Seinem Image als Sportliebhaber wurde Russlands starker Mann Wladimir Putin während den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi vollauf gerecht. Für den Anlass, während dem er sich auch mit Budesrat Ueli Maurer traf, war ihm keine Mühe zu gross. Milliarden russischer Steuergelder wurden in den Grossanlass gepumpt, über Nacht wurden Anlagen im geschichtsträchtigen Ferienort Sotschi hochgezogen, viele Rubel versickerten in schwarzen Löchern.

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Das Sportereignis hat sich für Russland und Putin voll ausbezahlt – nimmt man den Medaillenspiegel als Gradmesser. Kein Land räumte mehr Edelmetall ab, als die Sportler der ehemaligen Grossmacht.

Geständnis von Ex-Antidoping-Chef

Doch nun muss wohl auch diese Erfolgsstory neu geschrieben werden. Denn am Ursprung des Goldregens steht ein beispielloser Betrug, orchestriert direkt aus dem Kreml, sagt der ehemalige Chef des zuständigen russischen Antidoping-Labors, Grigory Rodchenkov, der «New York Times» und 60 Minutes. Er ist ein hochkarätiger Insider, der heute um sein Leben fürchtet – zwei seiner Kollegen haben in Russland bereits unter mysteriösen Umständen das Zeitliche gesegnet. Nachdem er in Moskau in Ungnade gefallen war, tauchte Rodchenkov nach Los Angeles ab und arbeitet nun am Dokumentarfilm «Ikarus», der seine Geschichte zum Thema hat.

Rodchenkovs Geständnis hat Sprengkraft - mindestens 15 russische Medaillengewinner seien gedopt gewesen. In Nacht-und-Nebel-Aktionen hätten er, seine Mitarbeiter und mutmassliche Mitglieder des russischen Geheimdienstes FSB während den Winterspielen nach vorgegebenen Listen, die direkt aus dem Sportministerium stammten, Urinproben ausgetauscht. Dazu seien die Behälter, in denen die Urinproben aufbewahrt wurden, so manipuliert worden, dass gegen aussen nichts zu sehen war. Die weltweite Antidoping-Behörde Wada ist entsprechend alarmiert.

Listen aus dem Kreml

Der Betrug hatte sich offenbar schon im Vorfeld abgezeichnet, als ein mutmasslicher Mitarbeiter des russischen Inlandgeheimdienstes FSB Hunderte von Urinprobenbehälter einsammelte und Mitarbeiter des Labors mit einschlägigen Fragen zum Produkt löcherte.

Die Behälter stammen von der Ostschweizer Berlinger Group aus dem toggenburgischen Ganterschwil. Seit den Olympischen Spielen 2000 in Sydney gibt es keinen sportlichen Grossanlass, an dem das patentierte Dopingkontrollkit der Schweizer Gruppe nicht zum Einsatz kommt. Die Firma geniesst einen ausgezeichneten Ruf. Sie räumte erst diesen März den «Prix SVC Ostschweiz» ab. Der Swiss Venture Club zeichnet mit dem Preis Unternehmen aus, welche durch herausragende Leistungen einen wesentlichen und nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg verzeichnen.

Patentierter Spezialverschluss

Berlinger entwickelte einen Spezialverschluss für Urinproben. Ein Metallring rastet ein, sobald der Deckel zugedreht wird. Das soll verhindern, dass der Deckel unbemerkt wieder geöffnet werden kann. Nur durch das Einschlagen einer Sollbruchstelle lässt sich der Inhalt der Container wieder entnehmen. Die Berlinger-Gruppe schreibt auf ihrer Webseite, das Produkt Bereg-Kit biete höchste Sicherheit: «Jeder Versuch, die Flaschen unautorisiert zu öffnen, zerstört diese oder hinterlässt sichtbare Spuren

Berlinger schreibt auf Anfrage von handelszeitung.ch: «Wir halten klar fest, dass nach unserem heutigen Wissenstand unsere Kits bei richtiger Anwendung gemäss Gebrauchsanweisung, sicher sind. Die Kits entsprechen höchstem Qualitätsstandard und werden mehreren Qualitätschecks unterzogen, bevor sie unser Haus verlassen. Das Sicherheitssystem wurde von einem neutralen, unabhängigen Labor auf «tamper evidence» geprüft und zertifiziert und ist genau auf die Abläufe einer Dopingkontrolle abgestimmt.»

Berlinger: «Kriminelle Handlung»

Zum aktuellen Fall schreibt Berlinger: «Sofern die Angaben von Grigory Rodchenkov stimmen, handelt es sich um eine professionelle, den Russischen FSB (früher KGB) involvierende und von langer Hand vorbereite, kriminelle Handlung. Diese betrifft nicht nur die Sicherheit der Flasche, sondern die gesamte Sicherheitskette und sämtliche dazu gehörenden Abläufe. Dieser Fall ist eine Ausnahmesituation und muss auch als solche betrachtet werden. Selbstverständlich unterstützt Berlinger Special AG, wo immer nötig, die Aufklärungen.»