Früher haben wir das Geld noch mit dem Schubkarren in die Firma gefahren.» Damit sei Schluss, sagt Folke Postmeyer bestimmt. Der Geschäftsführer Schweiz/ Österreich des Erotikanbieters Orion Versand hat keine Zeit, in der Vergangenheit zu schwelgen. Er muss sich um das Hier und Jetzt und vor allem um die Zukunft kümmern. Denn das Business mit der Lust ist härter geworden. Postmeyer: «Es herrscht ein Verdrängungskampf.» Die Marketingkosten, um neue Kunden zu gewinnen und alte zu halten, sind in die Höhe geschnellt, Umsätze und Gewinn bei der Orion gesunken. Auch die CVV Versand AG musste in den letzten Monaten einen Umsatzrückgang um 10 bis 15% verkraften.

Das Schweizer Unternehmen Libosan beklagt beim Versandhandel gar einen Einbruch von 20%. Der Kommentar von Geschäftsführer Thomas Scheurer: «Es ist ein Märchen, dass die Sexbranche krisenrestistent ist.»

*Ackermann stöhnt mit*

Mit der Konjunkturflaute sank auch die Nachfrage bei den Vertreibern von Sexartikeln. Vor allem bei Erotikträgern wie Video und DVD wirkte sich die wirtschaftliche Unsicherheit aus: «Viele zücken eher einen alten Film aus dem Schrank, als einen neuen zu kaufen», sagt Scheurer. Entsprechend muss mehr Personal für die Rekrutierung neuer Kunden eingesetzt werden ? was wiederum auf den Gewinn drückt. Dass sich der Betriebsökonom FH trotzdem mit dem Geschäftsverlauf zufrieden geben kann, ist dem rund 10-prozentigen Umsatzgewinn in der Sparte Grosshandel zu verdanken. Dieser ist jedoch ein zweischneidiges Schwert: Denn neue Grosshandelskunden sind auch neue Konkurrenten. Darunter befindet sich der seit Februar aktive Laetitia-Versand ? eine Abteilung der B&H Soundmedia AG mit Sitz im Entlebuch.

Diese pusht die Lancierung ihres Sexartikelversands für dieses Jahr mit einem Millionenbetrag. Das Ziel der Ackermann-Tochter: Sich 1 bis 5% des Schweizer Sexartikelmarktes in der Höhe von rund 100 Mio Fr. zu sichern. Dem nicht genug: Mitverdienen will B&H auch am Lustgestöhn übers Telefonkabel. Im neusten Laetitia-Katalog locken scheinbar freimütige Frauen zum teuren Telefonvergnügen. Betreiber der Sextelefone ist Libosan, B&H verdient dank Umsatzbeteiligung mit. Je nachdem nicht zu knapp, da alleine im Sextelefonmarkt rund 100 Mio Fr. Umsatz pro Jahr generiert werden.

*Mickrige Margen*

Doch auch hier zeigt sich der Konkurrenzkampf von der harten Seite: «Als wir versucht haben, ins Sextelefongeschäft einzusteigen, wurden wir hart abgeblockt. In diesem Segment herrschen Mafia-ähnliche Strukturen», sagt der Inhaber einer Versandfirma. Alles laufe über einige wenige grosse Anbieter. Wer zusätzlich ins Metier drängen wolle, müsse mit «Problemen» rechnen.

Probleme haben viele traditionelle Versandhandelsfirmen auch ohne Telefonsex. Kopfzerbrechen bereiten ihnen vor allem die Einmann-Betriebe, die von einem Hinterzimmer oder einer Studenten-WG aus mit einem kleinen, selbst programmierten Internetshop operieren. Davon gibt es Zehntausende. Viele verschwinden nach kurzer Zeit wieder von der Bildfläche, da der Traum vom schnellen Geld mit Sex rasch zerplatzt. Anders die so genannten Klonshops von Grossfirmen. Diese erkaufen sich das Recht, mit der Ware ihrer Vertragspartner zu handeln, über Umsatzbeteiligungen. Alleine Orion zählt 5000 solcher Klonshops. «Oft betreiben diese Garagenverkäufer Preisdumping», sagt Reto Koch, Mitinhaber der Orgazmik Media Switzerland mit 14 Angestellten. Dies drückt die Margen bis unter die Schmerzgrenze. Viele der von der «HandelsZeitung» befragten Unternehmen der Erotikbranche erzielten noch vor acht Jahren Margen in der Höhe von 400 und mehr Prozent. In den letzten zwei, drei Jahren sank diese bei vielen auf 100 und weniger Prozent. Bei einigen gar unter 50. «Solche Margen sind tödlich», weiss Orion-Schweiz-Geschäftsführer Folke Postmeyer.

