Jon Christoph Berndt geht ohne seine Silberbrosche nie ins Büro oder zu Kunden. Auf dem Veston-Anstecker prangt ein «R» im Kreis, das Symbol für die Marke, die Registered Trademark. Als genau das sieht sich der Münchner Managementtrainer: «Ich bin eine Menschen-Marke. Dafür habe ich meinen Namen beim Deutschen Patent- und Markenamt schützen lassen.»

Wer im Leben weiterkommen wolle, sagt Berndt, «muss sich in der Menge ein Gesicht verschaffen, muss sich fragen: Welches ist meine einzigartige Leistung für meine Zielgruppe?» Antworten und Anleitungen dazu gibt der Gründer und Geschäftsführer der Agentur Brandamazing oft auch in der Schweiz, wo er seinen Zuhörern an Seminaren, etwa am Zentrum für Unternehmensführung (ZfU) in Thalwil ZH, zu mehr Mut bei der Arbeit am eigenen Markenkern verhilft. Im Mittelpunkt steht dabei eine elementare Frage: «Was haben die anderen davon, dass es mich gibt?»

Partner-Inhalte
 
 
 
 
 
 

Ego-Marketing, kecker Auftritt, Arbeit am eigenen Brand – für den seriösen Schweizer Schaffer sind das schrille Töne. Und doch: In der Kampfzone Büro ist Selbstvermarktung Realität. Jeder kennt den Typus des Draufgängers, der ungeachtet seiner Leistung reüssiert. Oder den schüchternen, stillen Schaffer, der trotz einwandfreier Arbeit unbeachtet bleibt. Kommt dazu: In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit wird der persönliche Marketing-Mix wichtiger. Im durchgerüttelten Bankensektor wird ab- und umgebaut, der Konsummotor stottert, Chefs nehmen die Spar-Sense zur Hand. Im jüngsten CS-Sorgenbarometer schnellte die Angst vor einem Konjunktureinbruch auf Platz drei hoch.

Wenn der eigene Job in Umbruch zu geraten droht, bricht Aktivismus aus. Das ist für Petra Wüst vom Basler Beratungsunternehmen Wüst Consulting ein Grund, weshalb ihr Rat derzeit stärker gefragt ist denn je. Wüst hat sich in den letzten acht Jahren einen Namen gemacht als Expertin für Selbstvermarktung. Sie ist Autorin mehrerer Bücher zum Thema, berät Führungskräfte, Doktoranden, Politiker und sogar Pfarrer, zeigt ihnen auf, wie sie zur unverwechselbaren Marke werden und sich damit im Arbeitsleben unentbehrlich machen. Für Petra Wüst ist klar: «Jeder kann sich ein Markenprofil aneignen. Voraussetzung dafür ist, dass er bereit ist, intensiv über sich und seine Stärken nachzudenken.»

Konkret heisst das: Das Einmaleins des Marketings wird auf eine Person übertragen. Man sucht den Markenkern des oder der Betroffenen, die Unique Selling Proposition (USP) und die Emotional Selling Proposition (ESP). Daraus leiten sich Markenleitbild und -kommunikation ab. Ist die Marke definiert, folgt der härteste Job: mit ihr hausieren zu gehen – im Job, beim Netzwerken, in den Social Media. «Self-Branding ist ein Lebensprojekt. Man muss permanent dranbleiben», erklärt Petra Wüst.

Und genau das stellt viele vor Probleme. «Ein grosses Hindernis für gekonntes Ego-Marketing ist die eigene Bequemlichkeit», weiss Rita Naef. Sie war im Personalmarketing tätig und coacht heute mit ihrer Firma Rita Naef Kommunikationskultur vor allem Frauen in Sachen Laufbahn und Auftritt. Self-Branding gehörte zu ihrem Seminarrepertoire. Doch sie hat die Erfahrung gemacht, dass der Begriff gerade Frauen häufig abschrecke. «Sie neigen dazu, Eigenmarketing mit Bluff gleichzusetzen, und das ist ihnen zuwider.» Dass Männer die besseren Ego-Vermarkter sind und Frauen lieber still darauf warten, entdeckt zu werden, ist hinlänglich bekannt.

