Der Finanzdienstleister Traditional Financial Services aus Lausanne ist bisher eher unter dem Radar der Öffentlichkeit gesegelt. Das ist jetzt vorbei. Die Firma wird verdächtigt, im grossen Stil Personen aus dem Kreise des einstigen libyischen Diktators Muammar al-Gaddafi bestochen zu haben, wie  das «Wall Street Journal» berichtet. Inspektoren der Londoner Polizei und der US-Börsenaufsicht SEC haben das Unternehmen im Visier, das offiziell zur börsenkotierten französischen Mutter «Compagnie Financière Tradition» von Viel & Cie. gehört.

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«Kein Sperma bleibt übrig»

Die Manager des Unternehmens sollen das «Vermitteln» von Deals mit Sex-Partys in Villen der marokkanischen Stadt Marrakesch belohnt haben - Motto: «Kein Sperma bleibt übrig». Die Traditional ist in 28 Ländern aktiv, etwa auch im Energiesektor, im ausserbörslichen Aktienhandel oder als Aktienbroker. Für letzteren soll das Haus verschiedene Verwandte von Top-Beamten um Gaddafis Regime vermittelt und auch intern eingestellt haben. Es ging auch um Investments in die gut dotierten libyschen Staatsfonds.

«Weltweit Top-3-Broker»

Nachdem Libyen ab dem Jahr 2003 seinem Atomwaffenprogramm entsagte, begann der Goldrausch für die Vermittler westlicher Investoren. Die Geschäfte in Lausanne liefen offenbar auch dank Libyen blendend. Laut Geschäftsbericht 2006 konnte der Vorsitzende der Gruppe, Patrick Combes, erstmals die Milliarden-Umsatz-Grenze knacken, ein Plus von satten 25 Prozent. Traditional Financial Services, nach eigenen Angaben weltweit einer der «Top-drei»-Broker, stand vorne bei den Profiteuren, war aber nicht alleine.

Neben Traditional stehen auch Goldman Sachs, Société Générale, Och-Ziff Capital Management Group und die Blackstone Group im Visier der Ermittler.

Ex-Direktor der Nationalbank im Verwaltungsrat

Zu den Verwaltungsräten aus Frankreich gesellen sich bei Traditional diverse Schweizer, die dem Unternehmen teils seit Jahrzehnten verbunden sind. So etwa der 75-jährige François Carrard, der bei Beau-Rivage Palace SA Verwaltungsratspräsident war und als Vizepräsident bei der Bank Landolt & Cie. SA amtete. Ihn zog es auch ins Sportgeschäft, etwa als Verwaltungsrat der IOC Television & Marketing Services SA.

Im Audit-Kommitee sitzt Pierre Languetin (90). Er sass auch im Direktorium der Schweizerischen Nationalbank, war Botschafter, handelte mit der EU für die Schweiz ein Freihandelsabkommen aus und war Verwaltungsrat in der SwissRe und bei Sandoz. Neben vielen anderen Beschäftigungen traf man ihn auch in der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich an.

Zu den Verwaltungsräten zählt auch Robert Pennone (69), der heute Verwaltungsratspräsident der GS Banque SA ist, die früher Banque Bénédict Hentsch & Cie hiess. Zu ihm gesellt sich auch Urs Schneider, der zwischen 1989 und 2012 im der Universität Zürich angegliederten Swiss Finance Institute wirkte.

Die Ermittlungen in England bekamen Fahrt, als sich auch Ex-Mitarbeiter an die Behörden wandten, weil sie offenbar mit den Geschäftspraktiken der Firma ihre Probleme hatten. Traditional meinte gegenüber der Presse, dass man von unzufriedenen Ex-Mitarbeitern angeschwärzt werde. Bisher ist die Firma weder in England noch in den USA angeklagt. Eine Anfrage von handelszeitung.ch beim Finanzchef blieb unbeantwortet.