Vor drei Monaten hat Markus Hellmüller seine Apotheke, die er in den letzten 20 Jahren in Hitzkirch LU geführt hatte, verkauft. «Eigentlich hätte ich schon länger einen Schlussstrich ziehen sollen», sagt er. Aber das Geschäft verkörperte Familientradition. Schon Hellmüllers Vater handelte im selben Haus über Jahrzehnte. Markus Hellmüller verfügt aber über ein weiteres Standbein, mit dem er die unrentable Apotheke in Hitzkirch quersubventionierte. Vor acht Jahren nämlich erwarb er sich eine zweite Apotheke in Dottikon AG. Diese läuft bestens, und entsprechend will sich Hellmüller in Zukunft nur noch auf diesen Laden konzentrieren.

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Obwohl kaum 20 km Luftlinie zwischen Dottikon und Hitzkirch liegen, sind die Rahmenbedingungen völlig unterschiedlich. Der Kanton Luzern hat im Gegensatz zum Aargau das System der Selbstdispensation (SD): Die Ärzte verschreiben und verkaufen die Medikamente selber. Mehr als vier Fünftel der Heilmittel gehen so über den Ärztekanal, während den Apothekern kaum noch ein Fünftel des Kuchens bleibt. Im Kanton Aargau, der keine SD kennt, sind die Zahlen genau umgekehrt. Das unterschiedliche System wirkt sich auch auf die Apothekendichte aus. Im Kanton Aargau trifft es auf 4000 Einwohner eine Apotheke, in Luzern auf 12000 Einwohner. Hellmüller hatte in Hitzkirch zwei Arztpraxen als heftige Konkurrenten. Ganz anders in Dottikon, wo der Apotheker mit den Ärzten eng zusammenarbeitet. Naheliegend, dass er für die SD kein Verständnis hat. «Für die Apotheker geht es bei den Medikamenten um die Existenz, während diese für die Ärzte ein Zusatzeinkommen bedeuten.»

Nicht nur aus persönlichen Interessen ist er gegen die SD. Es sei grundsätzlich ein falsches Prinzip, das höhere Gesundheitskosten verursache, argumentiert er. «Wer verschreibt, soll nicht verkaufen», erinnert Marcel Mesnil, Generalsekretär des Schweizerischen Apothekerverbandes, an eine Formel, die weltweit gilt.

In der Schweiz hingegen wird die SD je nach Kanton unterschiedlich gehandhabt: In der Romandie sowie im Tessin, in Aargau und Baselstadt ist sie verboten, in den meisten Deutschschweizer Kantonen (BL, SO, TG, LU, AI, AR, SG, SZ, NW, OW, ZG, GL UR) aber zugelassen. In einzelnen Kantonen (BE, GR, SH) gibt es Mischsysteme.

Streit auf politischer Ebene

Über Änderungen wird politisch jeweils erbittert gestritten. Dabei gibt es unterschiedliche Entwicklungen.

In Zürich hat der Regierungsrat auf den 1. Juli die SD auch in den Städten Zürich und Winterthur zugelassen. Bisher war in Zürich die SD-Erlaubnis von der Distanz der Arztpraxis zur nächsten Apotheke abhängig, in den Städten folglich eingeschränkt. Von der neuen Verordnung könnten jetzt 1900 Ärzte profitieren. Keine Freude hat der Apothekerverband, der rund ein Drittel der 219 Apotheken im Kanton in seiner Existenz bedroht sieht und mit einer Beschwerde bis vors Bundesgericht gehen will. Den umgekehrten Weg beschreitet Baselland. Hier sollen die Ärzte künftig nur noch in Gemeinden, in denen es keine Apotheke gibt, Medikamente verkaufen können.

Klar ist, dass bei der Frage der Selbstdispensation zwischen Ärzten und Apothekern erbittert um Pfründen gekämpft wird. Ärzte betrachten die Margen aus der SD als legitimen Teil ihres Einkommens. Die Apotheker ihrerseits kritisieren die SD als volkswirtschaftlich teurere Lösung. «Günstiger ist es, wenn die rezeptierenden Ärzte und die Apotheker kooperieren; dann können pro Arztpraxis jährlich bis 50000 Fr. an Medikamentenkosten eingespart werden», glaubt Mesnil.

Genaue Zahlen, welcher Kanal mehr Kosten verursacht, liefert ein von den Versicherungsexperten Konstantin Beck, Ute Kunze und vom Gesundheitsökonomen Willy Oggier verfasste Studie. Laut dieser sind die Medikamentenkosten pro Einwohner in Selbstdispensations-Kantonen um 243 Fr. höher als in Kantonen, in denen Ärzte nur Rezepte verschreiben.

So eindeutig die Zahlen anmuten, so heftig werden sie von den Ärzten angefeindet, zumal sie auf einem komplizierten Berechnungsmodell beruhen, das Faktoren wie Bevölkerungsstruktur, Ärzte-, Apotheken- und Spitälerdichte einbezieht. Für Oggier ist klar, warum die SD teurer ist. «Weil der Arzt hier das Medikament selber bestimmen kann, wählt er tendenziell jenes Präparat, das für ihn ökonomisch am vorteilhaftesten ist.»

Strukturbereinigung: Viele Apotheken verschwinden

Seit 1990 wurden in der Schweiz 110 neue Apotheken eröffnet. Die Zahl der Ärzte, die auch Pillen verkaufen, stieg um 731. Diese Ärzte steigerten seit 1990 ihren Umsatz um 216%, die Apotheker um 105%. Ein Arzt mit Patientenapotheke verkauft heute im Schnitt jährlich für 350000 Fr. Medikamente und kann dabei mit einer Marge von 40% rechnen.

Dass sich die Apotheker zusehends in der Defensive sehen, liegt auch an neuer Konkurrenz aus den eigenen Reihen durch die Versandapotheken. Die Branche kämpft seit längerem mit Überkapazitäten. Per Ende 2003 zählte man 1662 Apotheken; das waren nur 15 weniger als im Jahre 2000. Laut dem Schweizerischen Apothekerverband kommen 300 bis 400 Apotheker nicht auf den wirtschaftlich notwendigen Umsatz. Der Durchschnittslohn inklusive Versicherungen und Sozialleistungen liegt bei 169000 Fr. Es wird deshalb mit einer starken Strukturbereinigung gerechnet. (ps)