Die Schweizer Uhrenindustrie leidet unter einem massiven Nachfrageeinbruch. Noch vor Kurzem stürzten sich die Konsumentinnen und Konsumenten auf die Luxusuhren aus hiesiger Produktion. Doch mittlerweile hat sich die Situation drastisch geändert. Vor allem im wichtigsten Markt China werden die Ausgaben für teure Zeitmesser überdenkt oder aufgeschoben. Das setzt die ganze hiesige Branche unter Druck. 

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Neue Zahlen der beiden grössten börsennotierten Schweizer Uhrenkonzerne Richemont und Swatch bestätigten diese Woche einen von China ausgehenden Rückgang, der auch Luxusmodemarken wie Burberry, Hugo Boss und Gucci in Mitleidenschaft gezogen hat.

Der zweistellige Umsatzrückgang, der sich in den jüngsten Ergebnissen widerspiegelt, stellt eine verblüffende Kehrtwende für eine Branche dar, die während der Pandemie einen beispiellosen Umsatzboom erlebte: Da zahlungskräftige Kunden ihr Geld weniger für Restaurantbesuche oder Reisen ausgaben, investierten sie in teure Zeitmesser.

Die meisten grossen Uhrenmarken reagierten auf den Nachfrageschub mit Preiserhöhungen, einige davon im zweistelligen Bereich. Das veranlasste einige Verbraucher und Verbraucherinnen, den Kauf einer neuen Uhr zu überdenken.

Der Umsatz der Richemont-Uhrenmarken, zu denen Vacheron Constantin, Jaeger-Lecoultre und IWC gehören, ging in den drei Monaten bis Juni um 13 Prozent zurück, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. Swatch, zu der auch Omega, Blancpain und Breguet gehören, verzeichnete alleine in China in der ersten Jahreshälfte einen Umsatzeinbruch von 30 Prozent. Der Gesamtumsatz ging um 14 Prozent zurück, und der Betriebsgewinn brach um 70 Prozent ein. Der Aktienkurs der Swatch Group ging am Montag infolge der schlechten Zahlen auf Tauchkurs.

Model Gisele Bündchen bei der Richemont-Marke IWC an der diesjährigen Watches and Wonders in Genf.

Model Gisele Bündchen trägt IWC: Sie besuchte die Richemont-Marke an der diesjährigen Watches and Wonders in Genf.

Quelle: imago/ZUMA Wire

Der Umsatzrückgang und die Produktionskürzungen machen sich in der Schweizer Industrie bemerkbar. Die Zulieferer von Uhrenkomponenten, die während der Hochkonjunktur eilig Personal einstellten und Ausrüstung kauften, sehen sich nun mit verzögerten Aufträgen von grossen Schweizer Marken konfrontiert. Einige Hersteller von Komponenten haben ihr Personal bereits dazu aufgefordert, die Arbeitszeit zu reduzieren oder die Sommerferien zu verlängern.

Es handelt sich um eine für das kleine Land enorm wichtige Branche: Sie beschäftigt mehr als 65’000 Arbeitnehmende und stellt den drittgrössten Exportsektor dar.

Swatch-Chef Nick Hayek sagte diese Woche in einem Interview, dass einige Uhrenmarken seines Unternehmens Bestellungen bei Zulieferern verschoben hätten, während die Produktion zwischen 20 und 30 Prozent gekürzt wurde. Die eigenen Mitarbeiter arbeiteten aber weiterhin normal, so Hayek.

«Einige Marken, die externe Zulieferer haben, haben ihre Bestellungen nach hinten gestellt», so Hayek. «Aber das sind nicht nur wir, das kann ich Ihnen sagen, das ist generell so, überall in der Schweizer Uhrenindustrie».

