Ausser dem Porsche auf dem Parkplatz gemahnt an der Seefeldstrasse 45 in Zürich nicht viel an eine äusserst erfolgreiche Anwaltskanzlei. An dieser Adresse sitzt auch die angebliche Kommunikations-Firma Dunmorr Group - ihre besondere Spezialität: «Lebendig erzählte Botschaften».

Die «lebendigen Geschichten» der Dunmorr Group mit Sitz bei der Kanzlei von Multiverwaltungsrat und Rechtsanwalt G. fanden auch in Bosnien-Herzegowina und Serbien ein aufmerksames Publikum – bei der Kriminalpolizei.

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84 Personen verhaftet

Am 16. Juli 2012 liessen Polizeibeamte in Serbien sowie Bosnien und Herzegowina während einer konzentrierten Aktion in Sarajewo, Banja Luka und Bihac bei dutzenden Personen die Handschellen klicken. Insgesamt wurden an jenem Tag gleich 84 Personen verhaftet, berichtete das «Center for Investigative Reporting» (CIN), das den Fall mit einer aufwendigen Recherche ins Rollen brachte.

Mit dem Reporter von CIN wollte sich Dunmorr-Verwaltungsrat G. nicht gross unterhalten: Er beschied dem Journalisten, er unterstehe dem Anwaltsgeheimnis und könne deshalb kein Interview gewähren. Alle Namen der Aktionäre unterstünden zudem dem Geschäftsgeheimnis der Gesellschaft. Er sei aber kein Aktionär der Gesellschaft.

Verdacht: Betrügerischer Aktienhandel

Der Verdacht der Bundespolizei von Bosnien und Herzegowina («Federation BiH Bureau of Police FUP»): Die Firma Dunmorr und ihre Mitarbeiter sollen internationalen betrügerischen Aktienhandel im grossen Stil begangen haben. Die Opfer seien unzählige Europäer. Des Weiteren steht das Dunmorr-Umfeld im Verdacht der Geldwäscherei sowie der Steuerhinterziehung.

Das Umfeld von Dunmorr offerierte europäischen Bürgern während Monaten verschiedenste Aktien praktisch wertloser Firmen durch Kaltansprache per Telefon. Die Opfer wurden nicht nur mit falschen Versprechen geködert, auch falsche Telefonnummern wurden ihnen vorgegaukelt: Damit sollte das Märchen, man rufe aus den Finanzzentren Zürich oder London an, besonders überzeugend wirken.

In Wirklichkeit sassen die Call-Center-Mitarbeiter in Sarajewo, Banja Luka, Bihac oder Belgrad. Diese Abzockmasche ist in englischsprachigen Gefilden als «Boiler Room Scam» bekannt. Die Masche grassiert derart, dass sich auch schon Hollywood mit Superstar Ben Affleck im Film «Boiler Room» dem Thema widmete.

Call-Center-Connection im Balkan

Wie Akten zeigen, die handelszeitung.ch vorliegen, gründete die Dunmorr Group AG in Sarajewo im Juli 2011 eine Zweigstelle. Mit ihr wurde ein Call-Center eröffnet für das Verramschen der vermeintlich lukrativen Aktien. Bereits im Januar 2010 eröffnete die Dunmorr Group eine Zweigstelle in Belgrad - auch dort wurde ein Call-Center betrieben.

Während der Razzia fielen den Polizeibeamten Computer und Telefonsoftware in die Hände - damit kann man die Telefonnummern verschleiern.

Der Chef der Kriminalabteilung der bosnischen Bundespolizei Edin Vanj, sagte, die Dunmorr-Organisation verfügte über 160 Mitarbeiter.

Muttersprache streng verboten

Die Call-Center-Mitarbeiter durften nur Deutsch miteinander reden, Bosnisch war verboten. Damit sollte die perfekte Illusion für die Opfer aufrechterhalten werden, man habe es mit deutschen Aktienbrokern zu tun, falls im Hintergrund Geräusche zu hören waren. Die Call-Center-Leute stellten sich etwa als Mitarbeiter von Titan Invest Schweiz vor, brauchten aber auch andere Firmennamen.

