verpflichtet, die Anzahl ihrer Operationen zu melden. Vom Bundesamt für Statistik werden im ambulanten Bereich keine Daten erhoben, die beiden Statistiken, die im stationären Bereich geführt werden (eine nach der Art der Diagnose und eine nach der Art des therapeutischen Eingriffs), erfassen Schönheitsoperationen nicht: «Unglücklich wegen Hängebusen» ist keine Diagnose – und beim Eintrag «totale plastische Nasenoperation» weiss niemand, ob dahinter ein Tumor, ein Autounfall oder der Wunsch nach makelloser Schönheit stand. Ein Trend zum perfekten Body ist aber auch in der Schweiz feststellbar.

*Saugen, schleifen, schlitzen, straffen*

Nasen kürzen, Gesichter modellieren, Körper umformen – die Palette des für die plastische Chirurgie Machbaren ist beeindruckend. Stellt diese nach Verbrennungen, Unfällen oder Tumoroperationen segensreiche medizinische Disziplin ihre Künste mehr und mehr in den Dienst einer Kundschaft, die dem Jugendwahn erliegt?

Die Schweizerische Gesellschaft für Plastisch-Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (SGPRAC) warnt ihre Mitglieder in der Standesordnung davor, «Hoffnungen auf spektakuläre Resultate zu wecken», und Beat Huber, Direktor der Klinik Pyramide am See in Zürich, erklärt: «Wenn er das Gefühl hat, es bringt nichts, operiert ein seriöser Arzt nicht.» Operationswilligen rät Catherine Perrin, Sekretärin der SGPRAC, sich an einen eingetragenen Facharzt mit anerkannter Aus- und Weiterbildung zu wenden: «Ein Arzt, der mindestens sechs Jahre Weiterbildung absolviert hat, kennt sein Metier.»

Während sich denn auch kaum ein Arzt ohne Erfahrung an eine Brustvergrösserung wagt, mutiert die kosmetische Chirurgie zum Tummelfeld für Halbprofis: Zahnärzte unterspritzen in Lunchpausen Falten, Dermatologen saugen Fett ab oder rücken Hautunreinheiten mit Lasergeräten zu Leibe. «Diese Verfahren sind in der Schweiz nicht geschützt», erklärt Perrin. Profitabler Nebeneffekt dieser neuen, gerne als «unblutige Techniken zur Hautverjüngung» angepriesenen Verfahren für Anbieter: Viele Resultate sind nicht von Dauer und müssen alle paar Monate wiederholt werden.

Der Arzt als Erlöser von Unerwünschtem: Glatze, Trichterbrust, Speckdepots – dank der Beauty-Industrie muss sich niemand mehr mit angeborenen Defekten abfinden. Adressen finden sich leicht: In Frauenzeitschriften füllen die Anzeigen von Privat- oder Tageskliniken jeweils mehrere Seiten. Beat Huber lokalisiert den Boom denn auch eher im Angebot – weniger in der Nachfrage: «Aus welchen Gründen auch immer – Ärzte drängen vermehrt in diese Nische.» Die Gründe dürften im Finanziellen zu suchen sein: Ein Arzt, der seine Kundinnen in der eigenen Praxis verschönert, kann gut und gerne zweimal so viel verdienen wie als Angestellter in einem öffentlichen Spital.

Grundsätzlich gelten für Ärzte die Gesetze des freien Marktes. Nur dort, wo Krankenkassen zahlen, gibt es einheitliche Tarife – das gilt ausschliesslich für Eingriffe, die aus therapeutischen Gründen erfolgen. Preise für Brustvergrösserungen, Liposuction, Bauchdeckenplastiken und Ähnliches sind nicht geregelt. «Patient und Patientinnen haben Anspruch auf eine transparente Rechnung» – angesichts der erheblichen Preisunterschiede alleine innerhalb der Schweiz wirkt diese Richtlinie aus der Standesordnung der FMH fast treuherzig.

Während bei den meisten Anbietern der Preis einer Offerte um 150 Fr. liegt, verwirren bereits beim Trendeingriff Fettabsaugen unterschiedliche «Grundgebühren» von bis zu mehreren Tausend Franken. Eine neue Büste ist – bei vergleichbaren Operationsbedingungen – in Zürich 1000 bis 2000 Fr. teurer als im Kanton Bern.

*Kaum Transparenz, viele Risiken*

«Keine Angaben»: Die Frage nach konkreten Umsatzzahlen beantworten die Beteiligten in der Regel einhellig. Ungewöhnliche Transparenz zeigt die Zürcher Klinik Pyramide am See in ihrem Jahresbericht: Bei einem Gesamtumsatz von 17 Mio Franken setzte die Privatklinik im Jahr 2001 mit der reinen ästhetischen Chirurgie rund 2 Mio Fr. um – nicht eingerechnet die Zahlen der spezialisierten Abteilungen wie beispielsweise das Zentrum für plastische Chirurgie. 23% aller Eingriffe fielen auf die plastische Chirurgie – laut Klinikdirektor Huber waren 50% davon rein ästhetischer Natur.

Auch Lou Albin, Juniorchef der Tagelswangener Firma Medic Service möchte sich nicht in die Bücher schauen lassen. Auf die Frage, wie sich die Umsatzzahlen seiner Firma in den letzten zehn Jahren entwickelt haben, antwortet er: «Stetig steigend.» Die Zukunft des Marktes schätzt er optimistisch ein: «Die Zeit lässt sich nicht aufhalten. Die Patientinnen werden immer jünger – eine neue Nase als Geburtstagsgeschenk oder auf den Schulabschluss wird auch bei uns immer normaler.»

*Die Konkurrenz lockt*

Zulieferer der Branche, Importeure von Implantaten, Faltengels, Collagen usw. haben also Grund zur Zufriedenheit. Allerdings lockt inzwischen auch die Billigoperation im Ausland: Eine Brustoperation in Ungarn ist für rund 5000 Fr. zu haben – Implantate inklusive. Allein Gedanken an Qualität der Beratungsgespräche, Nachkontrollen oder Produkthaftung dürften die Attraktivität solcher Billigangebote aber relativieren. Das grenznahe Deutschland könnte dagegen zur echten Alternative werden: Aussichten auf satte Gewinne haben dort Grossinvestoren veranlasst, mit Milliardenaufwand ein Netz aus privaten Schönheitskliniken zu errichten. Medical One etwa verfügt bereits über Anti-Falten-Center in sieben deutschen Städten.

«Speziell junge Frauen müssen im Lauf ihres Lebens mit einem bis mehreren Implantatswechseln rechnen», informiert das Bundesamt für Gesundheit Operationswillige auf einer speziellen Homepage (www.bag.admin.ch/md/d/abc.htm) und ergänzt: «Das Ziel der Beratung ist dann erreicht, wenn Sie sich bewusst sind, was für Nebenwirkungen der Eingriff haben kann und Sie zu regelmässigen Nachkontrollen bereit sind.» Zahlen aus den USA zeigen, dass der Suchtfaktor bei Schönheitsoperationen nicht zu unterschätzen ist: Dort sind 36% der Patienten «Wiederholungstäter». «Bringen Sie Ihre Träume mit», lockt ein Arzt im Internet zum Beratungsgespräch. Schön wie Schneewittchen, sogar noch im Sarg – dieser Traum rückt in greifbare Nähe.

Weitere Informationen unter:

www.beauty.ch

www.plastic-surgery.ch

www.plasticsurgery.org

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