Es sei Zeit, einen Marschhalt einzulegen und sich Gedanken zur zukünftigen strategischen Ausrichtung der SGL zu machen, erklären Sie im neuesten Geschäftsbericht. Was meinen Sie damit konkret?
Thomas Bögli: Aufgrund der starken Wachstumsstrategie meines Vorgängers hat die SGL in den vergangenen zehn Jahren ihr Dienstleistungsangebot stark ausgebaut und erweitert, nicht zuletzt mit dem Ziel, die Bedeutung der Gesellschaft im gesamten Bereich der Logistik weiter zu festigen. Die SGL hat in dieser Zeit ihren Umsatz verzehnfacht und die Geschäftsstelle beschäftigt heute rund zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber deren zwei bis drei vor zehn Jahren. Der Anteil der Mitgliederbeiträge an der Gesamtrechnung der SGL hat sich auf noch 12% reduziert, ein äusserst tiefer Wert im Vergleich zu anderen Organisationen. Die Zahl der Mitglieder jedoch hat sich in dieser Zeit kaum verändert.Was dieser Wachstumsstrategie allerdings fehlte, war eine klare Vision für die Zukunft, die von allen Verantwortlichen getragen wird.
Will man dies nun ändern?
Bögli: Wir haben im Frühjahr 2003 den Beirat gefragt, wie er die zukünftige Strategie der SGL sieht. Dabei wurden zahlreiche durchaus positive Anmerkungen, aber auch etliche kritische Statements abgegeben. In früheren Jahren waren die Dienstleistungen der SGL weitgehend auf die Bedürfnisse der einzelnen Mitglieder fokussiert. Dies ist heute nicht mehr der Fall, und dies wollen wir ändern.
Wo sehen Sie heute Handlungsbedarf?
Bögli: Die SGL als Kompetenzzentrum für Logistik und Supply Chain Management muss insbesondere die Kommunikation nach aussen verbessern und für ihre Mitglieder transparenter werden. Zudem werden wir vermehrt wieder diejenigen Dienstleistungen anbieten, die unseren Mitgliedern einen konkreten Nutzen bringen. Auch die Bedeutung und das Verständnis der heutigen Logistik müssen in der Öffentlichkeit stärker verankert werden. Dies ist eine besondere Aufgabe der SGL.
Die SGL umfasst zwei wichtige Gremien: Den Vorstand mit acht Mitgliedern und den Beirat, der 27 Personen zählt. Welche Rollen kommen den beiden in Zukunft zu?
Bögli: Der Vorstand übernimmt praktisch die Rolle eines Verwaltungsrates, an den der Geschäftsführer direkt rapportiert. Der Beirat als beratendes Organ rekrutiert sich aus Vertretern der Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Forschung. Er unterstützt die SGL-Geschäftsführung und den Vorstand in strategischen Fragen, hat aber keine Weisungskompetenzen.
Zusätzlich bestehen vier verschiedene Fachbeiräte. Welche Aufgabe haben sie zu erfüllen?
Bögli: Die vier Fachbeiräte sollen ihr fachspezifisches Wissen in den ihnen zugeteilten Bereichen Industrie, Handel, Logismatik und Logistik-Dienstleistungen in die Diskussion einbringen und die Geschäftsführung in ihrer operativen Tätigkeit unterstützen.
Die SGL ist auch Mitglied der European Logistic Association (ELA). Welche Kontakte bestehen auf europäischer Ebene zwischen den Logistik-Organisationen?
Bögli: Bisher hat sich die Mehrzahl der innerhalb der SGL ausgearbeiteten Empfehlungen und Normen auf schweizerische Verhältnisse bezogen. Im Rahmen unseres neuen Leitbildes wollen wir auch die internationale Ausrichtung der SGL verstärken und ausbauen.
Die Mitarbeit in den einzelnen beratenden Organen innerhalb der SGL beruht weitgehend auf dem Milizsystem. Inwieweit funktioniert dieses noch angesichts der Situation, dass kaum jemand mehr die für solche Tätigkeiten notwendige Zeit erhält?
Bögli: Die Bereitschaft, in den verschiedenen Gremien aktiv mitzuarbeiten, hat in den vergangenen Jahren erheblich nachgelassen, daran besteht kein Zweifel. Wenn es uns jedoch gelingt, den Beteiligten einen unmittelbaren Nutzen aus ihrem Engagement zu ermöglichen, wird auch die Bereitschaft zum Mitmachen wieder besser werden.
Anfang 2002 wurde das Projekt Palettenpool gestartet, welches offenbar nicht auf die Akzeptanz seitens der Wirtschaft stösst, wie man sich dies bei der SGL vorstellte. Woran liegt das?
Bögli: Im Mittelpunkt dieses Projektes steht die Verbesserung der Produktqualität von Paletten sowie deren rationelle Bewirtschaftung, denn die modernen, hochautomatisierten Lager- und Umschlagsysteme verlangen qualitativ hochstehende Paletten. Ausserdem sollen die Amortisationskosten marktgerecht verteilt werden. Die vorgesehene Gründung der Non-Profit-Organisation Palettenpool Schweiz AG konnte bisher aufgrund unterschiedlicher Auffassungen innerhalb der beteiligten Firmen noch nicht erfolgen. Insbesondere die produzierende Indus-trie konnte sich mit diesem Kon-zept nicht zuletzt aus Kostengründen noch nicht anfreunden. Die SGL wird die Entwicklung weiterverfolgen und versuchen, zusammen mit EPAL Schweiz gewisse Regelungen und Empfehlungen neu zu gestalten.
