Die Hersteller von Schweizer Uhren sehen nach dem Horrorjahr 2020 Licht am Ende des Tunnels. Vor allem teurere Zeitmesser werden in China oder in den USA gut verkauft. In Europa warten die Händler noch auf die Rückkehr der Touristen aus Asien.
Der Blick zurück auf den Frühling 2020 dürfte die Chefs der Schweizer Uhrenfirmen immer noch schmerzen. In den Lockdown-Monaten April und Mai ging praktisch nichts mehr: Der wichtige internationale Tourismus brach weg, Shops mussten schliessen und die Fabriken wurden während Wochen stillgelegt.
Das Jahr 2020 sei für die Hersteller und Zulieferer ein äusserst schwieriges gewesen, sagte Jean-Daniel Pasche, Präsident des Schweizerischen Uhrenverbands (FH), im Gespräch mit AWP. Auch wenn sich die Lage ab dem Sommer entspannt habe, seien die Exporte am Ende um über ein Fünftel auf 17 Milliarden Franken geschrumpft.
Der Einbruch war laut Pasche vergleichbar mit jenem 2009. Damals strapazierten die Sorgen vor einem Kollaps der Weltwirtschaft im Zuge der Finanzkrise die Kauflust der Konsumenten.
«Die Erholung kommt schneller voran als erwartet»
Doch nun stehen die Zeichen auf Erholung und die Uhrenverkäufe steuern auf das Vorkrisenniveau zu. In den ersten fünf Monaten 2021 wurden Schweizer Uhren im Wert von 8,7 Milliarden Franken ins Ausland verschifft. Das sind nur noch 3 Prozent weniger als vor zwei Jahren.
«Die Erholung kommt schneller voran als erwartet», sagte Pasche. Er rechnet damit, dass die Exporte im 2022 wieder auf dem Vor-Corona-Level liegen werden.
Trotz wachsendem Optimismus bleibt der Unsicherheitsfaktor Corona. Die Ausbreitung der Delta-Variante könnte die Weltwirtschaft erneut erschüttern und die Luxusgüterindustrie zurückwerfen. Und bis asiatische Touristen in die Shopping-Meilen von Paris, London oder New York zurückkehren, dürfte es noch länger dauern.
Chinesen sind der wichtigste Treiber
Denn chinesische Kunden sind und bleiben der wichtigste Treiber im Geschäft mit Luxusgütern. Seit sie vor Jahren auf den Geschmack gekommen sind, boomen die Verkäufe von teurer Mode, Schmuck oder Uhren. Während der Coronakrise haben Chinesen Luxusprodukte fast ausschliesslich im eigenen Land gekauft und für Schweizer Uhren ist das bevölkerungsreichste Land der Welt zum grössten Exportmarkt aufgestiegen.
In China drängen immer mehr junge Käufer auf den Luxusgütermarkt. Der Konsumhunger der «Millennials» und aus der «Generation Z» sei ungebrochen, schrieben die Experten des italienischen Luxusgüterverbands Altagamma im Juni in einer Studie. Sie dürften bereits im Jahr 2025 über die Hälfte am weltweiten Luxusgüterkonsum ausmachen.
Das stelle die Anbieter vor Herausforderungen. Es brauche ein breit gefächertes Vertriebsnetz mit Shops, Onlineverkaufskanälen und Apps. Zudem müsse die Interaktion auf den Sozialen Medien mit News, Werbung zu den Produkten, Livestreams oder der Gaming-Präsenz der Marken optimal gesteuert werden. Und auch die Nachfrage nach Secondhand-Uhren steige.
Nebst China sind die USA der zweite Wachstumsmotor. Impffortschritte und grossangelegte Konjunkturhilfen haben die Konsumlust der Amerikaner wieder angefacht. Aber auch das Geschäft im Mittleren Osten oder in Ländern wie Australien und Russland läuft laut Pasche immer besser. Dagegen komme die Erholung in Europa nur schleppend voran.
Konkurrenz durch Smartwatches und asiatische Uhrenhersteller
Hinweise darauf, wie gut sich die Uhrenbranche aus der «Corona-Umklammerung» befreien kann, liefern in den nächsten Wochen die beiden grossen Gruppen Swatch und Richemont. Swatch wird über die Entwicklung im Halbjahr berichten und dürfte laut UBS-Schätzungen ein Umsatzwachstum von über 50 Prozent ausweisen.
Damit lägen die Verkäufe aber noch immer knapp 15 Prozent unter jenem aus 2019. Swatch ist zwar im boomenden Markt China gut vertreten, doch macht den eher günstigen Uhren von Swatch, Certina oder Tissot seit einiger Zeit die Konkurrenz von Smartwatches und asiatischen Uhrenherstellern zu schaffen.
Das Problem kennt die Genfer Richemont-Gruppe kaum. Sie profitiert von der guten Nachfrage nach Schmuck von Cartier oder nach den exquisiten Uhren von Piaget, Jaeger LeCoultre oder IWC. Zudem haben die Genfer zuletzt viel Geld in den Ausbau der Onlinekanäle gesteckt. Das macht sich in Pandemie-Zeiten bezahlt.
Die UBS rechnet damit, dass Richemont im ersten Quartal 2020/21 mit knapp einem Fünftel gewachsen ist. Die Zahlen dazu liefert der Konzern am 16. Juli.
(awp/gku)