Wer das Verwaltungsgebäude von Sefar im sankt-gallischen Thal betritt, wähnt sich in einem Museum: Kunstvolle Mosaikböden und geschnitzte Holztreppen führen zum Büro des Geschäftsführers Christoph Tobler. Auch dieser Raum atmet neben den modernen Büromöbeln viel Geschichte. Dass die Firma dieses Jahr ihr 175-Jahr-Jubiläum feiert, erstaunt angesichts des Kachelofens und der Stuckaturdecke nicht. Der Grundstein zur Unternehmung wurde in einem bescheideneren Rahmen gelegt. Im 19. Jahrhundert stellten Heimarbeiter auf Webstühlen in den Kellergeschossen ihrer Appenzeller Häuser Seidengewebe her.

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1830 führte der in Lyon geborene Pierre Antoine Dufour im Auftrag des Zürcher Handelsherrn Heinrich Bodmer die Seidenbeuteltuchweberei in der Schweiz ein. Drei Jahre später gründete er in Thal seine eigene Firma. «Er fand schnell heraus, dass die feuchten Keller und schattigen Hänge des Appenzellerlands ideale klimatische Verhältnisse für die Seidenverarbeitung boten», erklärt Christoph Tobler, dessen Urgrossvater vor 150 Jahren in das Geschäft eingestiegen war. Früh begann die junge Firma, ins Ausland zu expandieren. Es gelang Dufour bereits 1835, Kunden in den USA zu gewinnen. Abnehmer des Spezialgewebes war die Lebensmittelindustrie, allen voran Müllereien.

Maschine im Mittelpunkt

Ihrer expansiven Politik ist Sefar während fast zwei Jahrhunderten treu geblieben. Heute ist die Unternehmung auf vier Kontinenten vertreten und beschäftigt 1700 Mitarbeitende, davon 800 in der Schweiz. Gewoben wird vorwiegend in der Ostschweiz, daneben aber auch in Frankreich und in Thailand. Und doch gehört der Ostschweizer Textilhersteller nicht zu den bekanntesten schweizerischen Firmen. Dies mag damit zu tun haben, dass Sefar lediglich 2% des Umsatzes in der Schweiz erwirtschaftet. Möglich auch, dass die Namen der früheren Firmen, «Schweizerische Seidengazefabrik AG Thal» und «Zürcher Beuteltuchfabrik AG», noch eher bekannt sind. Erst seit 1995 tritt die Firma als Sefar im Markt auf.

Vieles hat sich seit den Anfängen verändert: Im 20. Jahrhundert löste die industrielle Weberei die Handweberei ab, und in den 50er Jahren begannen synthetische Fasern das Rohmaterial Seide zu verdrängen. Ein Besuch in den Fabrikatonshallen in Thal und Heiden zeigt, dass in der Produktion heute längst nicht mehr der Mensch, sondern die Maschine im Mittelpunkt steht. In den von Maschinenlärm erfüllten Hallen stehen höchstens zwei, drei Arbeitende, um die computergesteuerten Webmaschinen zu überwachen.

Die hier gefertigten Präzisionsgewebe sind mit 150 Fäden pro Zentimeter derart dicht gewoben, dass pro Stunde nur ein Meter produziert werden kann. Die 27 Mikrometer dünnen Fäden sind halb so dünn wie ein Haar. Der Längsfaden, die Kette, wie sie in der Fachsprache genannt wird, ist 6 km lang. Bis 6000 m Gewebe fertig sind, vergehen sechs Monate. In weitläufigen Hallen werden die Ketten in aufwendiger Handarbeit für die Webmaschinen vorbereitet: Wie feinste Fäden eines Spinnennetzes werden sie nebeneinander aufgereiht.

Das Gewebe, das sich wie eine dünne Plastikfolie anfühlt, ist viel dichter, als es bei Stoffen für Mode- und andere Gebrauchstextilien der Fall ist. «Die Industrie verlangt nach ganz präzis gearbeiteten Geweben», erklärt Christoph Tobler. Diese Regelmässigkeit und damit höchste Qualität ist für Anwendungen im Siebdruck und der Filtration notwendig. Diese zwei Segmente teilen sich den Umsatz von Sefar zu je 50%.

