Die SIX will die spanische Börse übernehmen und bietet dafür gut 3 Milliarden Franken. Kommt der Deal zustande, steigt die Schweizer Börsenbetreiberin zum drittgrössten Handelsplatz in Europa auf. Doch Konkurrentin Euronext könnte der SIX dabei noch in die Quere kommen.
Die hiesige Börsenbetreiberin bietet den Aktionären der spanischen Börsengruppe Bolsas y Mercados Españoles (BME) 34 Euro je Aktie, wie aus einer Mitteilung vom Montag hervorging. Für 100 Prozent der Aktien müsste die SIX damit 2,8 Milliarden Euro oder umgerechnet rund 3,1 Milliarden Franken auf den Tisch legen.
Die SIX ist gewillt tief in die Tasche zu greifen. Denn das Angebot liegt gut 40 Prozent über dem durchschnittlichen Aktienpreis von BME der letzten sechs Monate. Bis heute Montag: Nach Bekanntwerden des geplanten Angebots der SIX schossen die BME-Aktien um über ein Drittel nach oben.
Überraschender Richtungswechsel
Die geplante Übernahme kam überraschend, obwohl in der Vergangenheit bereits über das mögliche Interesse der SIX an einer EU-Börse spekuliert worden war. Hintergrund war die fehlende Börsenanerkennung durch die EU. Diese hatte Ende Juni im Streit um das Rahmenabkommen mit der Schweiz die Börsenäquivalenz der Schweizer Börse auslaufen lassen.
Dabei geht es um die seit 2014 dauernden Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU über ein institutionelles Rahmenabkommen, wobei die Börsenäquivalenz als Druckmittel eingesetzt wird.
Die Schweizer Börsenregulierung wird von der EU nicht mehr als gleichwertig anerkannt. Doch dank eines Schachzugs des Bundesrates hat das der Schweizer Börse bis jetzt nicht geschadet - im Gegenteil. Längerfristig könnte sich das aber ändern.
Bloomberg schrieb im August unter Berufung auf «gut informierte Kreise», dass die SIX nach einer europäischen Börse Ausschau halten könnte, sollte sich der Verlust der EU-Börsenanerkennung länger hinziehen. Bereits damals war die Rede von der spanischen BME sowie der Wiener Börse.
Erst vor zwei Wochen sagte der Chef der Börsensparte bei der SIX, Thomas Zeeb, auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP, dass der Kauf einer EU-Börse oder eine Zusammenarbeit mit einer solchen in diesem Zusammenhang «kein Thema» sei.
Wettbewerbsdruck in Branche
Das jetzige Angebot für BME habe denn auch nichts mit dem Streit um die Börsenäquivalenz zu tun, sagte SIX-Chef Jos Dijsselhof an einer Telefonkonferenz am Montag. Die Gespräche zwischen der Schweiz und der Europäischen Union würden sich deswegen weder vereinfachen noch verhärten.
Es geht Dijsselhof zufolge um die industrielle Logik. Das Angebot der SIX sei auch vom Kaufpreis her attraktiv für die BME-Aktionäre, sagte er.
Das Börsengeschäft ist ein Skalengeschäft, und die gesamte Branche ist grossem Wettbewerbsdruck ausgesetzt, nicht zuletzt wegen der fortschreitenden Technologie. Die Konsolidierung schreitet breit voran. Jüngst sind mehrere grosse Vorhaben allerdings gescheitert.
Die SIX denkt, dass sich die BME eine gut Ergänzung ist: Es würde eine «diversifizierte Gruppe mit einer starken Präsenz in Europa» entstehen, hiess es. Beide Börsen würden dadurch gestärkt, denn beiden Seiten könnten jeweils zusätzliche Dienstleistungen anbieten. So würden etwa Schweizer Asset Manager mehr Möglichkeiten in Europa erhalten.
Ob die SIX allerdings zum Zug kommt, ist ungewiss. Ebenfalls interessiert an der spanischen Börse ist die Mehrländerbörse Euronext. Das Unternehmen bestätigte ebenfalls am Montag Gespräche mit dem spanischen Konkurrenten über eine mögliche Übernahme. Euronext betreibt derzeit die Börsen in Amsterdam, Brüssel, Dublin, Lissabon und Paris.
Falls die Euronext nun ebenfalls ein konkretes Übernahmeangebot unterbreitet, könnte die SIX gezwungen sein nachzulegen. Ob die Offerte der SIX aber das letzte Angebot an die Spanier ist, liess Dijsselhof an der Telefonkonferenz offen.
Grosse finanzielle Reserven
Die Kapitalbunker der SIX dürften indes gut gefüllt sein. So wurde im vergangenen Jahr das Kartengeschäft verkauft, womit sich das Finanzergebnis um nicht ganz 3 Milliarden erhöhte. In der Mitteilung vom Montag spricht die SIX von «erheblichen liquiden Mitteln in der Bilanz» und «ausreichend ungenutzten Fremdkapitalfinanzierungskapazitäten».
Für eine erfolgreiche Übernahme müssen die BME-Aktionäre der SIX mindestens 50 Prozent der Aktien andienen. Zudem unterliegt die Transaktion noch der Genehmigung respektive dem Nicht-Einspruch der spanischen Markt- und Wettbewerbskommission (CNMC) und der spanischen Börsenaufsicht (CNMV) sowie der Genehmigung durch die spanische Regierung.
(awp/tdr/mbü)