Das Entrée des repräsentativen Sitzes der Walter Meier Holding (WMH) im Industriequartier von Stäfa hängt voller bunter Bilder aus quadratischen und rechteckigen Elementen. Richtet sich so der jüngste CEO der Schweiz ein? Darauf angesprochen, sagt Silvan Meier lachend: «Nein, das war alles schon da, als ich kam.» Dann zeigt er auf ein grossflächiges eigenartiges Gemälde gegenüber seinem Pult. «Das habe ich ausgewählt.» Graue, blaue und metallfarbene Elemente fliessen ineinander. Es sieht aus, als ob der Himmel am Ende eines Sees verblaue. Der Gegensatz zur Aufgeregtheit, welche die farbigen Malereien im Gang verbreiten, könnte grösser nicht sein.
Dann kommt ein Satz, der den jungen Mann mehr charakterisiert als vieles, was er später sagen wird. In der rechten oberen Ecke ist schemenhaft ein Untier zu erkennen. «Dieses Bild darf man aufhängen, wie man will, ich kann es auch drehen, dann macht der ‹Drache› ein freundliches Gesicht.»
Der Eindruck, dass Silvan Meier zwar Schwierigkeiten erkennt, aber deswegen nicht gleich die Segel streicht oder den eingeschlagenen Weg gar ändert, wird durch die Umtriebigkiet seit seinem Amtsantritt bestätigt.
Obwohl erst wenige Monate auf dem Chefsessel der WMH, die vor wenigen Tagen für 2006 ein Glanzresultat präsentiert hat, hat er bereits markante Spuren hinterlassen: Silvan Meier hat ein Rebranding vorgenommen, das alles andere als sanft ist. Sämtliche Unternehmensnamen – etwa Oertli Service, Vescal oder Axair – werden in Walter Meier umfirmiert nach dem Motto «Ein Konzern, eine Identität, ein Name».
Silvan Meier konnte zwar davon ausgehen, dass diesem Projekt von verschiedener Seite Widerstand erwachsen würde – vom Verwaltungsrat, von der Geschäftsleitung, von den Kunden und von den Mitarbeitern. Doch es ist ihm gelungen, sie davon zu überzeugen, dass dies ein wichtiger Schritt für die Zukunft des Unternehmens sei. «Damit erzielen wir eine klare Positionierung als integrierter und konsistent am Markt auftretender Konzern. Wir steigern die Synergien im Marketing und in der Kommunikation, weil alle Mittel in den gleichen Brand fliessen. Und schliesslich geben wir uns eine einfachere und übersichtlichere Struktur.»
Visionen auch umsetzen
Meier hat nicht nur innerhalb kürzester Zeit seine Vision umgesetzt, sondern bereits die entsprechenden Broschüren für die Betroffenen konzipieren und drucken lassen. «Kommunikation ist bei Umstellungen dieser Tragweite erfolgsentscheidend.» In Manuals werden die Beweggründe für diesen Schritt dargelegt und Fragen, die sich Mitarbeitende wie Kunden stellen, beantwortet – etwa: «Was ändert sich für Sie?» oder «Was bleibt gleich?», aber auch «Warum gerade jetzt?»
«Wenn ich von etwas überzeugt bin, dann kann ich rasch entscheiden und mich auch bei Schwierigkeiten durchsetzen.» Jetzt kommt einem wieder der Satz über das Untier auf dem Bild in den Sinn: Nicht auf das Dunkle, sondern auf das Licht einer Lösung schauen!
Aber als ob der Neuerungen in so kurzer Zeit nicht genug wären. Unter Meier wurde ein weiterer wichtiger Schritt getan, der eigentlich ebenfalls längst fällig gewesen wäre. Die nicht transparente Struktur des Unternehmens, die WMH einen Konglomerats-Malus bescherte, ist kurzerhand zugunsten zweier Standbeine aufgehoben worden.
Wenn Meier etwas erläutert, wird immer wieder deutlich, dass er Führungseigenschaften hat, die manchem gestandenen CEO total abgehen. Der junge Chef kann nicht nur analytisch denken, das allein genügt noch nicht, um andere zu überzeugen; er kann Sachverhalte auch in einfachen Worten begründen. «Es ist sinnvoll, dass die technologisch verwandten Bereiche Heizen, Lüften, Kühlen und Befeuchten zum Kompetenzbereich ‹Klima› zusammengefasst werden», erläutert er, was in der Umsetzung eine komplizierte Angelegenheit ist. Der zweite Unternehmenspfeiler, Tools, wird so benannt, dass jedermann sich darunter sofort ganz plastisch etwas vorstellen kann: Fertigung. Von dieser strukturellen Straffung verspricht sich Meier eine erhöhte Transparenz.