Doch Werbung in eigener Sache zu machen, wird in der Schweiz kontrovers aufgenommen. Ein offensiv ausgespieltes Ego-Marketing am Arbeitsplatz, ein Mitarbeiter, der sich zum «Marlboro Man» des Tagesgeschäfts hochstilisiert – das begeistert nicht alle Fachleute. «Ich bin gegenüber solchen Dingen skeptisch», sagt Kommunikationsberater und Buchautor Patrick Rohr. Zwar spiele das Thema Self- Branding auch in den Auftritts- und Präsentationsberatungen des ehemaligen TV-Moderators am Rand eine Rolle. «Aber wer sich mit ausgedachten Alleinstellungsmerkmalen schmückt, läuft immer Gefahr, dass solche Aktionen aufgesetzt wirken.» Und was als unecht aufgefasst werde, schade eher. Rohr glaubt, dass man sich im Büroalltag «immer noch am besten über Leistung definiert».

Schein und Sein. Tönt gut. Doch was, wenn in der Arbeitswelt von morgen immer mehr Projektarbeit geleistet werden muss? Wenn Arbeitseinsätze beschränkt, Büros mobil sind und die Verweildauer im Job sinkt? Dann steigt die Notwendigkeit, ein besserer Verkäufer seiner selbst zu sein, weil man sich in immer neuen Situationen beweisen muss. Erst recht, wenn die Konkurrenz aus dem Norden stetig grösser wird. Deutsche Fachkräfte sind in den letzten Jahren in Scharen in hiesige Firmen eingedrungen – und hinterlassen mit ihren Auftritten meist einen stärkeren Eindruck als Schweizer. Jon Christoph Berndt begegnet dem Thema immer wieder bei seinen Auftritten – «das kekst die Schweizer richtig an». Sie müssten, so der deutsche Human-Branding-Trainer, «da einen Zacken zulegen».

Dass die Schweizer ihr Licht öfter unter den Scheffel stellen, weiss auch Reto Salimbeni. Der Zürcher Regisseur, Drehbuchautor und Filmproduzent, dessen Spots für UPC Cablecom hierzulande eben zur «Kampagne des Jahres» gewählt wurden, sagte es in der «Werbewoche» jüngst klipp und klar: «In der Schweiz hat es sehr viel Talent und Potenzial. Was gelernt werden muss, ist das Eigenmarketing.» Salimbeni, der schon Anfang der neunziger Jahre für Dreharbeiten nach New York und Los Angeles ging, lernte es spätestens bei seinem Eintritt in den US-Markt: «Ich staunte über Kollegen und Rivalen, die offenbar schon hundertmal mehr Erfahrung hatten als ich. Bis ich erkannte: Das ist alles heisse Luft – aber sehr attraktiv verpackt.»

Ein Schweizer, hat Salimbeni erkannt, wolle in erster Linie gute Arbeit abliefern. «Der Amerikaner will etwas anderes: Er will in erster Linie gewinnen.» Das Erfolgsmerkmal liege in der Synthese: «Man muss mit einer Qualität in Verbindung gebracht werden. Und das dann gut und gekonnt kommunizieren.»

Da es in der Film- und Werbewelt grundsätzlich ein Talente-Überangebot gebe, sei dort das Eigenmarketing früh erkannt und umgesetzt worden. «Und was im Showbusiness richtig ist, gilt auch fürs Grossraumbüro», so Salimbeni.

Ist Ego-Marketing also für jedermann lernbar? Können selbst schüchterne Typen zum starken Self-Brander mutieren, wenn sie es wirklich wollen? Petra Wüst glaubt das nur bedingt. «Introvertierte Menschen haben eine deutlich höhere Hürde beim Ego-Marketing zu überwinden. Denn sie müssen zuerst mal über ihren Schatten springen, um auf andere zuzugehen.» Profiliert, selbstbewusst und zielsicher könnten freilich auch Schüchterne werden.

