Im Kanton Zürich sind seit der Steueramnestie im Jahr 2010 insgesamt 8,4 Milliarden an Schwarzgeld aufgetaucht. Überrascht?
Marina Züger*: Nicht ganz. Wir gingen davon aus, dass es 2018 nochmals im ähnlich grossen Umfang Selbstanzeigen geben würde wie im Vorjahr. Nun ist deren Zahl sogar noch gestiegen.
Dank dem automatischen Informationsaustausch (AIA), bei dem die Schweiz im Herbst von verschiedenen Ländern Steuerunterlagen erhielt.
Absolut. Wir merkten auch, dass viele Leute erst durch die Berichterstattung in den Medien aufmerksam wurden. Als der erste internationale Austausch von Datensätzen auf den Herbst 2018 angekündigt worden ist, gingen wir von einem neuerlichen Wachstum der Fälle aus – eben weil das Thema AIA in den Medien war.
Die 8,4 Milliarden Franken, die bislang an Schwarzgeld im Kanton Zürich aufgetaucht sind, sind im Verhältnis zum gesamten Vermögen der Steuerpflichtigen marginal.
Zahlen zum steuerbaren Gesamtvermögen haben wir nicht. Was sich sagen lässt: Wir haben letztes Jahr 0,7 Prozent der gesamten Staatssteuererträge über Selbstanzeigen hereingeholt. Betrachten wir alle Fälle seit 2010, dann haben sich seither zwei Prozent der steuerpflichtigen Personen selber angezeigt.
Eben: Relativ wenige Leute haben Vermögen vor dem Fiskus versteckt.
In absoluten Zahlen scheint es ein sehr hoher Betrag zu sein, im Verhältnis zur Gesamtzahl sind es prozentual relativ wenige Leute.
Steuern hinterziehen nicht nur Reiche, die Meldungen betreffen viele mittlere oder tiefere Vermögen.
Es ist in der Tat so. Wir hatten in den letzten Jahren viele Selbstanzeigen mit kleineren Beträgen. Alleine 2018 haben wir rund 5000 Fälle erledigt, darunter waren sehr viele Bagatellfälle.
Steuern hinterzogen wird querbeet?
Zumindest die Nachdeklarationen lassen sich nicht auf eine Vermögensgruppe einschränken. Praktisch jedes Jahr haben wir ein Dutzend Steuerpflichtige, die über eine Million Nachsteuern zahlen müssen. Die Zahl jener mit hohen Summen auf undeklarierten Konten hat sich über die Zeit reduziert. Gleichzeitig sind immer mehr kleinere Fälle aufgetaucht. Deshalb ist der Durchschnittsertrag, den wir pro Fall reinholen, von 60'000 Franken im Jahr 2010 mittlerweile auf 19'500 Franken im Jahr 2018 gesunken.
Es heisst, viele Ausländer in der Schweiz hätten mit der Einführung des AIA ihre Häuser in Italien, Spanien oder Deutschland neu in der Schweiz deklariert. Vorher war dies nicht der Fall.
Das ist so. Eine grosse Zahl der jüngsten Selbstanzeigen betreffen Ausländer mit Konten im Ausland, viele mit Immobilienbesitz. An sich muss eine ausländische Liegenschaft in der Schweiz nicht versteuert werden. Hingegen hat deren Wert Einfluss auf den Steuersatz in der Schweiz. Wenn jemand in der Schweiz ein Vermögen von 150'000 Franken hat und ein Haus im Ausland im Steuerwert von 100'000 Franken, dann kommt in der Schweiz für das 150'000 Franken-Vermögen ein Steuersatz für 250'000 Franken zur Anwendung. Mit der Nachdeklaration einer ausländischen Liegenschaft wurden oft auch Konten in der Schweiz offengelegt.
«Ich gehe aber davon aus, dass die Steuerehrlichkeit in der Schweiz höher ist als in anderen Ländern.»
Weshalb?
Weil ein Steuerpflichtiger die Straflosigkeit laut Gesetz nicht zweimal in Anspruch nehmen kann. Wenn jemand also aufgrund des AIA ein Konto im Ausland nachdeklariert und wir später auf weitere Konten in der Schweiz stossen, wird neben der Nachsteuer auch eine Busse fällig.
In welcher Höhe?
Wenn sich jemand nach dem Genuss der Steueramnestie später selber anzeigt, gibt’s eine Busse in der Höhe von 20 Prozent der Nachsteuersumme. Wenn wir beim Steuerpflichtigen nach einer Steueramnestie auf ein undeklariertes Konto stossen, wird es teuer. Dann kommt – je nach Schwere des Verschuldens - eine Busse bis zum Dreifachen der Nachsteuer dazu.
Der AIA greift nur zwischen dem Ausland und der Schweiz, innerhalb der Schweiz gilt er nicht. Wie hoch schätzen Sie das Schwarzgeld, das weiterhin in der Schweiz liegt?
Ich bin keine Hellseherin. Wir haben Rückmeldungen von Steuerpflichtigen, dass gewisse Banken mit unversteuertem Geld nichts mehr zu tun haben wollen. Dies hat gelegentlich zu Selbstanzeigen geführt. Wir wissen beispielsweise von Fällen, in denen jemand mit unversteuertem Geld Immobilien kaufen wollte, worauf die Bank eine Finanzierung verweigerte. Aber eine statistische Aussage würde ich nie machen, weil in der Schweiz weiter das Bankgeheimnis gilt. Ich gehe aber davon aus, dass die Steuerehrlichkeit in der Schweiz höher ist als in anderen Ländern.