Die Margen aus den goldenen Erotikzeiten konnten nur einige wenige Grossanbieter bis heute bewahren. Darunter die börsennotierte Marktleaderin Beate Uhse. So verkündete das Mutterhaus in Flensburg kürzlich seine Umsatzentwicklung für 2002: Der Umsatz kletterte von 222,8 Mio Euro im 2001 auf 244,5 Mio Euro. In diesem Jahr will das Erotikflaggschiff nochmals um 17,2 Mio Euro wachsen.

Der Gewinn vor Steuern (Ebit) soll um rund 9% auf 18,8 Mio Euro steigen. Kein Wunder, frohlockt die Mediensprecherin auf die Frage nach dem Geschäftsgang mit: «Wir sind auf Kurs». Weniger optimistisch sehen dies Branchenkenner. Zwar profitiert Beate Uhse von ihrem historisch gewachsenen, sehr gut positionierten Brand. Deshalb laufen beinahe alle Erstkontakte von Kunden mit dem Erotik-Business über das Deutsche Unternehmen oder einen seiner Lizenznehmer. Entsprechend kann Beate Uhse ihre Preise setzen. Doch wenn dieser Vorteil mittelfristig dahinfällt und sich der Konkurrenzkampf über die Preise fortsetzt, müsste selbst Beate Uhse mit Einbussen im Versand- und Einzelhandel rechnen.

*Wäsche soll Frauen anlocken*

Aber auch hier hat die Pionierin der Sexindustrie vorgesorgt: Sie setzt vermehrt auf Wäsche, Sextoys und damit auf die Frau als Kundin. Aus Sex- sollen wirkliche Erotikshops werden, die Hardcore-Filme sollen einem ausgeweiteten Wäsche-Sortiment weichen. Solche Soft-Läden für Paare wurden in vier Städten Norwegens getestet ? mit Erfolg. Ende Jahr soll ein weiter Soft-Laden in England eröffnet werden. Bei guten Ergebnissen ist eine grössere Expansion geplant.

Aber ob Frauen wirklich in einem solchen Masse, wie Beate Uhse vollmundig verkündet, Wäsche und Sextoys kaufen, wird von Mitbewerbern bezweifelt. So beträgt der prozentuale Anteil der weiblichen Käuferschaft bei Sexfilmen gerade mal zwischen 2 und maximal 10%. Bei Wäsche und Toys sind es zwischen 20 und 35%. Zu der Behauptung von Beate Uhse, die Frauen machten im Versandhandel 50% der Käuferschaft aus, meint Scheurer: «Das ist eine reine Marketing-Aussage. Fakt ist, dass deutlich unter 10% der Kunden weiblich sind. Und dies nicht nur bei uns. Garantiert. Es geht vielmehr darum, zu kommunizieren, dass der Einkauf im Sex-Shop auch für Frauen etwas Normales sei und dadurch tatsächlich Frauen anzulocken.»

*Erotikmärkten gehört die Zukunft*

Ob die Bearbeitung der Frauen zum erhofften Umsatzwachstum der Erotikbranche führt, wird sich weisen. Was sich dagegen bereits heute abzeichnet ist die Konsolidierung im Sexgeschäft. Vor allem die kleineren der rund 130 Erotikfachgeschäfte in der Schweiz werden es in Zukunft schwer haben, zu überleben. Obwohl gerade die physischen Verkaufsstellen als Zukunftsmarkt gehandelt werden.

Doch wer sich nicht auf Nischengebiete wie etwa die SM-Szene konzentriert, wird gegen die grossen Ketten hier zu Lande wie Beate Uhse und die Erotikmärkte einen schweren Stand haben. Diese werden ihre Angebote im Nicht-Film-Bereich weiter ausbauen, um neue Kunden anzulocken. Auch im Versandhandel ist das Aus kleiner, nicht spezialisierter Anbieter abzusehen. Gute Überlebenschancen haben dagegen Firmen wie etwa die Orgazmik Media Switzerland. Diese produziert selbst Pornofilme, um sich von der Konkurrenz abzuheben. Grund: «Von 100 Filmen sind 80 überflüssig.» Eine Aussage, die sich auf die Anbieter von Erotikartikeln übertragen lässt.

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