Heute fressen nicht die Grossen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen»: Georges Kern will zu den Schnellen gehören. Der mit 37 Jahren für einen CEO noch fast jugendliche Deutsch-Franzose strahlt Betriebsamkeit aus. Aufs Jackett hat er verzichtet, gerade so, als stünde er kurz davor, die Ärmel des modisch karierten Hemdes hochzukrempeln. Obwohl schon seit Anfang Januar 2002 bei IWC, residiert er noch im vom Vorgänger gestalteten Büro. Er winkt ab: «Das Einrichten kann warten, derzeit habe ich Wichtigeres zu tun.»

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Viel hat man sich vorgenommen beim Luxusgüterkonzern Richemont, der im vergangenen Jahr gleich die ganze LMH-Gruppe, zu der neben IWC auch die Uhrenhersteller Jaeger-LeCoultre und A. Lange & Söhne gehören, gekauft hat. Kern soll ausführende Kraft sein, er soll die Marke vom regionalen Topprodukt zum international bekannten Luxuslabel machen. Sein nicht gerade geringer Anspruch: «IWC soll zu einer Weltmarke werden.» Kern, mit fröhlichen Grübchen im runden Gesicht, ist voller Tatendrang. «Was für ein enormes Potenzial diese Marke hat», schwärmt er in akkuratestem Hochdeutsch.

Der Eigenvertrieb wird stark gepusht

Tatsächlich konnte sich Richemont mit dem Kauf von IWC ein wahres Juwel einverleiben, finanziell durch und durch gesund, eine qualitativ hochwertige Marke mit einem hohen Bekanntheitswert was will man mehr. Georges Kern ist begeistert von dem, was man ihm angeboten hat, «eine Traummarke, etwas Besseres gibt es nicht». In den Heimmärkten Schweiz, Deutschland und Italien habe die IWC ein Super-Image, ein «Fundament aus Beton».

Die Marke nun zu internationalisieren, scheint im Verbund mit Richemont auf der Hand zu liegen. Denn dort existiert all das, was IWC bislang fehlte, vorneweg ein bestehender Vertriebsweg, in den sich IWC rasch einbetten kann. Kern: «Wir werden innerhalb von einem Jahr von etwa 20% Eigenvertrieb auf 80% gehen, das ist enorm.» Angepasst werden sollen auch das Controlling, der Einkauf und das ganze Supply Chain Management. Alles in allem soll die IWC von der einfachen Manufaktur hin zum integriert strukturierten Industriebetrieb mutieren.

Davon, dass damit ein Stück Exklusivität, die Aura von Handwerkskunst verloren gehen könnte, mag Kern nichts hören. Er redet sich in Eifer, erklärt sein Konzept, nicht zum ersten Mal. Weltweit vertreten sein heisse nicht ein quantitativer Zuwachs. Andere Luxusmarken, er nennt Hermes, seien schliesslich Global Players und trotzdem äusserst exklusiv. «IWC soll ein Nischenprodukt bleiben», sagt er mit Nachdruck, es habe weder die Kapazität noch die Werke, um grosse Mengen zu produzieren. Und die auf Ende Jahr geplante neue Fabrik sei einfach eine nötige Investition in die Zukunft, «wir müssen die Produktionswege optimieren».

Mit Boris Becker für Tag Heuer um die Welt

Kern weiss, wovon er spricht. Der studierte Betriebswirtschaftler war zunächst Produktmanager bei Kraft Jacob Suchard, bevor er 1992 zu Tag Heuer wechselte. Eine Marke, die damals aus dem Nichts kam. Kern hat geholfen sie aufzubauen, zeichnete mitverantwortlich für die spektakuläre Werbekampagne, bei der Spitzensportler wie Boris Becker, Jan Ullrich oder Franziska van Almsick mitmachten. Eine «irrsinnig lehrreiche Zeit», sagt er, «vor allem was das professionelle Marketing betrifft». Mit leuchtenden Augen erzählt er von den Begegnungen mit den Sportlern, von Boris Becker, mit dem er um die halbe Welt reiste. Jung war er damals und hatte die einmalige Chance, einzutauchen in eine völlig fremde Welt.