Die Unternehmung hat sich weltweit nicht nur mit der reinen Produktion einen Namen gemacht. Vielmehr hat sich Sefar mit der Veredelung und der Weiterverarbeitung der Gewebe einen Nischenmarkt geschaffen.

In den Produktionsstätten der Division Filtration im benachbarten Ort Heiden entwickeln Produktedesigner gemeinsam mit den Kunden Endanwendungsteile für die Industrie oder für die Medizin. In oft aufwendiger Handarbeit werden diese Teile hergestellt und die Gewebe veredelt. In der Abteilung Druck fertigt Sefar auf Kundenwunsch Schablonen für den Siebdruck an, zum Beispiel für den Druck von CD oder Keramikplatten. Nach Bedarf werden diese Druckschablonen im Auftrag des Kunden bereits belichtet an die Druckerei geliefert.

Höchste Präzision für die Medtech- und Handybranche

In der Abteilung Filtration erhält das Gewebe für medizinische Filter beispielsweise eine passende Oberflächenbehandlung. Oder die Gewebe werden zu folgenden Produkten weiterverarbeitet: Zu Trocknungs- und Förderbändern für die Teigwarenproduktion oder sackartigen, überdimensionierten Filtern, wie sie für die Herstellung von Medikamenten gebraucht werden. Weitere Anwendungen sind Filter für Wasserenthärter, Blut- oder Dialysefilter für die Medizin oder selbstklebende Filterkomponenten, um Zischlaute bei Mobiltelefonen auszufiltern.

Firmenkultur nicht auslagern

Von der aktuellen Wirtschaftslage sind diese Nischenprodukte nur teilweise tangiert. Gemäss Christoph Tobler ist die Division Druck mit ihren Kunden in der Werbebranche stärkeren Schwankungen unterworfen als die relativ resistenten Marktfelder Pharma- und Nahrungsmittelindustrie. «Wachstum haben wir in letzter Zeit vorwiegend in neuen Märkten, wie beispielsweise in Asien, erzielt. Dabei ist lokaler Kundenkontakt je länger, je wichtiger, um Probleme effizienter zu lösen», so Tobler, der mehrere Wochen im Jahr geschäftlich auf Reisen ist.

Vor Ort sein bedeutet für Sefar auch, Fertigungsstätten ins Ausland zu verlegen. Diese Unternehmenspolitik hat im Jahr 2004 zu neuen Frontorganisationen in Frankreich und neuen Fertigungsstätten in China, Australien, Neuseeland und Mexiko geführt. Um sich im Markt breiter abzustützen, scheut Sefar nicht davor zurück, lokale Vertriebsorganisationen aufzukaufen. Die Entwicklungs- und Forschungsabteilung ist im sankt-gallischen Thal geblieben. Daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.

Eine umfassende Verlegung der Produktion ins Ausland kommt für Christoph Tobler ebenfalls nicht infrage: «Wir wollen am Werkplatz Schweiz festhalten. Das hat nichts mit Heimatschutz zu tun. Ich bin aber davon überzeugt, dass man eine Firmenkultur, und von dieser lebt Sefar, nicht ins Ausland verlagern kann.» Nicht ausschliessen will Tobler in Zukunft, in einzelnen Fällen günstigere Gewebe direkt in Asien zu kaufen, um auch auf dem asiatischen Markt gezielt in unteren Segmenten marktfähig zu bleiben.



Firmen-Profil

Name: Sefar Holding AG

Gründung: 1830

Geschäftsleitung: CEO Christoph Tobler

Umsatz: 300 Mio Fr.

Beschäftigte: 800 (Schweiz), 1700 (weltweit)

Produkte: Präzisionsgewebe für technische Anwendungen des Separierens, Beschichtens und Dosierens

Kunden: Produzierende Industrie von Medizintechnik, Pharma, Nahrungsmittel über Siebdruck bis zur Minenindustrie

Internet: www.sefar.ch