In der Sarajewo-Absteige arbeiteten 40 Personen - sie wurden erfolgsabhängig entlöhnt. Wer ein Talent hatte, viele Opfer zum Aktienkauf zu übertölpeln, stieg vom normalen Mitarbeiter zum «Broker» auf. Je mehr ihre Opfer investierten, desto höher der Verdienst der «Broker».

Grosse Dunkelziffer

Die Akquise war offenbar äusserst erfolgreich. Rechtsanwalt Louis Gabriel Rönsberg von der renommierten Wirtschaftskanzlei SLB Kloepper Rechtsanwälte vertritt über 20 Übertölpelte aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien. Sie verloren gegen 2,5 Millionen Euro, sagt Rönsberg gegenüber handelszeitung.ch. Er geht aber von mindestens 20 Millionen Euro Schaden aus - die Dunkelziffer sei enorm.

Als Drahtzieher der Dunmorr Group verdächtigen die Ermittler den 36-jährigen Goran Samardzija und seinen 32-jährigen Bruder mit bosnischem Pass, Zoran Samardzija - beide befinden sich auf freiem Fuss. Als Zoran Samardzija in den Verwaltungsrat der Dunmorr Group und später zu deren Präsidenten gewählt wurde, residierte er im deutschen Düsseldorf.

Als sich die Dunmor Group 2010 einer Aktienkapitalerhöhung unterzog, führte dies Rechtsanwalt G. mit einer «Forderung» des 36-jährigen serbischen Aktionärs Goran Samardzija durch, der seine Zelte an der Bulevar Arsenlje Carnojevica 46 in Belgrad aufschlug. Die Firma mit ursprünglich 100'000 Franken Kapital wurde so auf einen Schlag mit einer Million Franken kapitalisiert, zeigen Akten, die handelszeitung.ch vorliegen.

Hurtiger «Rücktritt»

Kurz nachdem die bosnischen Behörden am Montag, 16. Juli, ihre Verhaftungswelle starteten, berief G. am drauffolgenden Freitag eine ausserordentliche Generalversammlung ein. Traktandum: «Austritt des Verwaltungsrats». Verwaltungsratspräsident Zoran Samardzija warf das Handtuch - nun verbleibt noch G. im Aufsichtsgremium.

Ob er grosses Vertrauen in die Firma hat, darf bezweifelt werden. Die Webseite der Dunmorr Group ist zwar auf ihn eingetragen, aber nicht etwa mit einer E-Mail-Adresse der Kanzlei oder der Firma, sondern über einen anonymen Dienstleister aus Kanada. Der löscht Gratis-E-Mails automatisch, wenn das Konto über längere Zeit nicht benutzt wird.

Gipser als Aktienexperte

Recherchen zeigen, dass sich die Pseudo-Aktienexperten der Dunmorr Group mit Zweigstelle Bosnien als Mitarbeiter der Titan Invest AG aus dem Kanton Obwalden ausgaben. Rechtsanwalt G. sagte gegenüber handelszeitung.ch, die Dunmorr Group unterhalte keine Beziehungen zur Titan Invest aus der Schweiz.

Die Titan Invest in Obwalden zeichnete sich durch einen besonders flüggen Verwaltungsrat aus. Der Italiener Fabio Bertola (43) zog im Kanton Luzern von einer Bleibe zur nächsten. Nebenbei kaufte er noch Mitte Dezember 2011 bei einem gemütlichen Schwatz im «Café City» in Wallisellen die Handwerkerfirma Oski Gipsergeschäft von einer Mazedonierin. Anfang Juni 2012 tauchte er dann urplötzlich nach Italien ab.