Doch auch Naturtalente mit sorgsam gepflegtem Markenbild haben den Erfolg nicht auf ewig. «Das Schlimmste ist, wenn man etwas tut, was der eigenen Marke komplett widerspricht», so Wüst. Etwa Tiger Woods: Der Golfprofi pflegte schon fast penetrant das Bild des sauberen Familienmenschen – bis seine zahlreichen Affären ans Tageslicht kamen und seine Marke schrumpfen liessen wie ein Soufflé. Auch Ex-SNB-Präsident Philipp Hildebrand musste die Erfahrung machen, dass ein Markenbild rasch Schaden nimmt, wenn die Fakten eine andere Sprache sprechen.

Mit dieser Gefahr müssen Self-Brander leben – und bei Bedarf rechtzeitig Gegensteuer geben. Das gilt auch für die digitale Identität. Profile auf Online-Karriereportalen müssen gepflegt werden: «Das richtige Netzwerk hat bei der Bewerbung das gleiche Gewicht wie eine Fremdsprache – es ist aber nicht so schnell aufgebaut wie gute Englischkenntnisse», sagt Social-Media-Branding-Trainer Marc Lussy.

Einzigartige Profilierung. Wichtiger als die virtuelle Welt ist für ambitionierte Karrieristen, die sich unentbehrlich machen wollen, der tägliche Infight im realen Büro. Gekonntes Self-Branding, sagt Jon Christoph Berndt, verhelfe zu einer effizienteren Arbeitsweise: «Indem man seine Wahrnehmung stärkt, gelingt es, mit weniger Einsatz mehr zu erreichen.» Im ganz persönlichen Marketingmix gebe es viele Möglichkeiten, um im Grossraumbüro zu punkten.

«Natürlich muss man bei der Arbeit Substanz und Qualität liefern. Aber das reicht nicht. Man muss ein Alleinstellungsmerkmal haben.» Man könne sich etwa profilieren als der «beredte Schweiger» in der Sitzung: «Alle einfach quasseln lassen, ruhig bleiben. Und dann an der richtigen Stelle den rhetorischen Nadelstich setzen. Das bleibt allen in Erinnerung.»

Was auch funktioniere als «Markenanker»: «Man ist diejenige Person, die als einzige weiss, welches die geheimen Machtmechanismen sind. Oder diejenige, welche die Computersysteme perfekt kennt und erklären kann.» Erfolg ergebe sich immer aus «guter Tätigkeit mit toller Verpackung». Nur eines, so Berndt, funktioniere nicht: nirgends anecken zu wollen. «Wer Everybody’s Darling sein möchte, wird zu Everybody’s Deppen.»

Das glaubt auch Petra Wüst: «Wer sich ein Profil verschafft, der eckt auch mal an.» Das müsse sie gerade den Frauen in ihren Coachings immer wieder beibringen, da diese sich nur ungern unbeliebt machen. Und: Ohne Kernkompetenz geht gar nichts im Ego-Marketing. Wer sich beispielsweise als Generalist profilieren will, hat schlechte Karten in einer Wirtschaftswelt, die zunehmend auf Spezialwissen angewiesen ist.

Doch auch für No-Brands, die keine vermarktbaren Eigenschaften bieten, hat Jon Christoph Berndt ein Trostpflästerchen. Sie können sich einen Zacken Originalität zulegen, um nicht als graue Maus abqualifiziert zu werden. «Man kann sich ein Markenzeichen schaffen, indem man derjenige ist, der immer fünf Minuten zu früh an der Sitzung ist», rät er. «Man trägt immer ein rotes Halstuch oder fällt auf mit einem speziellen Kunstwerk im Büro.» Berndt selber hat es diesbezüglich zur Meisterschaft gebracht: mit einer 1,5 Meter hohen Beutelratte aus Porzellan im Büro.