Obwohl auch die letzten Umfragen diese Woche den Nein-Trend bestätigen, ist die Nervosität in der Wirtschaft zur Selbstbestimmungs-Initiative hoch. Besonders für den Dachverband Economiesuisse wäre eine Annahme ein Desaster – aus allen Kanonen feuert er gegen das Anliegen und wird dabei sogar vom SVP-nahen Gewerbeverband unterstützt.
Praktisch alle Wirtschaftsvertreter stimmen geschlossen für ein Nein – bis auf einen natürlich: Swiss-Life-Präsident Rolf Dörig, der sich im Economiesuisse-Vorstandsauschuss als SVP-U-Boot etabliert hat, schert mal wieder aus. Offen wirbt er seit letztem Wochenende für die Initiative – und behauptet dennoch treuherzig, es gehe «nicht um Parteipolitik.» Nun ja.
SBI ist SVP-Juristenfutter
Was man der SVP lassen muss: Es ist ihr einmal mehr meisterhaft gelungen, eine juristische Spitzfindigkeit zur grossen Schicksalsfrage der Nation aufzublasen. Vor sechs Jahren stoppten fünf Bundesrichter die Ausschaffung eines kriminellen Ausländers und hielten nebenbei fest, dass im Konfliktfall die Europäische Menschenrechtskonvention über der Bundesverfassung stehe. Massendemonstrationen wurden damals nicht gesichtet. Doch die SVP findet in dem Juristenfutter Munition für die ganz grosse Schlacht: Der EU-Beitritt steht bevor! Die direkte Demokratie ist am Ende! Die Steuern steigen!
Die Rechtssicherheit sei bei einer Annahme gefährdet, schiesst Economiesuisse zurück, und hält fest, dass 5000 Verträge und 600 Wirtschaftsabkommen bei einer Annahme nicht mehr gesichert seien – was dann auch etwas arg alarmistisch klingt. Fakt ist: Der direkten Demokratie geht es so blendend, dass wir nächsten Sonntag sogar auch über die Hornkuh-Initiative abstimmen dürfen.
Politische Prozess lebt vom steten Ringen
Ein EU-Beitritt ist zum Glück nirgends ein wirkliches Thema. Und die ganz reine Lehre verkörpert auch die SVP nicht: Das Völkerrecht soll laut Initiative weiter über der Bundesverfassung stehen. Der politische Prozess lebt vom steten Ringen der verschiedenen Interessensgruppen. Er ist bei unseren verantwortlichen Instanzen in besten Händen: Die Entscheidungsfindung zwischen Bundesrat, Parlament und dem Volk hat sich bewährt. Das müssen wir nicht unnötig aufs Spiel setzen.
Die Wirtschaft braucht Klarheit und keine Rechtsunsicherheit. Eine «Mogelpackung» nennt die NZZ die Initiative. Wie wahr.