Schweizer Firmen brauchen den Willen, in der Champions League zu spielen. Davon zeigt sich Markus Wagner, Inhaber der Aluwag, überzeugt. Nach dem Motto: Wer Regionalliga denkt, wird auch dort landen.

In der Regionalliga spielt die Schweizer Industrie sicher nicht, aber der Druck in der Branche ist spürbar. Viele Unternehmen haben nach dem Frankenschock Arbeitszeit reduziert, Personal abgebaut und müssen schmerzhafte Einschnitte vornehmen, um Kosten zu senken. Ein schlechter Moment für einen Luftsprung. Doch genau den verlangt die nächste Welle der Industrialisierung, zeigt eine aktuelle Untersuchung von Deloitte.

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Technologie und das richtige Team

«Schweizer Industriefirmen denken alle über die Herausforderungen der Digitalisierung nach, stehen hier aber noch nicht an vorderster Front», sagt Ralf Schlaepfer, Managing Partner bei Deloitte. Die Herausforderung stellt sich auf zwei Ebenen: Industriefirmen müssen Schritt halten mit der technologischen Entwicklung – und die Mitarbeiter auf die Zukunft einstellen.

Amag-Chef Morten Hannesbo sagt in der Studie: «Mehr Investitionen sind notwendig, um künftig in einem sich wandelnden Umfeld schneller reagieren zu können. Dies betrifft insbesondere die Kompetenzen von Mitarbeitern, die Kapazitäten der IT-Infrastruktur und die Nutzung neuer Technologien.»

Der Wille zur Perfektion bremst

Dabei wird die Tugend der Schweizer Unternehmen auch zu ihrem Stolperstein: Der Wille zur Perfektion bremst den Mut zum Experiment. «Schweizer Firmen müssen lernen, auch mal zu scheitern», sagt Markus Koch, bei Deloitte zuständig für die Entwicklung von Strategien für das verarbeitende Gewerbe. «Viele Unternehmen tun sich schwer damit, dass die Erfolgsaussichten von Digitalisierungsprojekten schwierig vorherzusagen sind. Es widerspricht der schweizerischen Kultur, so grosse Risiken einzugehen.»

Das gilt selbst für Schweizer Startups: Accenture-Chef Georg H. Schmidt kritisierte unlängst, dass Unternehmer hierzulande zu wenig wagen und forderte von ihnen, mehr auszutesten.

«Digitalisierung ist eine Jahrhundertchance»

Dabei hat die Schweiz durch die Industrie 4.0 beste Aussichten, nie waren ihre Qualitäten gefragter. «Digitalisierung ist eine Jahrhundertchance für die Schweiz. Das ist die erste industrielle Revolution, bei der genau das gesucht wird, was die Schweiz zu bieten hat», sagt Markus Koch. Es zählen nicht länger nur Rohstoffe und möglichst günstige Arbeitskräfte, die hierzulande beide Mangelware sind. Es zählen das intellektuelle Kapital, die finanziellen Möglichkeiten und klare rechtliche Rahmenbedingungen. In allen Bereichen kann die Schweiz punkten.

Und doch ist die Realität teils ernüchternd. Die Industrie kämpft gegen Überalterung und manch eine Firma um ihre erste Frau im Verwaltungsrat, wie zum Beispiel Schmolz + Bickenbach. Der Fachkräftemangel erschwert die Rekrutierung von geeignetem Personal.

50'000 temporäre Projektmitarbeiter

Dabei sind die Mitarbeiter das wichtigste Kapital der Unternehmen. Allerdings müssen sie bereit sein, das Tempo mitzugehen. «Es wird in Zukunft normal sein, zwei bis drei Mal im Leben den Beruf zu wechseln», sagt Koch.

Immer häufiger zählen Mitarbeiter selbst mit wichtigen Aufgaben auch gar nicht mehr zum Unternehmen, zumindest nicht als Festangestellte. Die UBS und Credit Suisse zum Beispiel beschäftigen zusammen bereits gut 50'000 temporäre Projektmitarbeiter, wie die «NZZ am Sonntag» kürzlich berichtete. Ein Trend, der in der Industrie aber nur schwer angenommen wird.