Behalten hat er neben den schönen Erinnerungen auch den Führungsstil: Kern hat stets offene Türen, möchte von seinen Mitarbeitern direkt kontaktiert werden und hat keine Berührungsängste, wenn es darum geht, bei Details mitanzupacken: «Ich weiss von der Pike auf, wie es funktioniert, ich kann auch einen Katalog produzieren.» 2000 wechselte er zu Richemont, wo er nach der Übernahme der drei in der LMH verbundenen Manufakturen Jaeger-LeCoultre, IWC, A.Lange & Söhne an der Seite von Günter Blümlein die Distribution aller Marken der Richemont Haute Horlogerie (RHH) übernahm.

Die Freude am Umgang mit den schönen Dingen des Lebens hat er sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen. Sein Vater, René Kern, ein Franzose aus dem Elsass, war einer der gefeiertsten Juweliere Europas, dessen prachtvolle Schmuckstücke von gekrönten und ungekrönten Häuptern aus aller Welt gekauft wurden. Doch beim Sohn sucht man vergebens nach Gold und Schmuckgehänge am Handgelenk oder Finger. Er schüttelt den Kopf, hält den Arm in die Höhe und zeigt auf seine IWC, «die Uhr ist der einzige Schmuck des Mannes».

Luxus verkaufen, aber Bescheiden bleiben

Überhaupt obwohl er luxuriöse Dinge zu verkaufen liebt, gibt er sich bescheiden: «Es ist noch gar nicht so lange her, da war ich Student.» Statussymbole wie etwa ein Chauffeur interessieren ihn nicht und «die Schränke baue ich noch immer selbst auf». Falls er überhaupt Zeit dazu findet, denn die Arbeit mit den Zeitmessern frisst auch seine Freizeit und das, was übrig bleibt, gehört der Familie, seiner Frau, einer Dolmetscherin, und den zwei Kindern. Gesprochen wird bei Kerns deutsch und französisch. Die Tatsache, dass er zweisprachig aufgewachsen ist, erleichtert auch den Job in der Uhrenindustrie.

Genug Vita, Kern schlägt noch einen Rundgang vor. Stolz präsentiert er die neu ausgebaute Marketing-Abteilung unterm Dach des Werkes. Moderne Glasfluchten, alles licht und offen. In diesem Stil soll auch das neue Werk, gleich nebenan, gebaut werden. Der junge CEO möchte den Betrieb zu einer guten Mischung aus traditioneller Uhrmacherkunst und modernem Management bringen.

Die Mitarbeiter mit ideen Überzeugt

Verblüfft hat ihn indes, wie sehr Schaffhausen beziehungsweise die ganze Deutschschweiz und die IWC emotional verbunden sind: «Ich habe das anfänglich unterschätzt.» Doch die Unsicherheit der ersten Monate nach dem Kauf durch Richemont und Managementwechsel ist gewichen, Kern konnte die Mitarbeiter von seinen Ideen überzeugen. Nicht zuletzt deswegen, weil sich Richemont dafür entschied, die IWC in Schaffhausen auszubauen und in die Marke zu investieren.

Und Kern, der Fremde, ist mittlerweile in Schaffhausen kein Unbekannter mehr. Ein bubenhaftes Grinsen huscht über sein Gesicht. «Ich habe mit zwei weiteren Kollegen am Schaffhauser Triathlon teilgenommen.» Und? «Wir wurden in unserer Kategorie vorletzte.» Warum? «Was mir keiner sagte, dass dort nur Profis oder durchtrainierte Halbprofis mitmachen und wir als Laien.» Jetzt lacht er, «das muss sich ändern, ab sofort wird trainiert, diese Peinlichkeit wollen wir uns im nächsten Jahr ersparen». Sein Ziel: Wie im Berufsleben ganz einfach schneller werden.