War es zu schön, um wahr zu sein? Als die Initianten von Cargo sous terrain (CST) ihr Megaprojekt 2016 erstmals vorstellen, ist die Politik begeistert. Eine Revolution des Güterverkehrs mit einem Tunnel, der vom Genfersee an den Bodensee reicht – und das Land unterirdisch mit Waren versorgt. Und: Das neue Logistiksystem soll Bund und Kantone keinen einzigen Rappen kosten, weil es komplett privat finanziert wird.
Zu den Hauptaktionären gehören Coop, Helvetia, Migros, Mobiliar, Post, Swisscom, Vaudoise und die ZKB. Sie investieren zusammen 100 Millionen Franken. Das Versprechen: CST soll vollständig mit erneuerbaren Energien betrieben werden, den Schwerverkehr auf den Nationalstrassen um bis zu 40 Prozent reduzieren und eine «effiziente Feinverteilung in den Städten» bieten.
Acht Jahre später hat die Stimmung gedreht: Bei CST gehts laut «Handelszeitung»-Informationen drunter und drüber. Die Geschäftsleitung gibts nicht mehr, der Chef ist weg und mehrere Mitarbeitende sind entlassen worden. «Inside Paradeplatz» berichtet am Donnerstagmorgen zuerst über das Drama, das sich rund um das Schweizer Megaprojekt abspielt. Die Rede ist von der «halben Mannschaft», die entlassen worden ist. Das wären rund 20 Mitarbeitende.
Chef weg: Was steckt hinter den Entlassungen
Eine Sprecherin des Unternehmens dementiert dies gegenüber «Handelszeitung»: «Die Zahl bewegt sich im einstelligen Bereich.» Sie bestätigt dafür die «Handelszeitung»-Informationen – die Geschäftsleitung wurde aufgelöst. Dies habe mit einer «Anpassung der Leitungsstruktur der Firma» zu tun. CST soll dadurch «effizienter und wettbewerbsfähiger» gemacht werden.
Auch CEO Peter Sutterlüti (75), ehemaliger Post-Spitzenmanager, zieht sich zurück und ist nur noch im Verwaltungsrat. Das Unternehmen vermeldete dies am Mittwoch auf der eigenen Website. Pikant: Ein Nachfolger wird nicht präsentiert – CST ist derzeit führungslos. «Der Rückzug von Peter Sutterlüti aus dem operativen Geschäft war schon länger geplant und wäre früher vorgesehen gewesen. Verdankenswerterweise hat er sich bereiterklärt, als CEO zu fungieren, bis das Projekt den Reifegrad der Sachplananhörung erreicht hatte», sagt die Unternehmenssprecherin.
Doch warum kommt es zu dieser Neuausrichtung bei CST? Die Firma spricht gegenüber «Handelszeitung» von einer «Überarbeitung der Planung». Der Personalbestand sei auf die Erarbeitung und Einreichung der Genehmigungsunterlagen bis 2025 ausgerichtet gewesen. Weil dieses Ziel verfehlt wird, mussten Mitarbeitende entlassen werden.
«Das wird nie rentabel sein»
Konkret: Die Umsetzung der revolutionären Idee von CST fiel bei den Kantonen durch. Sowohl in Zürich, Aargau und Solothurn wurden im Frühjahr 2024 die Pläne geprüft. Die Meinung: Funktioniert so nicht. Von Industriefirmen, Händlern und Logistikern gab es bereits im April Kritik. «Das wird nie rentabel sein», sagte ein hochrangiger SBB-Manager damals zu «Handelszeitung». Er weist darauf hin, dass ein gewöhnlicher Tunnel jährliche Folgekosten von rund vier Prozent mit sich bringe. Bei geplanten Investitionskosten von mehr als 30 Milliarden Franken habe ein unterirdischer Güterverkehr deshalb keine Chance, konkurrenzfähig zu sein. «Strasse und Schiene werden immer günstiger bleiben.»
Übrigens: Auch die SBB waren zu Beginn an Bord, haben sich aber bereits im Herbst 2022 verabschiedet. Offiziell, weil man sich auf den Kernauftrag konzentrieren wollte. Laut «Handelszeitung»-Informationen überlegt sich mittlerweile die Post – einer der Hauptaktionäre von CST – abzuspringen.
Zeitplan verzögert sich – ist es das Ende?
Zurück zum Knall bei Cargo sous terrain: Bis 2031 sollte der erste unterirdische Transport-Tunnel eröffnet werden – vom Cargo-Drehkreuz Härkingen in die Stadt Zürich. Daraus wird nun nichts, wie CST eingesteht. «Es ist klar, dass der Zeitplan mit der definitiven Einreichung der Genehmigungsunterlagen im Jahr 2025 so nicht Bestand haben wird. Wie der neue Zeitplan für Bau und Betrieb der ersten Teilstrecke aussieht, wird CST kommunizieren, wenn der Projektreview durchgeführt und mit den Behörden abgeglichen ist», heisst es.
Springen weitere Aktionäre ab, droht dem Megaprojekt das Ende. Die Verzögerungen dürften der Post, Migros und Co. nicht gefallen. Die CST-Sprecherin sagt dazu: «Wir sind im Kontakt mit dem Aktionariat. Es ist im Sinne aller Beteiligten, wenn sich die Planung von CST auf die heutigen Gegebenheiten einstellt und die eingebrachten Mittel möglichst effizient eingesetzt werden.»