Er hat schon viele Krisen kommen und gehen sehen: Jean-Claude Biver, Uhrenmanager aus der Westschweiz, der in seiner langen Karriere bekannte Marken wie Omega, Blancpain, Hublot, Tag Heuer und Zenith geführt hat. Vor zwei Jahren baute der heute 75-Jährige mit seinem Sohn Maison Biver auf, eine kleine Manufaktur, die in einem alten Bauernhaus zwischen Genfersee und dem Vallée de Joux sündhaft teure Zeitmesser produziert. «Nur 90 Stück pro Jahr», wie er im Gespräch betont.

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Mit seiner Hochpreisstrategie – mehr als 100’000 Franken pro Uhr – folgt Biver einem Trend, den andere Marken bereits vor Jahren eingeschlagen haben. Auch Richard Mille setzt konsequent auf Superluxus und ist sehr erfolgreich damit. Die 1999 gegründete Marke hat es bereits in die Top Ten der umsatzstärksten Uhrenhersteller geschafft. Für die markanten Zeitmesser, die von Rafael Nadal, Charles Leclerc oder der Sprinterin Shelly-Ann Fraser-Pryce getragen werden, muss man rund 200’000 Franken auf den Tisch legen.

Immer teurer und exklusiver

Die enorme Vermögensexplosion in Asien und den USA hat der Uhrenbranche einen schier endlosen Boom beschert. Marken wie Rolex, Patek Philippe oder Audemars Piguet konnten ihre Preise immer weiter nach oben schrauben. Die offiziellen Statistiken zeigen: 2018 betrug der durchschnittliche Wert einer mechanischen Uhr, die in den Export ging, noch 2100 Franken. Heute liegt diese Kennzahl bei 3900 Franken – ein Plus von 88 Prozent.

Immer teurer und exklusiver – das birgt Risiken. «Es besteht die Gefahr, dass das mittlere und tiefere Segment immer kleiner wird. Dort haben wir Probleme», warnt Jean-Claude Biver. Er weiss, dass es ohne eine Industrie, die günstigere Uhren herstellt, nicht geht. «Die Industrie ist wichtig – ohne sie könnten wir auch nicht existieren, weil dann wichtige Teile fehlen: Federn und Zahnräder, die wir in unseren Uhren verbauen.»

Nächste Woche erhalten die teuren Zeitmesser eine grosse Bühne in Genf. An der Messe Watches and Wonders zeigt die Crème de la Crème der Branche ihre jüngsten Preziosen; 60 Aussteller werden vor Ort sein – so viele wie noch nie. Dabei sind Marken des Luxuskonzerns Richemont, zu dem auch Cartier oder Vacheron Constantin gehören, ebenso vertreten wie Rolex oder Patek Philippe.

Mit Abwesenheit glänzt der Swatch-Konzern. Patron Nick Hayek (70) hält nichts von «diesen elitären Messen», wie er vor kurzem dem «Spiegel» offenbarte. Über die schrumpfenden Umsätze und die implodierenden Gewinne seines Konzerns spricht er dagegen nicht so gerne. Auf Fragen zum Swatch-Börsenkurs, der im Vergleich zum Konkurrenten Richemont enorm abgenommen hat, reagiert er allergisch.

Chinaflaute hält an

Niemand kann sagen, wie es im Luxusgeschäft weitergeht. Die Analysten der Bank of America gehen in einer grossen Branchenstudie davon aus, dass sich die Flaute auch in den ersten Monaten dieses Jahres fortgesetzt hat. Das Problem ist der chinesische Markt, der weiterhin sehr anfällig ist und sich im besten Fall nur sehr langsam erholt. Deshalb gehen die Analysten im ersten Quartal von weiter sinkenden Umsätzen der europäischen Luxuskonzerne aus.

Das trifft nicht nur börsenkotierte Uhren- und Schmuckkonzerne wie Swatch und Richemont, sondern auch den weltgrössten Luxuskonzern LVMH, der ebenfalls Schweizer Uhrenmarken im Portfolio hat. Der Louis-Vuitton-Konzern, einst unangefochten das wertvollste Unternehmen Europas, wurde diese Woche vom deutschen Softwareunternehmen SAP überholt.

Jean-Claude Biver kann das alles egal sein. Von der aktuellen Absatzkrise in der Branche spürt er nichts. «Wir sind bis 2029 ausgelastet», sagt der Uhrenmanager.

Dieser Artikel erschien zuerst bei Blick unter dem Titel «Schweizer Uhrenmarken leiden unter China-Flaute».