Die SGL vergibt mittlerweile sieben verschiedene Logistik-Preise. Ist das nicht etwas des Guten zu viel?
Bögli: Ob dies des Guten zu viel ist, darüber gehen die Meinungen innerhalb der SGL auseinander. Die Preise sind jedoch klar positioniert und überschneiden sich nicht. Ausserdem soll mit diesen Preisverleihungen ja nicht nur ein bestimmtes Projekt ausgezeichnet, sondern auch das Verständnis der Öffentlichkeit für Logistik intensiviert werden. Mit den vier Innovationspreisen Handel, Industrie, Logistikdienstleister und Logismatik möchten wir herausragende Leistungen im Bereich der gesamten Logistikkette prämieren und auch dazu beitragen, dass logistische Gedanken populärer werden. Aber auch für die Preisträger selber bedeutet die Preisvergabe eine zusätzliche Motivation.
Mit logistischen Fragen befasst sich in der Schweiz eine ganze Reihe verschiedener Organisationen und Verbände. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit der SGL beispielsweise mit Cargo Forum Schweiz, Spedlogswiss, Swiss Shippers Council (SSC) etc.?
Bögli: Die jetzige Geschäftsführung der SGL unterhält eine offene Kommunikation mit den erwähnten Verbänden und wir sind daran, in bestimmten Bereichen gemeinsame Plattformen zu finden.
Wie ist das Verhältnis zur Schweizerischen Vereinigung für die Berufsbildung in der Logistik (SVBL), das ja in der Vergangenheit eher belastet war?
Bögli: Beide Verbände haben ihren speziellen Aufgabenbereich, insofern besteht also kein Potenzial zu einem Konflikt, der in der Vergangenheit weitgehend aufgrund persönlicher Divergenzen entstanden ist. Heute ist der SVBL ein wichtiger Baustein innerhalb des gesamten Ausbildungskonzeptes im Bereich der Logistik.
Die SGL bietet ein umfangreiches Angebot an Ausbildungsmöglichkeiten an. Wird dieses heute noch voll genutzt oder müssen spezielle Kurse angepasst werden?
Bögli: Man muss bei dieser Betrachtung zwischen Lehrgängen und Seminaren unterscheiden. Bildungsangebote, welche mit einem eidgenössisch anerkannten Fachausweis abgeschlossen werden können, sind unverändert stark gefragt. Bei den Seminaren andererseits ist ein Rückgang des Interesses bzw. der Teilnehmerzahlen festzustellen. Dies hat sogar dazu geführt, dass die SGL im laufenden Jahr verschiedene Seminare absagen musste. Wir werden im Ausbildungsbereich unser Produktportfolio überarbeiten und uns in Zukunft auf Lehrgänge fokussieren, welche die gesamtheitlichen Aspekte der Logistik in den Vordergrund stellen.
Die Logistik hat in verschiedenen Unternehmen noch nicht jenen Stellenwert erhalten, der ihr heute aufgrund ihres teilweise noch recht hohen Anteils an den Fertigungs- und Vertriebskosten zukommt. Hier müsste wohl auch die SGL sich verstärkt engagieren...
Bögli: Absolut, wir werden in den kommenden Jahren unser Ausbildungsangebot exakt auch in dieser Richtung intensivieren. Nicht nur das oberste Management, auch die Öffentlichkeit muss verstärkt für logistische Fragen motiviert werden.
Müsste die SGL nicht auch auf politischer Ebene die Bedeutung der Logistik stärker vertreten?
Bögli: Die SGL versteht sich in erster Linie als eine branchenneutra-le Fachorganisation, die nicht unbedingt zu aktuellen politischen Fragen Stellung nehmen muss. Als Mitglied des Cargo Forum Schweiz werden wir jedoch auch in Zukunft zu politischen Problemen insbesondere im Verkehrsbereich Stellung nehmen. Unser Ziel ist es, Logistik und SGL zu einem Synonym zu machen. Wer von Logistik spricht, sollte automatisch an die SGL erinnert werden.
Steckbrief
Name: Thomas Bögli
Jahrgang: 1965
Familie: Verheiratet, zwei Kinder
Wohnort: Thun
Ausbildung: dipl. El.-Ing HTL/Executive MBA
Funktion: Geschäftsführer der Schweizerischen Gesellschaft für Logistik (SGL), Bern.
SGL: Kompetenzzentrum für Logistik
Die Schweizerische Gesellschaft für Logistik (SGL), welche derzeit über 1000 Mitglieder umfasst, versteht sich als Kompetenzzentrum für Logistik und Supply Chain Management. Unter Logistik versteht die SGL die Optimierung von Waren-, Informations- und Wertfluss über die gesamte logistische Kette. Die SGL hat den Lead und die Themenführerschaft aus der Sicht der prozessorientierten Gesamtlogistik und des Supply Chain Management und engagiert sich schweizweit. Die SGL fördert das Logistikverständnis der Öffentlichkeit und verstärkt die Wirkung ihrer Tätigkeiten durch Partnerschaften.
Die Gesellschaft bietet ihren Mitgliedern mit themen- und branchenorientierten Projekt- und Arbeitsgruppen eine Innovations-Plattform sowie ein Wissens-, Kommunikations- und Beziehungsnetzwerk an. Sie nimmt Trends und Entwicklungen auf und verbreitet diese Informationen durch gezielte Weiterbildungsveranstaltungen und Dienstleistungen. (hz)