1. Wer macht das Rennen?

Verändern oder Bewahren? Diese Frage werden sich die Delegierten stellen, wenn sie am Samstag die neue Präsidentin wählen. Einiges spricht derzeit für Ursula Nold, da sich diverse Migros-Grössen öffentlich für die Bernerin ausgesprochen haben. Zuletzt votierten im «Blick» auch die ehemaligen Migros-Chefs Herbert Bolliger und Anton Scherrer für Nold. 2008 wurde sie als erste Frau an die Spitze der Delegiertenversammlung des MGB gewählt.

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Sie kennt die komplexen Strukturen der Migros. Allerdings bringt sie nicht dieselbe operative Erfahrung mit wie ihre Gegenkandidatin. Jeannine Pilloud war die erste Frau in der SBB-Konzernleitung. Obwohl sie von aussen kommt, wurde sie von der Migros als offizielle Kandidatin vorgeschlagen. Und weil die grossen Genossenschaften ein Interesse haben, dass künftig die kleineren zusammengelegt werden, könnte sie als aussenstehende Macherin eher die Stimmen der Grossen einheimsen.  

2. Wie wird entschieden?

Gewählt wird die Präsidentin von den Delegierten, dem sogenannten Migros-Parlament. Die 10 Genossenschaften entsenden je nach ihrer Grösse insgesamt 111 Delegierte. Jeder Genossenschaft stehen mindestens fünf Sitze zu. Das meiste Gewicht hat die Genossenschaft Migros Aare mit 17 Delegierten, gefolgt von der Ostschweiz (14) und Zürich (12).

Am wenigsten Stimmen haben die Genossenschaften Tessin und Wallis mit je sieben Delegierten. Falls keine der beiden Kandidatinnen das absolute Mehr erreicht, könnte die Wahl gar auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden.

3. Welchen Einfluss hat die Präsidentin?

Das Amt war bisher wenig prestigeträchtig. Oft übernahmen es die altgedienten CEOs. Unter dem ehemaligen Konzernleiter Herbert Bolliger hatte der abtretende Präsident Andrea Broggini kaum strategischen Einfluss aufs Geschäft. In einem Interview sagte er, seine Hauptaufgabe sei die Konsensbildung gewesen.

Laut Reglement organisiert und leitet der Präsident die jährlich sechs bis acht Sitzungen der Verwaltung. Er überwacht die Einhaltung und Durchsetzung der Beschlüsse. Und er pflegt die Beziehungen zu den Genossenschaften. Zudem ist er Bindeglied zwischen Verwaltung und der Generaldirektion, also der Konzernleitung. An deren Sitzungen kann er lediglich mit beratender Stimme teilnehmen.  

4. Wie viel verdient der Präsident?

Die Entschädigung ist attraktiv. Für das 50-Prozent-Amt erhielt Broggini zuletzt 420’000 Franken. Zum Vergleich: Der Konzernleiter kommt auf ein Jahressalär von knapp einer Million Franken.

5. Welche Rolle spielt die Verwaltung im Konzern?

Der Verwaltungsrat heisst in der Migros schlicht Verwaltung und zählt 23 Köpfe. Sie besteht aus Präsident, zehn Gesandten der Genossenschaften, neun Externen, zwei Mitarbeitervertretern und dem Migros-Chef.

Das Problem: Die Verwaltung ist nach heutigen Governance-Massstäben kein verlässliches Korrektiv, da neben dem Konzernchef auch die Chefs der Genossenschaften Einsitz haben. 2014 gab es eine Abstimmung, ob Regionalfürsten und CEO nicht mehr vertreten sein sollten. Die Delegierten schmetterten das Begehren mit 72 zu 33 Stimmen ab.

6. Welche Chancen bieten sich der Präsidentin?

Traditionell kamen die Migros-Chefs aus der Deutschschweiz und die Präsidenten aus dem lateinischen Teil. Mit dem Westschweizer Migros-Chef Fabrice Zumbrunnen hat sich das gedreht. Zudem hielten sich die Präsidenten meist im Hintergrund und überliessen das Rampenlicht dem Konzernchef. Auch das dürfte sich ändern. Zumbrunnen ist bisher kaum an die Öffentlichkeit getreten. Das könnte nun die Präsidentin übernehmen. Mit einer Frau als Aushängeschild würde die Migros in der Öffentlichkeit punkten.

7. Welche Herausforderungen stellen sich?

Die Migros ist in einem rückläufigen Markt tätig. Der Betriebsgewinn geht seit Jahren zurück. Die Ebit-Marge ist zwischen 2010 und 2017 von 4,7 auf 2,1 Prozent gesunken. Jene von Coop sank von 3,7 auf 2,9 Prozent – schrumpfte somit weniger stark. Dass Rivale Coop die Migros in Sachen Umsatz und Profitabilität überholte, hängt unter anderem mit der Unternehmenstruktur zusammen.

Einst war Coop ähnlich organisiert. 1999 haben sich jedoch die 14 Genossenschaften zugunsten einer zentralen Genossenschaft aufgegeben. Eine solche Verschlankung ist bei der Migros kaum denkbar. Angesichts der digitalen Zukunft und der bedrohlichen Online-Konkurrenz aus dem Ausland, sind dennoch Reformen angezeigt.