Die monatlichen Daten für den Schweizer Uhrenexport im Juni, die am Donnerstag veröffentlicht werden, werden die Verlangsamung wahrscheinlich noch verstärken. Nach drei Jahren mit wertmässigen Rekordexporten sind die Grosshandelsexporte in den ersten fünf Monaten des Jahres 2024 um 2,5 Prozent zurückgegangen, so der Verband der Schweizerischen Uhrenindustrie.

China belastet ganzen Luxussektor

Die deutliche Abschwächung der Branche kommt nicht völlig unerwartet, wohl aber ihr Umfang und ihre Tragweite. CEOs und andere Führungskräfte der Branche wiesen auf eine Verlangsamung der Nachfrage in den letzten Monaten des Jahres 2023 hin.

Die Uhrenkäufer in den USA waren die Haupttreiber des Booms, da das Land 2021 China als wichtigstes Zielland für Exporte überholte. Dennoch ist die Position Chinas als zweitgrösster Importeur von Zeitmessern weitgehend für den aktuellen Einbruch verantwortlich. Die Verkäufe in den USA haben sich überraschend gut gehalten. Zudem boomt der Einzelhandel in Japan, da die Touristen vom schwachen Yen profitieren.

Aber das hat nicht ausgereicht, um die Belastung durch China auszugleichen. «Wir sehen kein unmittelbares Ende der Nachfragesorgen in China», sagte Luca Solca, Analyst bei Bernstein, in einem Bericht nach den Ergebnissen der Swatch Group.

Diese Probleme wirken sich auch auf den breiteren Luxussektor aus. Am Dienstag senkte die deutsche Luxusmodemarke Hugo Boss ihre Gewinnprognose für das laufende Jahr und begründete dies mit der schwachen Entwicklung auf Märkten wie China. Die Aktien des Unternehmens stürzten auf den niedrigsten Stand seit 2021.

Markt für gebrauchte Uhren

Der Einbruch beim Verkauf neuer Uhren folgt auf eine dramatische Korrektur auf dem Sekundärmarkt seit dem Höchststand der Preise im Jahr 2022.

Auch diese Schwäche hält an. Die Preise für die meistgehandelten Modelle fielen im zweiten Quartal 2024 um 2,1 Prozent, wie aus einem Bericht von Morgan Stanley und Watchcharts hervorgeht, der in diesem Monat veröffentlicht wurde.

Die Daten von Watchcharts zeigen, dass die Preise für gebrauchte Uhren aller grossen Markengruppen gefallen sind. Die Preise für gebrauchte Uhren des Luxuskonzerns LVMH, zu dem Tag Heuer, Hublot und Zenith gehören, fielen mit einem Minus von 3,6 Prozent am stärksten. Der Index der gebrauchten Rolex-Modelle fiel um 2,2 Prozent.

Die Wertbeständigkeit von Rolex-Uhren auf dem Sekundärmarkt war in den letzten Jahren ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal für die Schweizer Spitzenmarke. Aber selbst das beginnt zu bröckeln. Den Daten von Watchcharts zufolge werden heute nur noch 63 Prozent der Rolex-Modelle auf dem Sekundärmarkt über dem Einzelhandelspreis gehandelt, gegenüber 72 Prozent vor einem Jahr.

«Es ist unwahrscheinlich, dass sich die Preise auf dem Sekundärmarkt in naher Zukunft stabilisieren werden», schreiben die Analysten von Morgan Stanley und verweisen auf den Rückzug der Spekulanten und die sich verschlechternde Wertbeständigkeit vieler Schweizer Uhren.

Morgan Stanley geht davon aus, dass die Uhrenverkäufe auf dem Primärmarkt in diesem Jahr um etwa 5 Prozent zurückgehen werden.

«Angesichts der zunehmend symbiotischen Beziehung zwischen Gebrauchtpreisen und Preisen neuer Uhren», so die Analysten von Morgan Stanley, «verringert der Druck auf den Sekundärmarkt die Preismacht der führenden Schweizer Uhrenmarken.»

(bloomberg/spi/dob)

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