Die Schweizer Wirtschaft präsentiert sich in guter Form. Reihum erhöhen die Konjunkturauguren ihre Voraussagen für 2006. Die Grossbank CS rechnet neu mit einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts von 1,7 Prozent, die UBS gar mit 2 Prozent. «Die Schweiz präsentiert sich konjunkturell derzeit robust», urteilt Ulrich Kohli, Chefökonom der Schweizerischen Nationalbank.
Verschiedene Indikatoren haben sich verbessert: Die Zahl der Firmenkonkurse ist gesunken, der Konsum der Privathaushalte zeigt ein Wachstum, und sogar bei den Jobs verbessert sich das Bild. So rechnet die UBS mit einem Rückgang der Arbeitslosenrate von 3,8 Prozent auf 3,5 Prozent. «Entgegen allen Unkenrufen wächst die Schweiz viel schneller als erwartet», so Klaus Wellershoff, Chefökonom der UBS.
Die Schweiz profitiert vom insgesamt guten Wachstum der Weltwirtschaft und von der besseren Konjunktur des wichtigen Handelspartners Deutschland. Vor allem die Exporte sind stark.
Laut Klaus Wellershoff liegt dies unter anderem an der günstigen Branchenstruktur der Schweiz mit den boomenden Bereichen Pharma- und Investitionsgüterindustrie. Wie stark sich die Schweizer Industrie heute präsentiert, zeigt sich laut Wellershoff auch daran, dass die Schweiz selbst im Handel mit Ländern wie China oder Japan einen Überschuss erzielt.
Der schweizerische Exportüberschuss ist 2005 auf rekordhohe 9,3 Milliarden Franken angewachsen. Möglich wurde dies allerdings auch darum, weil die Importe seit 1992 nicht gleich schnell gestiegen sind wie die Exporte. Die Schweizer geben ihr Geld nicht wie die Amerikaner bedenkenlos aus. Noch immer sind die Schweizer ein Volk von Sparern. SNB-Chefökonom Kohli hält dieses Verhalten für durchaus angebracht: «Die Schweizer Konsumenten sind vielleicht etwas vorsichtiger, aber eben auch sehr vernünftig.» Angesichts bestehender Unsicherheiten in Bezug auf die Altersvorsorge sei privates Sparen durchaus nachvollziehbar. «Schlecht wäre, wenn die Schweizerinnen und Schweizer aus übertriebenem Pessimismus sparten. Aber wenn sie sparen, damit sie was für die Zukunft haben, so ist dies ein rationaler Entscheid.» Vielleicht sei so der Konsum etwas niedriger, dafür stünden aber Gelder für die Investitionen der Firmen zur Verfügung.
Nachteil der starken Stellung der Schweiz: Die besser laufende Wirtschaft dürfte 2006 auch mehr Kapital nachfragen. Daher könnten die Zinsen weiter steigen. Jan Poser, Chefökonom der Bank Sarasin, hält die Zinsen in der Schweiz für künstlich tief. Nach dem 11. September 2001 sei viel Geld in die Schweiz geflossen. Die Zinssteigerungen, die laut Poser nur moderat ausfallen dürften, seien daher auch Zeichen der «Normalisierung» der Schweizer Zinslandschaft.
So gut die Konjunktur derzeit ist – lange dürfte die Euphorie nicht andauern. Die meisten Experten erwarten im Laufe der zweiten Jahreshälfte Verschlechterungen. Dies wegen der unsicheren Lage in den USA, aber auch weil der Aufschwung im Nachbarland Deutschland nur von kurzer Dauer sein dürfte. Deutschland wird laut Prognosen der Deutschen Bank 2007 ein Wachstum von nur gerade 0,2 Prozent generieren.