Firma für Lottospielchen

Der Ex-Dunmorr-Group-Verwaltungsratspräsident Zoran Samardzija zeichnete sich in der Vergangenheit durch innovative Geschäftsideen aus. So gründete er 2007 in Zug die Legion Finance GmbH, die sich bald darauf auf Gewinnbimmeltour begab.

Nachdem Zoran Samardzija aus der Legion Finance zusammen mit Giovanni Lupino austrat und Rechtsanwalt Olaf R. (39) übernahm, wurden Reklamationen wegen unerwünschten Telefonanrufen fürs Produkt «EuroMillionsTipp» laut. Die Callcenter-Agenten versuchten in Deutschland die «Kunden» zu Teilnahmen an Lottospielen zu überreden. Der dazu fällige Betrag würde dann automatisch abgebucht - ein Vorgehen, das Forenteilnehmer an die bekannte «Abofallen»-Abzocke der so genannten «Nutzlosbranche» erinnerte.

Mit Call-Centern kennt sich die Samardzija-Sippe aus: In Deutschland fungierte Goran Samardzija als Geschäftsführer der Aquisa24 GmbH mit Sitz in Düsseldorf. Und auch bei der Conexio AG hatte er die Finger im Spiel.

Auf Warnliste der Finanzaufsicht

Dunmorr-Group-Investor Goran Samardzija sass in Serbien in diversen Firmen. Eine hiess Stonehard Consulting d.o.o. Die «Consulting»-Firma landete im November 2009 prompt auf der Negativliste der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht Finma.

Dazu meinte G.: «Ob Zoran Samardzija eine Firma Stonehard Consulting besitzt und sich diese auf einer angeblich schwarzen Liste der Finma befindet, ist mir nicht bekannt. Im eidgenössischen Handelsregister ist keine Firma Stonehard registriert, weshalb ich stark bezweifle, dass die Finma, die meines Wissens ohnehin keine schwarzen Listen führt, eine Firma Stonehard auf dem Radar hat.»

«Clever zur Million»

Gorans Bruder Zoran Samardzija interessierte sich offenbar auch für Gold-Investments. So versuchte er die Wort- und Bildmarke «KENO GOLD Clever zur Million» zu registrieren – vergebens. Mit dabei:  Rechtsanwalt Olaf R., der schon bei der Legion Finance auftauchte.

Ein Zufall nach dem anderen

Recherchen von handelszeitung.ch zeigen weitere erstaunliche Zufälle. Im Oktober 2006 wurde in Zug die Stonehard Investment AG gegründet. Als «Kapital» - als «Sacheinlage» - mussten 25'000 Aktien der Skandalfirma NicStic AG herhalten - gegen die Verantwortlichen der NicStic laufen seit Jahren Ermittlungen anfänglich in der Schweiz, nun in Deutschland.

Als Gründer der Stonehard Investment amtete der von der Wochenzeitung als «unwissender Mafia-Experte» bezeichnete und wegen Unterschlagung von Kundengeldern rechtskräftigt verurteilte Bertrand Chollet. Auf seiner Webseite gibt er eine falsche Handynummer an, sein Privatanschluss war dauernd besetzt, per E-Mail meldete er sich - und kann sich an gar nichts mehr erinnern.

Im Jahr 2007 nahm Giovanni Lupino im Verwaltungsrat der Stonehard Investment Platz. Der gleiche Giovanni Lupino, den man später auch in Zoran Samardzijas Lotto-Firma Legion Finance antraf.

Und auch die Stonehard Investment widmete sich dem Aktien-Dealen: Auf deren Webseite entnahm der intressierte Leser, dass sich die Stonehard auf «Börsengänge» und Aktienverkäufe spezialisierte. Nicht lange, und man errichtete Mitte Mai 2007 auch in Belgrad eine Tochtergesellschaft: die Zweigstelle Stonehard AG Belgrad. Deren Vertreter ist Branislav Jankovic. Der gleiche Branislav Jankovic, der nun die Stonehard Consulting d.o.o. von Goran Samardzija liquidiert.

Für alle Beteiligten gilt die Unschuldsvermutung.