Ab August müssen sich Hoteliers und Wirte in der Waadt auf Überraschungsbesuche von Behörden gefasst machen: Die Regierung und die Sozialpartner schicken zwei Inspektoren los, um Schwarzarbeiter aufzuspüren. «Wir wollen damit den fairen Wettbewerb fördern», sagt Roger Piccand, Leiter des kantonalen Arbeitsamtes. In der ebenfalls schwarzarbeits-sensiblen Baubranche sind schon seit drei Jahren Fahnder im Einsatz. Der Erfolg der Bekämpfung lässt sich jedoch nur schwierig identifizieren: «Wir können dadurch Dumpingpreise verhindern», sagt Piccand vage. In welchem Ausmass ist jedoch nicht bekannt.

Auch andere Kantone, wie die beiden Basel, Zürich und Bern, die kürzlich für die Gastro- oder Baubranche Kontrollkommissionen eingesetzt haben, wagen nicht, sich zum wirtschaftlichen Wert der Organe zu äussern. «Man darf die Ergebnisse nicht am finanziellen Aufwand messen», sagt Alwin Hösli vom Amt für Wirtschaft des Kantons Zürich. Denn dieser sei sicher um einiges grösser. Präventive Wirkungen hätten die Kommissionen aber bestimmt, so Hösli

Doch trotz Repressionen nimmt die Zahl der Fälle zu: Beim Berner Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (Kiga) gingen in den letzten zwei Jahren 40 bis 50% mehr Meldungen ein. In Zürich zählten die Behörden im letzten Jahr 60 Sanktionen gegen Überschreitungen im Bereich befristete Arbeitsverhältnisse. In den ersten sechs Monaten dieses Jahres waren es bereits 50 Fälle. Hösli erklärt die Zunahme zwar hauptsächlich mit internen Verzögerungen in der Bearbeitung der Fälle. Er gibt aber auch zu bedenken, dass in Krisenzeiten mehr Menschen schwarz arbeiten, um Zusatzverdienste zu erzielen und bei Steuern und Sozialabgaben zu sparen.

Ein Hinweis darauf, dass die Konjunkturdelle Nährboden für die Schwarzarbeit bietet, beinhaltet das Beschäftigungsbarometer des Bundesamtes für Statistik: Die Zahl der Beschäftigten nahm im ersten Quartal um 1,1% ab, jene der Erwerbstätigen jedoch nur 0,5%. Der Grund dafür: Die Beschäftigten-Zahlen werden durch Umfragen in Unternehmen erhoben, die Erwerbstätigenzahlen hingegen durch eine Haushaltsbefragung, bei welcher auch Neben- und Gelegenheitsjobs und zum Teil illegale Aktivitäten einfliessen.

So wird heute in der Schweiz im Umfang von 556 000 Vollzeitstellen Schwarzarbeit geleistet, wie Schätzungen des Linzer Schattenwirtschafts-Experten Friedrich Schneider zeigen. Wertmässig ist die Schwarzarbeit nicht zu beziffern. Statistische Hochrechnungen zur Schattenwirtschaft, die neben der Schwarzarbeit auch illegale Aktivitäten wie Produktion und Schmuggel von Drogen umfassen, verdeutlichen jedoch steigende Tendenzen: Im letzten Jahr erreichte die Untergrund-Wirtschaft in der Schweiz einen Wert von 40 Mrd Fr., was 9,5% des offiziellen BIP ausmacht. Das sind rund 30% mehr als noch zu Beginn der 80er Jahre.

Der Zürcher Wirtschaftsprofessor und Schattenwirtschaftsexperte Bruno S. Frey begründet die stetige Erhöhung mit der steigenden Steuerbelastung und den zunehmenden staatlichen Regulierungen. «Die Staatsquote ist in der Schweiz, im Vergleich zu den OECD-Ländern, am stärksten gestiegen.» Deshalb dürfte das Ausmass der Schwarzarbeit weiterhin zunehmen.

Diese mit Repressionsmassnahmen zu bekämpfen, wie es einzelne Kantone tun, hält Frey jedoch für sinnlos. «Der Aufwand ist zu gross. Denn die Schwarzarbeit ist kein ernsthaftes Problem» - abgesehen von wenigen Auswüchsen organisierter Schwarzarbeiter aus östlichen Ländern, die es auszumerzen gelte. Unbestreitbar bleibe zwar, dass die Schwarzarbeit die Steuermoral untergrabe. Diese ist in der Schweiz verglichen zu anderen Ländern aber relativ hoch.

*Konsum wird belebt*

Auch die oft zitierten «hohen Steuerausfälle» sind zu relativieren: Gemäss Untersuchungen des Linzer Professors Friedrich Schneider werden 66% der Einnahmen aus der Schattenwirtschaft unmittelbar wieder in der offiziellen Wirtschaft ausgegeben. Frey: «Über die Mehrwertsteuer der zusätzlich erzeugten Einkommen fällt der Steuerverlust weit kleiner aus, als es im ersten Moment erscheint.»

Doch die Schwarzarbeit birgt auch echte positive Auswirkungen: Die höheren Einkommen aus der Schwarzarbeit kurbeln den Konsum an. Und die Mehrwerte erhöhen das tatsächliche Sozialprodukt. In manchen Bereichen verstärkt die inoffizielle Tätigkeit ausserdem den Wettbewerb. Frey: «Sie sorgt damit für günstige Preise und Leistungen - Leistungen, die unter der Regulierungslast des Staates offiziell nicht zu erbringen sind.»

*Positive Anreize wären Sinnvoller*

Statt Bekämpfung sind deshalb laut dem Experten Frey «positive Anreize» zu schaffen: Neben Deregulierung und einer massvollen Steuerpolitik ist deshalb mehr Transparenz bei der Ausgabenpolitik gefragt. «Untersuchungen zeigen nämlich, dass die Leute bereit sind, Abgaben zu bezahlen, wenn sie wissen, wofür sie eingesetzt werden und die Ausgaben sinnvoll sind.».

Beim Bund sieht man das jedoch anders: Zurzeit ist ein Gesetzesentwurf zur Bekämpfung der Schwarzarbeit in der Vorberatungen der Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Nationalrates, der vor allem auf Repression setzt. Vorgesehen sind neben vereinfachter Bezahlung der Sozialversicherung Kontrollkommissionen für alle Kantone und höhere Strafen.

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