Wenn er über betriebswirtschaftliche Fragen und Probleme spricht, entsteht der Eindruck, er habe Betriebswirtschaftslehre studiert. Weit gefehlt. Meier schloss ein Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Zürich ab. «Was mich daran so faszinierte, war die Gesamtschau der Dinge.» In der BWL würden die Inhalte auf Modelle reduziert, welche endlich seien. In der VWL seien die Horizonte viel weiter abgesteckt. Vielleicht erklärt dies auch, wieso er sich so rasch in seine neue Rolle eingelebt hat: Er schaut Dinge zunächst aus der Vogelperspektive an.
An die Front
Zwar hat er seit seinem Amtsantritt mit dem Rebranding und der Neugliederung des Konzerns viel um die Ohren gehabt. «Aber es lag mir sehr daran, auch mit möglichst vielen Mitarbeitern zu reden und unsere Niederlassungen und Vertriebsstandorte in den USA, Taiwan, England, Frankreich und Deutschland zu besuchen. Sobald ich etwas mehr Luft habe, stehen Russland und China, wo wir ein Joint Venture haben, auf dem Programm.»
Wird dieser Mann eigentlich nie müde? «Ich fühle mich so wohl in dieser Aufgabe, dass ich mich dabei selber immer wieder aufladen kann», sagt er. Das gelte auch für interessante Menschen, mit denen er sich umgibt. Sie stammen aus den verschiedensten Kreisen: Ingenieure, Kulturschaffende, Architekten und Angehörige aus der Bau- oder der Bankenwelt. «Ich habe gerne interessante Menschen um mich, Langweilern gehe ich lieber aus dem Weg.»
Wenn er auf Reisen ist, versucht er, wenn immer möglich, neben dem Arbeiten auch Architektur und Kultur der Aufenthaltsorte
zu erkunden. Sein Büro verrät, dass er einen ausgesprochen
guten Geschmack hat. Nur schon der hölzerne Schreibtisch ist
etwas vom Eigenwilligsten, was man je in einem Chefbüro gesehen hat: Die Beine hat der Designer Achille Castiglioni entworfen, die Platte liess sich Meier anfertigen. Er schwärmt für die 50er Jahre und hat auch ein Set Fiberglasstühle von Ray und Charles Eames im Büro.
Angesichts seiner Vorliebe für diese Möbelstücke erstaunt nicht, dass Meier alte französische und italienische Filme von Godard, Truffaut oder Fellini und Musik von Bob Dylan oder Neil Young liebt Aber auch Marcel Proust hat es ihm angetan. Er habe sich durch alle Werke «hindurchgearbeitet». Doch dazu – Kinobesuche und Lesen oder Strampeln auf dem Rennvelo – kommt er derzeit nicht. «Ich möchte den Betrieb und unsere Produkte noch näher kennen lernen und mit vielen Leuten Gespräche führen. Ich weiss, dass es noch Lücken gibt, die ich füllen muss. Aber ich bin sehr gut aufgenommen worden, was nicht selbstverständlich ist», sagt er. Und er ist auch selbstkritisch genug, um zu wissen, dass ein Teil seines Anfangserfolges darauf zurückzuführen ist, dass er als Sohn des Besitzers eine komfortable Ausgangslage hatte.
Aber gesetzt den Fall, er hätte nicht so viel Elan, Ideen und Durchsetzungsvermögen mitgebracht, wäre die Gefolgschaft bestimmt abgebröckelt. Es gab weder Kündigungen noch Missfallen bei seiner jähen Übernahme der Führungsverantwortung. «Auch das hätte anders kommen können», sagt er und spricht den abrupten Abgang seines Vorgängers Hans-Peter Diener an. Viele Worte möchte der sonst sehr kommunikative Silvan Meier über dieses Kapitel in der WMH-Geschichte nicht verlieren.
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Zur Person: Steckbrief
Name: Silvan G.-R.Meier
Funktion: CEO der Walter Meier Holding, Stäfa
Geboren: 1976
Wohnort: Zürich
Familie: Ledig
Ausbildung : MA in Wirtschaftswissenschaften, Universität Zürich
Karriere:
2002–2006 Senior Consultant bei Simon, Kucher & Partners Strategy & Marketing Consultants, Zürich
Seit 2006 VR-Vizepräsident und -Delegierter von Greentec und CEO der Walter Meier Holding
Führungsprinzipien:
1. Klare strategische Vorgaben und Ziele.
2. Weitgehende Freiheit und Entfaltungsmöglichkeit in der Umsetzung.
3. Anstatt Gehorsam eine individualisierte Diskurskultur.
4. Spass an der Arbeit und gezielte monetäre Anreize bringen die höchste Produktivität.
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Firma:
WMH: Die Walter Meier Holding ist in den Bereichen Heizen, Kühlen, Lüftung, Befeuchtung und der Fertigungstechnik tätig und setzt in 20 Ländern mit rund 1800 Mitarbeitenden rund 800 Mio Fr. um.