«Die Arbeitswelt verändert sich dahingehend, dass es immer mehr Einzelunternehmer gibt, die auf Projektbasis und nicht festangestellt arbeiten», sagt Schlaepfer. « In Zukunft funktioniert Projektarbeit eher wie die Community der Warcraft-Gamer.» Dort arbeiten 100 Millionen Nutzer in einem virtuellen Verbund von Einzelteams, ohne sich real je zu begegnen. Für einzelne Aufgaben ziehen sie Spezialisten hinzu, flexibel je nach Bedarf.

Zeitarbeit nicht länger ein Stigma

Diese Form der Arbeit ist nicht länger ein Stigma der Niedrigqualifizierten, die in Zeitarbeit gehalten werden, wie die Beispiele UBS und CS zeigen. Es drückt unter anderem auch ein Bedürfnis nach Flexibilität bei den Millenials aus, die in den Arbeitsmarkt drängen. Für Schweizer Industriefirmen ist dieses Denken eine Herausforderung. Schlaepfer sagt: «Hier denken die Unternehmen noch stark in der Dimension eigener Mitarbeiter, statt unabhängige Ressourcen zu nutzen, was effektiver sein kann.»

Dass einen Neuausrichtung überlebenswichtig werden kann, das sehen die Unternehmer allerdings. «So wie Airbnb und Uber die Dienstleistungsindustrie herausfordern, wird auch die Industrie künftig mit ganz neuen technologiebasierten Geschäftsmodellen in Konkurrenz treten. Viele traditionelle Industriebetriebe sind sich dessen gar nicht bewusst», sagt Jürg Fedier, CFO vom OC Oerlikon.

Konkurrenz aus neuen Richtungen

«Die Konkurrenz kommt aus neuen Richtungen», sagt Koch, Leiter Strategic Development von Consumer und Industrial Products bei Deloitte. Ein Beispiel wäre hier die SBB – bucht jemand auf der App ein Ticket von Zürich nach Winterthur, erhält die SBB Provision vom Zürcher Verkehrsverbund (ZVV), der die Verbindung anbietet. Google Maps zeigt solche Verbindungen ebenfalls an. Könnte der Nutzer dort das Ticket gleich mit kaufen, entginge der SBB die Provision. Das ist nur ein mögliches Beispiel von disruptiven Modellen, die auch Industriefirmen herausfordern können.

Auch das Bestehen an den globalen Märkten beschäftigt Schweizer Industriefirmen. «China ist in vielen Bereichen der Markt mit dem grössten Potenzial weltweit», sagt Ernst Bätschi, Verwaltungsratspräsident von Conzetta. «Wer als heutiger Weltmarktführer in diesem stark wachsenden Markt nicht schnell auf einen minimalen Marktanteil von 10 Prozent kommt, wird in einer Dekade seine heute führende Position eingebüsst haben.»

«Digitaler Darwinismus»

Damit die Unternehmen in diesem «digitalen Darwinismus», wie Sulzer-CFO Thomas Dittrich es nennt, bestehen können, müssen sie laut Deloitte globaler agieren. «Schweizer Unternehmen müssen ihre Lokalität abstreifen und sich als Exportfirmen global aufstellen», sagt Schlaepfer. «Das Schweizer KMU mit Zulieferern in 100 Kilometern Umkreis ist nicht länger überlebensfähig. Das Unternehmen muss da sein, wo der Kunde ist, mit Preisen die lokal bestehen können.»

Dafür wieder sind Investitionen nötig – um das «lebenslange Lernen» der Mitarbeiter zu finanzieren und die technologische Ausstattung. Nicht umsonst wachsen die IT-Budgets bei Unternehmen seit Jahren stark. Auch Weiterbildung kostet. Die Herausforderung, das bestätigen viele Industrieunternehmer, ist gross. Es geht eben um die Champions League.

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